Seit sechs Generationen bewegt der Toyota Hiace Menschen und Güter auf dem Planeten. Bei uns ist er ein Außenseiter – im Rest der Welt eine Legende. Seine Geschichte in sechs Akten haben wir hier aufgeschrieben.
Ob als Kleinbus, Kombi, Kasten- oder Pritschenwagen – der Toyota Hiace (ausgesprochen: Hi Ace) hat sich wegen seiner robusten und einfachen Technik seit 1967 für alle Transportaufgaben bewährt. Mittlerweile wird der Japaner in sechster Generation gebaut, nimmt es mit bis zu 15 Passagieren oder mehr als einer Tonne Zuladung auf und wird von extrem zuverlässigen Motoren angetrieben. Kein Wunder also, dass er weltweit immer noch Verkaufserfolge feiert – nur bei uns nicht. Doch das liegt allein an der traditionellen VW-Dominanz.
Toyota selbst spricht allerdings nur von fünf Hiace-Generationen. Ausgerechnet die hierzulande noch bekannte und beliebte XH10-Baureihe aus den 1990ern zählen die Japaner zur Granvia-Baureihe. Der Toyota Granvia wurde zwischen 1995 und 2012 je nach Bauart und Markt auch als Hiace, Granace, Hiace Super Grandia, Hiace VIP oder Majesty vertrieben. Doch schön der Reihe nach – denn alles begann bereits 1967 mit einem 55 PS starken Pick-up "Hiace Truck".
1. Generation H10 (1967 bis 1977)
Der erste Toyota Hiace war ein Pick-up, den die Japaner als kleinere Alternative zum Lastkraftwagen Dyna auf den Markt brachten. Der 1,3 Liter große Corona-Motor wurde zugunsten der Haltbarkeit und eines höheren Drehmoments auf 55 PS gedrosselt. Geschaltet wurde über vier Gänge direkt am Lenkrad. Angetrieben wurden nur die Hinterräder. Dank Starrachse konnte der damals noch vergleichsweise kleine Pick-up bereits 1,2 Tonnen Nutzlast vertragen.
Bereits im Oktober 1967 folgte eine Kleinbus-Variante mit neun Sitzplätzen sowie ein geschlossener Kastenwagen mit Klapptüren. Der stärkere 1,5-Liter-Benziner mit 77 PS aus dem Corona passte besser zum Kleinbus, der damit immerhin auf Tempo 130 km/h kam. Zwei Jahre nach der Premiere bot Toyota optional längere Versionen des Hiace an, was beim Kleinbus 15 Sitzplätze ermöglichte. Auch viele Krankenwagen nutzten das robuste Chassis als technische Basis. Anfang der 1970er Jahre wurde der Hiace auch in andere Märkte außerhalb Asiens exportiert.
2. Generation H20/H30/H40 (1977 bis 1982)
Die zweite Generation des Hiace stellte Toyota 1977 vor. Die etablierten Karosserieformen (Kastenwagen, Minibus und Pick-up) blieben – jetzt aber mit mehr Laderaum und einer Hochdachvariante. Wieder gab es zwei Radstände und unterschiedlichste Aufbauten. Der Hubraum der Motoren stieg über die Jahre – mindestens war der 1,6-Liter-Benziner an Bord. Auch das Belüftungssystem wurde verbessert. So wurde ein Booster-Lüfter eingebaut, der auch bei stehendem Fahrzeug Außenluft hereinlässt. Zudem wurden auf beiden Seiten der Front handbediente Belüftungsklappen angebracht.
Erstmals zog 1979 ein Dieselmotor unter das dicke Blechkleid des Hiace. Zum Einsatz kam ein 2,2 Liter großer Selbstzünder. 1980 durfte sich der Hiace bei seiner Überarbeitung nicht nur über ein neues Armaturenbrett, sondern auch über ein 5-Gang-Schaltgetriebe (mit Overdrive) freuen. Vierstufen-Automatik und Klimaanlage folgten 1981 zusammen mit rechteckigen Scheinwerfern. Erstmals ist der Hiace nun offiziell auch in Deutschland zu haben. Zu dieser Zeit läuft in Hannover der Volkswagen T3 vom Band.
