Google gilt schon seit langem als eines der Unternehmen, das den technologischen Fortschritt am stärksten vorantreibt. Nun will der US-Konzern das Zeitalter der Quantenüberlegenheit ausgerufen haben. Nicht alle sind davon überzeugt. Was es mit Googles Behauptung auf sich hat.

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Der US-Amerikanische Technikkonzern Google hat an diesem Mittwoch die wissenschaftliche Welt in helle Aufregung versetzt. Denn das Unternehmen will einen Durchbruch bei der Entwicklung von Quantencomputern erzielt haben.

Genauer gesprochen haben die Forscher von Google in einem in dem Wissenschafts-Journal "Nature" veröffentlichten Bericht die "Quantenüberlegenheit" verkündet. Bereits vor rund vier Wochen war der Fachbeitrag der Google-Forscher schon einmal für kurze Zeit aufgetaucht. Das hatte bereits für viel Gesprächsstoff unter Wissenschaftlern gesorgt. Doch was hat es mit der Aufregung um die Entdeckung auf sich?

Was bedeutet Quantenüberlegenheit?

Mit dem Begriff der Quantenüberlegenheit wird der Moment bezeichnet, in dem ein Quantencomputer die Leistungsfähigkeit eines klassischen Computers übertrifft. Konkret heißt das, dass er eine so komplexe Aufgabe löst, die ein herkömmlicher Rechner im Vergleich nicht in einer angemessenen Zeit bewältigen kann.

Genau das soll den Forschern von Google nun mithilfe des Prozessors "Sycamore" gelungen sein. Durch diesen habe man eine Kalkulation gelöst, für die der aktuell schnellste Supercomputer der Welt 10.000 Jahre benötigten würde.

Und das in gerade einmal 200 Sekunden. Bei der Aufgabe ging es demnach um das Erkennen und Analysieren hochkomplexer, zufällig generierter Muster.

Was unterscheidet Quanten- und herkömmliche Computer

Schon seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler nach neuen Wegen in der Computertechnik. Auch an der Entwicklung von Quantencomputern wird seit langem gearbeitet. Von diesen versprechen sich Forscher, dass sie hochkomplexe Rechenaufgaben um ein Vielfaches schneller lösen können, als es herkömmliche Rechner können.

Das grundlegende Konzept dahinter ist, dass ein Quantencomputer Unmengen an Befehlen gleichzeitig durchführen kann. Das wird durch die sogenannten Qubits möglich. Die stellen die kleinste Recheneinheit eines Quantencomputers dar.

Herkömmliche Computer setzen diesbezüglich auf Bits, die entweder den Zustand 0 oder 1 annehmen können. Ein Qubit kann hingegen, vereinfacht gesprochen, verschiedene Zustände gleichzeitig annehmen. Es kann also zur selben Zeit sowohl 0 als auch 1 sein.

Dieses Paradox gilt selbst in der theoretischen Physik noch heute als Herausforderung. Google-Chef Sundar Pichai zitiert in seinem Blog-Eintrag auch den US-amerikanischen Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman: "Wenn man denkt, man versteht die Quantenmechanik, versteht man die Quantenmechanik nicht."

Bislang war die Überlegenheit von Quantencomputer allerdings reine Theorie. Denn in der Praxis waren diese schlicht langsamer als klassische Rechner. Mit dem nur fingernagelgroßen Sycamore-Prozessor von Google soll sich das geändert haben. Der soll laut Angaben des Unternehmens 253 Zustände gleichzeitig verarbeiten können. Das entspricht zehn Millionen mal eine Milliarde.

Was ist dran an Googles Ergebnissen?

An dem Nachweis, dass Sycamore tatsächlich das Zeitalter der Quantenüberlegenheit einleitet, seien auch Forscher aus Jülich beteiligt gewesen. Das teilte das dortige Forschungszentrum am Mittwoch mit. Mithilfe von Simulationen seien die Ergebnisse verifiziert und die Leistung des Prozessors, der aus 53 funktionsfähigen Qubits besteht, bestimmt worden.

Ob Google mit seiner Behauptung aber tatsächlich richtig liegt, wird sich erst nach einer kritischen Überprüfung der Ergebnisse durch die Fachwelt sagen lassen.

Denn nicht alle Fachleute sind von den Ergebnissen des Unternehmens überzeugt. So spielt der US-amerikanische Technologie-Riese IBM, selbst seit langem in der Quantencomputer-Forschung involviert, Googles Erfolg herunter.

In einem Blog-Beitrag schreiben Forscher des Konzerns, dass Googles Rechnung einen Fehler enthalte. Die gleiche Aufgabe sei mit einem klassischen System bereits in 2,5 Tagen lösbar. Googles Experimente seinen zwar eine großartige Demonstration für die Forschungsfortschritte in Bezug auf Quantencomputer, aber nicht der Beweis dafür, dass diese klassischen Rechnern überlegen seien.

Ein technologischer Meilenstein?

Google selbst bezeichnet seine Ergebnisse als Meilenstein. Konzernchef Pichai vergleicht den Erfolg in einem Blogpost mit der ersten Rakete, welche die Reise ins Weltall überhaupt erst möglich gemacht hat. Auch Beispiele dafür, welche Probleme sich künftig möglicherweise mithilfe von Quantencomputern lösen lassen können, führt er an. So sollen diese dazu beitragen, effizientere Batterien zu entwickeln, oder herauszufinden, welche Moleküle ein Medikament wirkungsvoller machen.

Letztlich dürfte Googles Durchbruch im Quantencomputing auf die alltägliche Nutzung von Computern aber wenig Auswirkungen haben. Unter anderem, weil die Maschinen wegen der erforderlichen tiefen Temperaturen und Vakuumzustände nicht auf handliche Geräte verkleinert werden können.

Trotz allem Optimismus ist man sich auch bei Google darüber im Klaren, dass man noch lange nicht am Ende sei. Für die Wissenschaftler sei ein "Hallo Welt"-Moment, auf den sie gewartet hätten, schreibt Pichai.

Die Entdeckung stelle zwar "ein Moment der Möglichkeiten" dar, aber zwischen den Laborergebnissen und der praktischen Anwendungen liege noch ein langer Weg.

Mit Material der dpa.

Verwendete Quellen:

  • Google Blog: Computing takes a quantum leap forward
  • Google Blog: What our quantum computing milestone means
  • IBM Research Blog: On "Quantum Supremacy"


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