Am Montag (28.10.2024) führte die Polizei in sieben Bundesländern eine großangelegte Razzia gegen eine mutmaßlich organisierte Betrugs-Bande durch. Sie soll Führerscheinprüflingen unrechtmäßig Vorteile bei der theoretischen Führerscheinprüfungen ermöglicht haben. Insgesamt wurden 43 Objekte durchsucht.
Neben dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln steht die Gruppe auch in Verdacht, mit gefälschten Dokumenten bei der Prüfung betrogen zu haben. Koordiniert wurde der Einsatz von der Staatsanwaltschaft und der Polizeidirektion in Hannover.
Hintergrund der Ermittlungen
Die Ermittlungen in diesem Fall begannen bereits Mitte 2022 und richteten sich zunächst gegen einen 32-jährigen Mann aus Hannover. Im Verlauf der Untersuchungen wurden fünf weitere Verdächtige im Alter von 24 bis 32 Jahren identifiziert, die ebenfalls aus dem Raum Hannover stammen. Den Beschuldigten wird banden- und gewerbsmäßige Urkundenfälschung sowie das Fälschen beweiserheblicher Daten zur Last gelegt. Gegen einen der Verdächtigen wurde Haftbefehl erlassen, berichtet das ZDF.
Die Zahl der Täuschungsversuche bei der theoretischen Führerscheinprüfung hat nach Recherche von auto-motor-und-sport.de stark zugenommen: Von Januar bis September 2023 deckten Prüfer 2.711 Betrugsfälle auf. Das sind 28 Prozent mehr als in den ersten drei Quartalen 2022 – neuere Zahlen liegen nicht vor. Jeder dritte Betrüger schickte jemand anders zur Prüfung. Weitere 30 Prozent versuchten mit technischen Mitteln wie Kameras oder Smartphones zu betrügen und 31 Prozent nutzten einen Spickzettel. Der Rest entfiel auf "sonstige Betrugsversuche".
Vorgehensweise der Betrüger
Die Ermittler vermuten, dass die Gruppe die theoretischen Führerscheinprüfungen stellvertretend für die eigentlichen Prüflinge absolvierte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft nutzten die Betrüger dabei verschiedene Methoden:
- Technische Unterstützung: In einigen Fällen statteten die Beschuldigten die Prüflinge mit präparierter Kleidung aus, die versteckte Audio- und Videotechnik enthielt. Dadurch konnten Helfer von außerhalb des Prüfungsraums die Prüfungsfragen sehen und den Prüflingen die richtigen Antworten mitteilen.
- Identitätsbetrug: In anderen Fällen sollen die Verdächtigen selbst anstelle der eigentlichen Prüflinge zur Prüfung erschienen sein, um die Prüfungen direkt für diese zu absolvieren.
Der TÜV berichtete im vergangenen Jahr von einem Anstieg solcher Betrugsversuche bei Führerscheinprüfungen. Die Bundesregierung hatte daraufhin im Frühjahr 2022 verschärfte Sanktionen eingeführt, die bei Täuschungsversuchen eine Sperre von bis zu neun Monaten für den nächsten Prüfungsversuch vorsehen.
Durchsuchungen und sichergestellte Beweismittel
Am Montag erfolgte nach der Festnahme eines Verdächtigen am Flughafen Hannover eine großangelegte Razzia in mehreren Bundesländern. Durchsuchungen fanden unter anderem in folgenden Städten statt:
- Hannover, Leipzig, Bochum, Bremen, Lübeck
- Gladbeck, Salzgitter, Alfeld, Bad Pyrmont, Bonn
- Castrop-Rauxel, Cloppenburg, Gütersloh, Hildesheim
- Magdeburg, Neuwied, Nienburg, Oldenburg, Siegen, Uetze
Bei den Durchsuchungen wurden laut Deutscher Presseagentur (dpa) mehrere Beweismittel sichergestellt. Die Polizei fand etwa 50 Mobiltelefone, diverse Computer, Laptops und Tablets sowie Kleidung mit versteckter Audio- und Videotechnik. Zudem wurden rund 100.000 Euro Bargeld, ca. 300 Gramm Gold und eine Schreckschusspistole beschlagnahmt.
Rechtliche Einordnung und Konsequenzen
Im aktuellen Fall richtet sich der Vorwurf der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung gegen die Verdächtigen, was laut Strafgesetzbuch eine höhere Strafe nach sich ziehen kann. Bei gewerbsmäßiger und bandenmäßiger Urkundenfälschung kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Auch das Fälschen beweiserheblicher Daten kann strafrechtlich relevant sein, wenn dadurch ein erheblicher Schaden entstanden ist.
Der TÜV hat im vergangenen Jahr auf einen Höchststand der Betrugsversuche bei Führerscheinprüfungen hingewiesen. In ländlichen Gebieten, wo die Mobilität oft von einem Auto abhängig ist und die Führerscheinkosten derzeit durchschnittlich fast 3.000 Euro betragen, sind Führerscheine zunehmend schwerer erschwinglich. Dies könnte den Anreiz für Betrug erhöhen. Die verschärften gesetzlichen Regelungen sollen die Prüfungsregularien jedoch weiter schützen und Missbrauch eindämmen.
Vorbild Italien?
Im August 2024 hatte es eine spektakuläre Meldung aus Italien gegeben. Dort müssen Führerscheinprüflinge unter anderem Einweg-Kittel bei der Prüfung tragen. Außerdem gibt es strenge Zugangskontrollen, Sicherheitspersonal und auch Verbote von bestimmten Accessoires. Hintergrund war auch in Italien der bandenmäßige Betrug bei der theoretischen Führerscheinprüfung. © auto motor und sport
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