Fast ein Drittel der Deutschen findet Fliegen beängstigend. Für seltsame Geräusche oder kräftiges Ruckeln im Flugzeug gibt es allerdings meist harmlose Erklärungen. Sie zu kennen kann helfen, die Flugangst zu überwinden.
Herzrasen, Schwitzen, Atemprobleme und Schwindel: Für etwa 16 Prozent der Deutschen ist das Fliegen mit dem Flugzeug der reinste Alptraum. Das geht aus einer 2003 veröffentlichten Studie des Allensbacher Instituts hervor. Weitere 22 Prozent verfallen zwar nicht direkt in Panik, fühlen sich aber über den Wolken eher unbehaglich als frei. Zusammengenommen sind damit mehr als ein Drittel der Deutschen mehr oder weniger stark von Flugangst betroffen.
Gründe dafür gibt es viele. "Wir bewegen uns mit dem Flugzeug ja in der Luft und begeben uns damit in einen Raum, in dem wir Menschen eigentlich ursprünglich gar nicht lebensfähig sind", erklärt Psychologe Dr. Sascha Thomas, der Passagiere in speziellen Flugangst-Seminaren der Lufthansa begleitet. "Für viele ist das ist eine Art geistiges Nicht-Fassen-Können, dass man mit einer Maschine überhaupt dort oben unterwegs sein kann."
Flugangst kommt oft von Unwissenheit
Damit einher geht das mangelnde Wissen und technische Verständnis über das Fliegen und die Abläufe in einem Flugzeug. "Ganz viel der Flugangst ist durch Unwissenheit begründet. Die Passagiere machen sich Vorstellungen von Risiken und Gefahren, die jemand, der in dem Bereich arbeitet und sich auskennt, gar nicht sieht", weiß der Psychologe. "Klar kann man Risiken nicht ausschließen. Aber bei Menschen mit Flugangst werden diese einfach überschätzt." Viele fürchten sich auch, weil sie die Kontrolle über ihr Leben in fremde Hände legen müssen und sich ausgeliefert fühlen.
Das wirksamste Mittel gegen die Angst ist Wissen. Wer ein Flugangst-Seminar belegt, wird daher zunächst mit umfassenden Informationen rund um das Fliegen gefüttert. Wie fliegt ein Flugzeug? Was ist eine Turbulenz? Zu diesem Zweck nimmt Berufspilot Benjamin Wagner seine Seminarteilnehmer mit in einen Flugsimulator in München.
"Der Teilnehmer darf selber ans Steuer", berichtet er. "Er merkt dann, zu welchem Zeitpunkt welche Geräusche auftreten, was vorne im Cockpit gemacht wird und was es für einen Sinn hat." Hinter vielen Bewegungen und Geräuschen, die Passagiere beängstigend finden, stecken nämlich anstelle von lebensbedrohlichen Katastrophen ganz normale Abläufe eines Fluges.
Klappern, Rumpeln, Surren: Diese Geräusche sind ganz normal
"Schon gleich zu Beginn, wenn alle ins Flugzeug einsteigen, gibt es erst mal ein rumpelndes Geräusch, wenn der Pusher andockt", erläutert Pilot Benjamin Wagner. Der Pusher oder Flugzeugschlepper ist das Fahrzeug, das die Maschine weg vom Terminal schiebt – der Rückwärtsgang sozusagen. "Dann flackert mal kurz das Licht, wenn der Strom umgeschaltet wird", erklärt Wagner weiter. "Während des Fluges kommt der Strom ja über die Triebwerke, davor jedoch vom Bodenstrom oder von der Hilfsturbine." Die Hilfsturbine befindet sich übrigens im hinteren Teil des Flugzeuges und kann auch ordentlich Lärm machen.
Ebenso einfache Erklärungen gibt es für viele weitere beängstigenden Geräusche: Ein hohes Surren vor dem Start ist auf das Ausfahren der Landeklappen zurückzuführen und beim Beschleunigen auf der Startbahn kann es zu einem lauten Scheppern kommen, wenn die Signallichter auf der Mittellinie überfahren werden. Sobald die Maschine in der Luft ist, wird mit einem ordentlichen Rumpeln das Fahrwerk eingefahren. "Bei der Landung wird's dann auch nochmal relativ laut", berichtet der Berufspilot. "Und zwar dann, wenn die Triebwerke auf Umkehrschub umgestellt werden."
Horror-Szenarien werden entkräftet
Doch nicht nur das Verständnis für die routinemäßigen Abläufe kann helfen, die Flugangst zu lindern. Auch weit verbreitete Katastrophenszenarien werden entkräftet. So seien die viel gefürchteten Turbulenzen eigentlich gar nicht gefährlich, sagt Wagner. "Auch wenn es mal ordentlich wackelt und man durchs Fenster sieht, wie sich der Flügel bewegt: Die Flugzeuge sind so stabil gebaut, die halten das aus. Sie sind dafür gemacht." Eine kleine Gefahr besteht allerdings: Wer bei unvorhergesehenen Turbulenzen nicht angeschnallt ist oder gar im Gang umher läuft, könnte sich durch das plötzliche Ruckeln verletzen.
Als beunruhigend empfinden viele Passagiere auch das plötzliche Durchstarten, wenn sich der Flieger eigentlich schon im Landeanflug befindet. "Dieser Go-Around ist aber gar nicht gefährlich, sondern wird schon bei kleinsten Abweichungen gemacht. Das ist ein Sicherheitsaspekt, der gefährliche Situationen von vornherein ausschließen soll", klärt der Experte auf. Selbst das Horror-Szenario Triebwerkausfall, etwa durch einen Vogelschlag, sei in Wirklichkeit gar nicht so bedrohlich. "Wir müssen dann im Cockpit ein wenig an der Steuerung verändern, aber das Flugzeug fliegt im Prinzip normal weiter – nur eben mit weniger Leistung. Eine normale Landung ist immer noch möglich", beruhigt Benjamin Wagner.
Sich der Angst stellen
Der unbegründeten Panik mit Informationen begegnen, ist das wirksamste Mittel in in der Bekämpfung von Flugangst, weiß Psychologe Sascha Thomas aus Erfahrung. Zusätzlich lernen Passagiere körperliche Entspannungsübungen. Aber am Ende führt nichts an der direkten Konfrontation vorbei: Die Betroffenen müssen in ein Flugzeug steigen und fliegen. "Man muss sich der Situation stellen, die einem Angst bereitet", sagt Thomas. "Der größte Fehler ist nämlich, viel zu spät etwas gegen die Flugangst zu unternehmen."
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