Drei Trends bestimmen momentan Europas Wirtschaftsentwicklung: die Euro-Abwertung, die fallenden Energiepreise und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Wir haben mit Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft darüber gesprochen, welche Entwicklungen für uns Verbraucher gut sind, welche schlecht sind und was die Zukunft bringen wird.
Vor dem geplanten Anleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank warnen Experten vor einem Absturz des Euro. Gleichzeitig markiert der DAX ein neues Rekordhoch, der Benzinpreis ist im Keller - die Wirtschaft im Euroraum ist momentan schwer zu durchschauen. Müssen wir mit Sorge in die Zukunft blicken?
Rohöl: bessere Zahlungskraft, schwächerer Export
Öl ist auf den Rohstoffmärkten momentan so günstig wie seit sechs Jahren nicht mehr - ein Trend, der unter anderem für niedrige Benzinpreise und günstiges Heizöl sorgt. Daraus folgt: Die Konsumenten haben mehr Geld, das sie ausgeben können und kurbeln so die Wirtschaft an.
Klaus-Jürgen Gern, Konjunkturexperte vom Institut für Weltwirtschaft, sagt: "Im Prinzip steht die deutsche Wirtschaft zur Zeit gut da, wir haben eine robuste Wirtschaft, einen guten Arbeitsmarkt, verstärkt steigende Löhne und viele Indikatoren deuten darauf hin, dass die Produktion in den kommenden Monaten beschleunigt expandieren wird."
Dennoch: Der niedrige Ölpreis, der die Konjunktur in den Industriestaaten fördert, kann gleichermaßen als Zeichen für ein Schwächeln der Weltwirtschaft gedeutet werden. Denn Länder wie Venezuela, Iran und Russland, deren Wirtschaft vom Ölexport besonders abhängig ist, geraten wirtschaftlich in Schieflage. Das wiederum könnte dafür sorgen, dass der Export europäischer Unternehmen abnimmt. "Wir haben es also mit einer Umverteilung vom Export hin zu einer gestärkten Binnenwirtschaft und von den Unternehmen hin zu den Verbrauchern zu tun", sagt Gern.
Schwacher Euro: bessere Exportbedingungen, niedrigere Löhne
Erstmals seit elf Jahren ist der Euro in der vergangenen Woche unter 1,15 Euro gegenüber dem US-Dollar gefallen. Für den Export ist das positiv, weil Waren aus dem Euroraum am Weltmarkt deutlich günstiger zu bekommen sind.
Auch wenn es zunächst nicht so scheint: Der sinkende Preis hat für die Verbraucher auch negative Konsequenzen. Denn eine Deflation, also ein weitreichender Preisverfall, könnte die Löhne und Investitionen sinken lassen und damit die Wirtschaft lähmen. "Der schwache Euro ist ein Ausdruck dessen, dass die Wirtschaft in Europa insgesamt noch nicht stabil ist", sagt Gern. "In der Gesamtheit verzeichnen wir dort immer noch nur ein geringes Wachstum und eine hohe Arbeitslosigkeit."
Geplanter Anleihenkauf der Europäischen Zentralbank
Experten gehen davon aus, dass EZB-Chef Mario Draghi auf der geldpolitischen Sitzung am Donnerstag den Ankauf von Staatsanleihen ankündigen wird. Vereinfacht ausgedrückt: Die EZB würde Geld drucken und vor allem Banken alte Staatsanleihen abkaufen, die wiederum das Geld verwenden, um mehr Kredite als bisher an Verbraucher und Firmen zu vergeben. Die Zentralbank will damit die niedrige Teuerung im Euroraum künstlich anheizen und eine ruinöse Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen, nachlassendem Konsum und zurückgehenden Investitionen - also eine Deflation - verhindern.
DAX ist auf neuem Rekordhoch
Für den Deutschen Aktien Index (DAX) scheint es momentan nach oben hin kaum Grenzen zu geben. Bereits am Freitag hatte er an der Frankfurter Börse ein neues Rekordhoch von 10.208 Punkten erzielt, heute legte der Index der 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen weiter zu. Auch hier vertrauen die Anleger auf die Ausweitung der sehr lockeren Geldpolitik der EZB.
"Für Anleger sind Investitionen in den DAX momentan besonders attraktiv, da Banken praktisch keine Zinsen zahlen oder sogar negative Zinsen erheben", so Konjunkturexperte Gern.
Die Wahl in Griechenland - Befreiung vom "deutschen Spardiktat"
Am 25. Januar stehen im krisengeschüttelten Griechenland Neuwahlen an. "Und die Unsicherheit, die mit der Wahl in Griechenland einhergeht, ist jetzt schon deutlich spürbar", so Gern. Denn als Favorit gilt die linkspopulistische Partei Syriza, deren Chef Alexis Tsipras als Gegner der Sparauflagen der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission bereits angekündigt hat, sein Land vom "deutschen Spardiktat" zu befreien. Zudem will er mit einem Schuldenerlass die "Fesseln zu sprengen", die Bundeskanzlerin Angela Merkel Athen auferlegt hat. "Strukturreformen, die dringend notwendig sind, damit Griechenland auf einen soliden Wachstumskurs kommt", sagt Wirtschaftsexperte Gern. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde ein Wahlsieg die europäische Wirtschaft weiter aufrütteln.
Zudem stellt sich weiterhin die Frage, ob Griechenland aus dem Euro ausscheidet. Auch das führt auf den Finanzmärkten zu weiterer Unsicherheit.
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