Immer wieder kommt es vor, dass Rettungskräfte bei einem Unfall nicht so schnell zu den Verletzten kommen, wie sie sollten. Nicht selten liegt das daran, dass die Autofahrer im Stau vor der Unfallstelle keine Rettungsgasse bilden, um die Helfer durchzulassen. Dabei ist die Regel ganz einfach und auf ihre Nichteinhaltung steht ein Bußgeld.
In der Ferienzeit ist der Verkehr vor allem auf den Autobahnen oft sehr dicht. Da kann es schnell zu Unfällen kommen. Für die Verletzten ist es wichtig, dass ihre Helfer dann schnell am Unfallort sind. Doch gerade im dichten Verkehr kommen die Rettungskräfte oft nicht gut durch.
Die sogenannte "Rettungsgasse" soll solche Probleme verhindern: Im Stau vor einer Unfallstelle sind alle Autofahrer angehalten, so zur Seite fahren, dass Polizei, Feuerwehr, Kranken- und Abschleppwagen ohne Schwierigkeiten vorankommen.
Doch oft klappt das nicht gut. Dabei sind Autofahrer sogar per Gesetz verpflichtet, eine Rettungsgasse freizumachen. Das steht so in § 11, Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO).
Dort steht auch, wie eine solche Gasse im Idealfall gebildet wird: Deutet sich ein Stau an, sollen all jene Fahrer, die auf dem linken Fahrstreifen fahren, ganz an den linken Rand fahren, und alle, die rechts davon fahren, sich nach rechts orientieren. So entsteht im Idealfall rechts vom linken Fahrstreifen eine leere Spur, durch welche die Rettungsfahrzeuge fahren können.
"Rettungsgasse bilden" gilt nicht nur auf der Autobahn
In § 11, Absatz 2, ist explizit von zwei- oder mehrspurigen Autobahnen sowie Land- oder Bundesstraßen ("Außerortstraßen") die Rede. Das heißt aber nicht, dass in der Stadt und auf einspurigen Straßen nicht Platz gemacht werden müsste. In § 38 der StVO heißt es nämlich, dass alle Fahrzeuge mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn stets "sofort freie Bahn" haben müssen.
Man nennt das dann zwar nicht "Rettungsgasse", das Prinzip ist aber das Gleiche: Die Autofahrer müssen ausweichen - bei einer einspurigen Straße dann eben nach rechts. Steht das Auto an einer roten Ampel, ist es erlaubt, ein Stück weit über die Haltelinie zu fahren, um Platz zu machen. Wird man dabei geblitzt, muss man keine Strafe fürchten.
Es drohen mindestens 200 Euro Bußgeld
Anders ist das, wenn man als Autofahrer nicht bei einer Rettungsgasse mitmacht. Nicht beiseite zu fahren, kann 200 Euro Bußgeld kosten und 2 Punkte in Flensburg bringen. Wer durch sein Verhalten Rettungskräfte behindert, andere gefährdet oder einen handfesten Schaden anrichtet, den erwartet die gleiche Punktestrafe, aber ein höheres Bußgeld (240, 280 und 320 Euro).
Hinzu kommen eventuell Fahrverbote von einem bis drei Monate. Da die Polizei bei einem Unfall ohnehin immer zur Stelle ist, nimmt sie bei dieser Gelegenheit "Rettungsgassen-Störer" mitunter gleich mit auf.
Nun ist es in den meisten Fällen wohl nicht böser Wille, wenn eine Rettungsgasse misslingt. Oft wissen die betroffenen Autofahrer gar nicht, ob überhaupt ein Unfall passiert ist, oder ob sich der Verkehr einfach nur so staut. Für den Gesetzgeber ist das aber ohnehin egal: Denn im § 11 steht, dass eine Rettungsgasse schon dann zu bilden sei, wenn der Verkehr stockt oder stillsteht - also nicht erst, wenn von irgendwo weit hinten (oder von ganz nah) ein Martinshorn zu hören ist.
Dabei kann jeder Autofahrer ein Vorbild sein und zur Seite fahren - und andere vielleicht dazu motivieren, es ebenfalls zu tun. Lächerlich muss sich dabei jedenfalls niemand vorkommen. Selbst wenn es letztlich gar keinen Unfall gab.
Platz ist eigentlich genug
Bei einer Breite von mindestens dreieinhalb Metern auf jeder Fahrspur muss in der Regel nicht einmal der Standstreifen ganz rechts genutzt werden, um Platz für die normalerweise bis zu zweieinhalb Meter breiten Einsatzfahrzeuge zu machen. Natürlich kann diese Fahrspur im Notfall genutzt werden, aber im Prinzip sollte sie für Pannenfahrzeuge frei bleiben.
Dass genervte Autofahrer auf den Standstreifen fahren, um dem Stau zu entkommen, ist übrigens ebenso tabu wie die Rettungsgasse selbst dafür zu nutzen. Wer hinter - oder sogar zwischen - den Einsatzfahrzeugen über die leere Spur prescht, behindert auf jeden Fall die Rettungskräfte und muss mit einer entsprechenden Strafe rechnen.
All diese Regeln gelten übrigens auch für Motorradfahrer. Im Stadtverkehr müssen selbst Fußgänger und Radfahrer Polizei und Krankenwagen vorbeilassen, auch an Zebrastreifen (an denen sie ja eigentlich "Vorfahrt" hätten).
Ähnliche Regeln in Österreich und der Schweiz, keine Regeln in Italien und Holland
Europaweit sind die Regeln zur Rettungsgasse recht unterschiedlich. Die meisten Länder kennen zumindest eine Vorschrift, wonach Polizei und Rettungskräfte im Einsatz immer Vorrang vor den anderen Verkehrsteilnehmern haben. Wie das genau gemacht wird, bleibt in einigen Ländern aber dem gesunden Menschenverstand der Autofahrer überlassen, etwa in Frankreich und Spanien.
In Slowenien und Tschechien ist die Regel ähnlich wie in Deutschland. Ebenso in Österreich, dort sind aber die Bußgelder höher. Bis zu 2.180 Euro werden dort laut ADAC fällig, wenn ein Autofahrer oder eine Autofahrerin Rettungskräfte behindert. Zudem ist es in Österreich erlaubt, den Standstreifen - der dort Pannenstreifen heißt - mitzubenutzen, sofern dies für die Bildung einer Rettungsgasse notwendig ist.
Die Vorschrift in der Schweiz unterscheidet sich von der in Deutschland dadurch, dass hier nur Autobahnen "rettungsgassenpflichtig" sind. In Italien und den Niederlanden gibt es gar keine solchen Regelungen.
Verwendete Quellen:
- Straßenverkehrsordnung (StVO): § 11 Besondere Verkehrslagen und § 38 Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht
- Webseite des Kraftfahrtbundesamts: Besondere Verkehrslagen (Ordnungswidrigkeiten, Bußgeld) und Blaues Blinklicht (Ordnungswidrigkeiten, Bußgeld)
- ADAC-Webseiten: Rettungsgasse richtig bilden, Rettungsgasse im europäischen Ausland, Bildung einer Rettungsgasse: So geht’s! (Broschüre, PDF), Blog-Beitrag: Rettungsgasse in der Stadt
- Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags: Beantwortung eines Fragenkataloges zum Straßenbau, zur technischen Konstruktion, zu Lärmschutzansprüchen und zu den Auswirkungen eines Tempolimits (PDF)
- Webseite der Feuerwehr Manching: Feuerwehrfahrzeuge
- sueddeutsche.de (8. März 2019): Keine Rettungsgasse: Polizei fordert insgesamt 23.000 Euro Bußgeld
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