3. Generation H50/H60/H70 (1982 bis 1989)
Die Produktion der dritten Hiace-Generation startete Toyota bereits im Dezember 1982, während die Pick-up-Version des Vorgängers noch bis 1985 weitergebaut wurden. Mit H50, H60 und H70 gab es nun drei unterschiedlich lange Radstände. Damit wuchsen erneut das Platzangebot und die Aufbauvielfalt. Der Minibus wurde von nun an mit dem offiziellen Namen Toyota Commuter verkauft. Zudem ergänzte Toyota die Motorenpalette für den Hiace.
Kleinstes Aggregat in der dritten Hiace-Generation ist der 1,8-Liter-Benzinmotor, den es optional immerhin mit einer 4-Stufen-Automatik gab. Es folgten eine Zweiliter-Alternative und 1984 ein 2,2-Liter-Benziner. Der 2,2-Liter-Diesel wurde 1984 durch einen Turbodiesel mit zwei Litern Hubraum ersetzt. Ab 1987 kam erstmals die Hiace-Option "Allradantrieb" hinzu.
4. Generation H100 (1989 bis 2004)
Mit der vierten Generation erneuerte Toyota das Hiace-Konzept grundlegend. Statt der bisher üblichen Lenkradschaltung wurde gegen einen Knüppel zwischen den Vordersitzen getauscht, der Tankeinfüllstutzen wanderte für den Weltmarkt von rechts nach links. Und ABS wurde 1989 zum Standard.
Neben den üblichen Karosserievarianten gab es erneut den Kleinbus Commuter. Im Laufe der Jahre ersetzte Toyota die Vergaser gegen eine elektronisch gesteuerte Kraftstoffeinspritzung, vergrößerte die Motoren und liftete den Hiace immer wieder. In etlichen Ländern wie China, Südafrika oder Ägypten lief der Hiace mittlerweile als Kopie oder Lizenzbau vom Band. Obwohl die Baureihe H100 auf diese Weise mindestens noch bis Sommer 2004 überlebte, verkaufte Toyota bereits 1995 einen ganz anderen Hiace in Europa: den Granvia.
5. Generation XH10/XH20 (1995 bis 2012)
Den Toyota Hiace XH10 baute Toyota exklusiv für Europa. Abgeleitet vom Minivan Granvia bot der Hiace mehr Komfort und Sicherheit als die anderen Varianten für den Rest der Welt. Die längere Front mit der vor dem Fahrer positionierten Achse verschlechterte zwar die Raumausnutzung, erhöhte aber Windschlüpfrigkeit und Crash-Sicherheit.
Zwei Radstandslängen und etliche Aufbauten gab es auch für den XH10. Als Motoren kamen zunächst ein 2,4-Liter-Benziner zum Einsatz, der 1998 vom 2,7-Liter mit 143 PS ersetzt wurde. Mit der Jahrtausendwende zogen sogar Common-Rail-Diesel mit 88 oder 102 PS unter die nun leicht veränderte Motorhaube. Seit 2010 gab es nur noch Dieselmotoren für Europa, während im Rest der Welt längst der "neue" Hiace verkauft wurde.
6. Generation H200 (2004 bis heute)
Bereits kurz nach der Jahrtausendwende begann Toyota mit einer kompletten Neuentwicklung des Hiace. Der H200 feierte im Sommer 2004 seine Weltpremiere – jetzt wie der XH10 mit Frontmotor und mehr Knautschzone vor der ersten Sitzreihe. Kastenwagen und Kleinbusvarianten bietet Toyota seither in drei Längen und drei Höhen an – und es gibt sogar ein Wohnmobil ab Werk. Einziger Wehrmutstropfen: nach Europa kam der Hiace H200 nur über ambitionierte Importeure, offiziell aber nie.
Der noch aktuelle Hiace ist außerhalb Europas in Längen von 4,70 bis knapp 5,40 Meter zu haben. Als Motoren stehen je nach Markt sowohl Otto- als auch Dieselaggregate von zwei bis drei Litern zur Wahl. Die Toyota-intern als fünfte Generation bezeichnete Baureihe ist mit bis zu 15 Sitzplätzen, aber nicht mehr mit Allradantrieb bestellbar. © auto motor und sport
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