Sinn und Zielgruppe von Plug-in-Hybridfahrzeugen sind recht klar definiert: Indem sie auf langer Strecke die Reichweite des Verbrenners ausschöpfen und im Pendelverkehr oder in der Stadt rein elektrisch unterwegs sind, verknüpfen sie die Vorteile von E-Auto und Verbrenner. Wer seinen PHEV (Plug-in Hybrid Electric Vehicle) auf diese Weise einsetzt, hört im Idealfall tagelang keinen Ton des Verbrennungsmotors. Als Nachteil fällt standardmäßig der vielzitierte Satz, dass Akku und E-Motor auf dem Weg in den Urlaub nur spazieren gefahren werden. Nutzt man sein Auto aber ohnehin nur zwischen Heim, Arbeitsstätte und Supermarkt, kann die Technik sehr sinnvoll sein – speziell dank sinkender Gebrauchtpreise.

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Video: Toyota Prius Plug-in

Der Toyota Prius Plug-in-Hybrid (4. Generation, 2017-2022) im Detail

Am Anfang unserer Gebrauchtartikel versuchen wir stets, Modelle mit etwas außergewöhnlichem Charakter zunächst ein wenig zu charakterisieren, damit wenigstens ein grober Eindruck entstehen kann, noch bevor Sie selbst zur Probefahrt aufbrechen. Das geht beim ganz konservativ gestalteten Golf 7 eine ganze Ecke schneller als beim recht spacigen Prius. Glücklicherweise haben wir dessen herkömmlichen Hybrid-Bruder erst kürzlich im Gebrauchttipp vorgestellt.

Als Hybrid-Pionier hat sich Toyota schon von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, bei aller markentypischen Solidität, dem teilelektrischen Fahren einen gewissen, leicht nerdigen Sparspaß abzugewinnen. Die flachschräge Kammheck-Formgebung versprüht ihren hohen aerodynamischen Anspruch in jedem Winkel, im Innenraum gibt's eine futuristische Optik und Displays, die in bester Space-Age-Manier über den Antriebsenergiefluss unterrichten. Wer spottet, dass dabei kein allzu großer Wert auf Fahrspaß, ausgefeiltes Handling oder kräftigen Vortrieb gelegt wurde, hat nicht ganz unrecht. Vortrieb, Richtungsänderungen und Fahrwerksabstimmung liegen allesamt auf der sanften Seite und verdeutlichen, dass die mit Abstand meisten Prius seit eh und je in die USA verkauft werden. Diese Schrullen werden jedoch durch die große Sparsamkeit ausgeglichen.

Die Stärken des Prius

Und das bringt uns direkt ins Vorteilskapitel. Es bedarf keiner großen Marktforschung, dass Toyotas weltweit hauptsächlich deshalb gekauft werden, weil ihnen problemlose Fortbewegung und eine legendäre Langlebigkeit nachgesagt wird. Fahrspaß-Junkies oder ausgebuffte Sparfüchse finden meist reizvollere Hersteller. Genau da macht der Prius auch als Plug-in keine Ausnahme. Der 1,8-Liter-Benziner mit langatmigen 98 PS entspricht der standardmäßigen Hybridversion, ebenso das stufenlos funktionierende Planetenrad-Automatikgetriebe. Hauptunterschied: 8,8 kWh Kapazität aus einem Lithium-Ionen-Akku (anstatt 1,3 kWh aus einem Nickel-Metallhydridakku) und 53 + 23 kW Leistung (anstatt 53 kW), erzeugt durch einen weiteren, an die Antriebseinheit geflanschten Elektromotor.

Oder einfach: Der Plug-in schafft vollwertiges Elektrofahren über gut 50 Kilometer mit bis zu 139 km/h, während der normale Prius nur sehr zaghaft bis zu zwei Kilometer weit stromert und eigentlich dazu entwickelt ist, dem Verbrenner an entscheidenden Punkten Schubhilfe zu leisten. So erreichte ersterer auf unserer Verbrauchsrunde 2017 den erstklassigen Verbrauch von 1,3 Litern Superbenzin und 9,4 Kilowattstunden Elektrizität auf 100 Kilometer.

Die Schwächen des Prius PHEV

Auch das war abzusehen: Wer als versierter Autofahrer die gleichen fahrerischen Maßstäbe an einen Plug-in-Prius legt, wie an einen herkömmlichen Verbrenner europäischer Machart, wird enttäuscht. Er beschleunigt, lenkt, bremst und federt, jedoch nur weil er es muss – nicht weil er Spaß daran hätte. So versinken kurze Stöße zwar angenehm im Fahrwerks-Flausch, doch bringen längere Bodenwellen die Fuhre schwappend aus der Ruhe. Freilich findet all dies weit innerhalb der Grenzen der Fahrsicherheit statt, doch von Präzision kann hier nicht die Rede sein. Auf gleiche Weise ist es um den Vortrieb bestellt, wie um einen Achtklässler, dessen Wecker bereits vor elf Minuten geklingelt hat. Er kommt schon aus den Federn, aber eben nur unter hörbarem Protest. Angesichts bester Zeugnisnoten im Verbrauch mag man es ihm aber verzeihen.

