Ein deutscher Autofahrer erhielt Monate nach seiner Rückkehr aus Italien einen Bußgeldbescheid über 106 Euro. Der Grund: eine geringfügige Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 0,22 km/h nach Abzug der Messtoleranz.

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Dieser Fall wirft natürlich einige Fragen auf: Sind solche Strafen rechtmäßig? Welche Fristen gelten für die Zustellung? Und welche Möglichkeiten haben Betroffene?

Zustellungsfristen und rechtliche Grundlage

Nach italienischem Recht haben die Behörden bis zu 360 Tage nach der Feststellung eines Verkehrsverstoßes Zeit, um einen Bußgeldbescheid zu versenden. Entscheidend dabei ist nicht das Datum des Eingangs beim Empfänger, sondern das Datum des Poststempels. Ist dieses innerhalb der genannten Frist, gilt die Zustellung als rechtmäßig. Damit unterscheidet sich Italien von Deutschland, wo ein Bußgeldbescheid in der Regel innerhalb von drei Monaten nach dem Verstoß zugestellt werden muss.

Laut Verkehrsrechtsexpertin und Partneranwältin von Geblitzt.de, Melanie Leier, ist es zudem gängige Praxis, dass italienische Verkehrsbehörden Inkassounternehmen mit der Eintreibung der Bußgelder beauftragen. "Inkassounternehmen dürfen im Auftrag der Behörden tätig werden, allerdings sollten Betroffene genau prüfen, ob das beauftragte Unternehmen legitim ist und ob zusätzliche Gebühren gerechtfertigt sind", erklärt sie.

Höhe der Geldstrafe und Verhältnismäßigkeit

Die Höhe von Bußgeldern in Italien variiert stark und hängt sowohl von der Schwere des Vergehens als auch vom Zeitraum der Zahlung ab. Grundsätzlich können Strafen zwischen 90 und über 3.000 Euro liegen. Dass eine kaum messbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 0,22 km/h mit einer Geldstrafe von bis zu 106 Euro belegt wird, erscheint jedoch unverhältnismäßig.

"In solchen Fällen lohnt sich eine genaue Prüfung des Bußgeldbescheids", empfiehlt ´Leier. Dabei sollten insbesondere die folgenden Punkte beachtet werden:

  • Sind alle Angaben korrekt, insbesondere zu Tatzeit, Tatort und Fahrzeug?
  • Wurde die zulässige Messtoleranz ordnungsgemäß berücksichtigt?
  • Sind Unstimmigkeiten in der Dokumentation der Messung erkennbar?
  • Handelt es sich um einen Fehler oder eine missverständliche Angabe?

Einspruch und mögliche Folgen

Bußgelder aus dem EU-Ausland sind nicht nur ein Ärgernis, sondern können auch ernsthafte Konsequenzen haben. Denn gemäß einer EU-Richtlinie können Strafen ab einer Höhe von 70 Euro auch in Deutschland vollstreckt werden. Hierzu müssen die italienischen Behörden ein offizielles Vollstreckungsersuchen an die deutschen Behörden richten.

Wer sich gegen einen Bußgeldbescheid aus Italien wehren möchte, kann Einspruch einlegen. "Dieser muss jedoch fristgerecht bei der zuständigen Behörde oder einem italienischen Gericht eingereicht werden", erklärt Melanie Leier. Die Erfolgsaussichten eines Einspruchs hängen von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von formalen Fehlern im Bescheid, möglichen Messfehlern oder nicht eingehaltenen Fristen durch die italienischen Behörden.

Wichtige Punkte für Betroffene:

  • Italienische Behörden haben bis zu 360 Tage Zeit, um einen Bescheid auszustellen.
  • Strafen über 70 Euro können auch in Deutschland vollstreckt werden.
  • Ein Einspruch ist möglich, erfordert jedoch eine fundierte Begründung.
  • Eine Nichtzahlung kann zu Problemen bei zukünftigen Italienreisen führen.

Unterschiede zur deutschen Praxis

In Deutschland werden zwar Nachkommastellen bei Geschwindigkeitsmessungen erfasst, für die Sanktionierung zählen jedoch nur ganze Kilometer pro Stunde. Geringfügige Überschreitungen wie 0,22 km/h würden hierzulande nicht geahndet. Dies liegt daran, dass die Bußgeldvorschriften bewusst so gestaltet wurden, dass kleine Messungenauigkeiten keinen Einfluss auf die Sanktionierung haben.

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"Solche minimalen Überschreitungen führen in Deutschland in der Regel nicht zu einer Geldbuße", stellt Melanie Leier klar. In Italien hingegen wird offenbar jeder festgestellte Verstoß ungeachtet seiner Geringfügigkeit geahndet.  © auto motor und sport