Der VW Golf GTE (7. Generation, 2014-2020) im Detail

Der Golf macht alles anders als der Prius. Teutonisch, wie ein Campingplatz am Gardasee macht er keinen Hehl daraus, dass er zwar die nüchternen Vorteile des Plug-in-Hybridantriebs liefert, jedoch in Optik, Bedienung oder Fahreindruck keinen Millimeter vom klassischen Volkswagenkurs abweicht. Ohne GTE-Emblem und blaue Streifen sieht er aus wie jeder andere der rund vier Millionen Golf 7, vom eigens geformten Tagfahrlicht mal abgesehen. So auch im Innenraum, wo der Wählhebel des altbekannten DSG aus seiner ledernen Manschette lugt. Sogar der herkömmliche Drehzahlmesser sitzt an Ort und Stelle. Über Elektrosperenzchen wird allein in Bordcomputer und/oder Infotainment informiert.

Gibt es hier überhaupt einen Akku und einen E-Motor? Ja. Ersterer fasst 7,01 kWh Energie und sitzt unterm (erhöhten) Kofferraumboden, zweiterer bringt 75 kW Leistung und sitzt im Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe, das sich ganz traditionell an einen 1,4er-TSI-Benziner mit 150 PS anschmiegt. Der besitzt übrigens nicht mehr die anfällige Steuerkette, sondern einen Zahnriemen.

Die Stärken des PHEV-Golf

Für Schuster, die gern bei ihren Leisten bleiben, ist der Fall schon jetzt klar: Der Golf bietet Elektrovorteile ohne irgendwelche Kinkerlitzchen. Führt man sich vor Augen, dass der Golf 7 nicht ohne Grund einen Testsieg nach dem anderen einfuhr, weil er in Antriebsabstimmung, Fahrverhalten, Verarbeitungsqualität und (damals war das noch so) Bedienbarkeit der Perfektion nahe war, finden sich zahllose Kaufargumente, die für den Golf 7 GTE sprechen. Nur der Variant mit seinem enormen Kofferraumvolumen gehört leider nicht dazu – schade eigentlich. Seine Systemleistung von 204 PS liefert er glaubhaft und nachdrücklich, im GTE-Modus sogar mit ein wenig nachgewürztem Motorsound. Fahrwerk und Lenkung funktionieren dabei ebenso präzise wie das blitzartig agierende DSG mit seinen spaßig durchwählbaren Fahrstufen (im Kontrast zur spaßarmen Stufenlosigkeit des Prius-Getriebes).

Die Schwächen des Golf GTE

Nach diesen Stärken kann eigentlich höchstens noch auf hohem Niveau gemeckert werden. Der Golf 7 ist als durchaus haltbares Auto bekannt. Sein Doppelkupplungsgetriebe gehört zumindest nicht zu denen, die mit schwerwiegenden Lagerschäden ihren Dienst quittieren. Aber ob das Ganze tatsächlich so haltbar ist, wie beim Toyota? Zumal: Das ruppige und hier und da etwas ziellos wirkende Anrollen beherrscht das DSG auch in seiner Elektro-Adaption nicht immer sanft. Und last, aber nicht least, wäre da noch der Verbrauch, der im AMS-Test 3,5 Liter und 15,3 kWh auf 100 Kilometer verbrauchte. Das ist in etwa doppelt so viel wie der Prius, was sich in der reinen Elektroreichweite widerspiegelt, die zwar mit rund 50 Kilometern angegeben ist, in der Regel aber nach 35 Kilometern einen Schlussstrich zieht.

Kaufvergleich: Welchen nehmen?

Es ist schlicht die Andersartigkeit des Prius, die letztlich entscheidet. Den einen treibt sie bewusst zum spacigen Japaner, weil er das Teilzeitstromern zur Lebensphilosophie macht, den anderen jagt sie zum beruhigend konventionell gestalteten Golf. Letzterer fährt viel besser, besitzt aber einen weitaus höheren Verbrauch. Und was sagt die Brieftasche? Die zieht's trotz des höheren Verbrauchs zum VW. Kein Wunder. In Deutschland gibt es zur Erstellung dieses Artikels 291 angebotene Golf 7 GTE, die unterhalb der 100.000 Kilometer bei fairen 15 bis 16.000 Euro beginnen. Im Kontrast dazu stehen schmale 45 Plug-In-Prius der vierten Generation, die praktisch nicht unter 20.000 Euro zu haben sind.

Wer sich darüber hinaus um die Lebensdauer der in beiden Autos verwendeten Lithium-Ionen-Akkus sorgt, dem sei zunächst ein fundierter SOH-Test (State of Health) ans Herz gelegt, der zuverlässig über die zum Messzeitpunkt verbleibende Batteriekapazität informiert. In bislang vorliegenden Messungen haben beide Autos erfreulich positiv abgeschnitten, was die Haltbarkeit anbelangt. Sollte der Akku eines Tages das Zeitliche segnen, sieht weder VW noch Toyota eine kostengünstige Reparatur vor. Speziell um den Akkutausch des Golf GTE ranken sich Wahnsinnspreise zwischen 11.000 und 20.000 Euro, die zunächst unrentabel scheinen. Im Lager der Prius-Fans gibt es schon lang unabhängige Reparaturmöglichkeiten für die Nickel-Metallhydridakkus der herkömmlichen Hybriden. Für die Lithium-Ionen-Technik liest man gerade in den USA von allmählich aufkeimenden Austauschlösungen von Drittanbietern. Wir werden das im Auge behalten.

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Grundsätzlich sollten Sie bei einem gut gepflegten Exemplar beider Autos aber keine großen Sorgen über die Haltbarkeit über die nächsten Jahre haben. Gute Pflege bedeutet beim Plug-In übrigens auch die Wartung der Elektrosysteme. So will zum Beispiel das Luftkühlsystem des Prius-Akkus regelmäßig von Schmutz befreit werden, damit es ordnungsgemäß arbeitet.  © auto motor und sport

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