Mit dem Zusammenbruch der österreichischen Signa-Holding steht das Lebenswerk des Milliardärs René Benko vor dem Aus. Betroffen sind auch berühmte Unternehmer aus dem deutschsprachigen Raum. Haben sie von den Problemen innerhalb ihrer Investments nichts geahnt?

Ein Porträt
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Wer die Schockwellen erahnen will, die das eingestürzte Imperium des österreichischen Milliardärs René Benko gerade aussendet, kann in diesen Tagen nahe der Düsseldorfer Königsallee einen Eindruck gewinnen. Die Gegend um die berühmte Einkaufsstraße gehört unter der Woche zu den belebtesten Orten der Stadt – auf wenigen Quadratkilometern reihen sich Uhrengeschäfte, Luxusmodeläden und Shopping-Malls aneinander.

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Und auch gebaut wird gerade rund um diese Meile besonders viel. Nur auf einer Baustelle in der Kasernenstraße 13, einem Nebenarm der berühmten Kö, ist es auffällig ruhig. Der Bauzaun, geschmückt mit den blau-weißen Insignien der österreichischen Signa-Holding, lässt erahnen, warum.

Auf 10.000 Quadratmetern hätte hier, wenige Meter vom Rhein entfernt, das traditionsreiche "Carsch Haus" zum viertgrößten Luxuswarenhaus der Signa-Tochter KaDeWe umgebaut werden sollen. Der Spatenstich war bereits im März gesetzt, mit den Bauarbeiten ging es seitdem zügig voran.

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Signa-Baustelle
Auf der Signa-Baustelle nahe der Königsallee bewegt sich schon seit Wochen kein Bagger mehr. © Adrian Arab

Die Fassade für eine neue Dachterasse ist bereits eingebaut, und auch mit der Öffnung eines imposanten Lichthofes sowie dem Bau der "Rheinbahn-Treppe" wurde begonnen. Nachdem die Baufirmen jedoch Anfang November über ausstehende Zahlungen in Millionenhöhe berichteten, ruhen die Bauarbeiten. Und wie es weitergeht, weiß aktuell niemand so recht.

So wie auf der Baustelle vor dem Düsseldorfer "Carsch Haus" geht es aktuell auf über 20 Baustellen in Deutschland zu. Von der "Alten Akademie" in München über neun Immobilienprojekte in Berlin bis zum Elbtower in Hamburg stehen überall Bauvorhaben still, die entweder direkt oder über Tochterfirmen in Beziehung zum Immobilienimperium des österreichischen Geschäftsmannes René Benko stehen.

Nachdem Benkos Dachgesellschaft Signa an diesem Mittwoch Insolvenz angemeldet hat, ist klar: Nicht nur auf den Baustellen werden die Aufräumarbeiten dieser Mega-Pleite wohl andauern. Denn mit der Geschwindigkeit, mit der Benkos hunderte von Tochterfirmen zerbröseln, steht zu befürchten, dass Österreich gerade die größte Pleite in seiner Wirtschaftsgeschichte erlebt.

Die letzten Wochen waren für Benko dramatisch

Wie dramatisch die letzten Wochen für den mit einem Ex-Model verheirateten Familienvater gewesen sein dürften, zeigen die langen Verkaufslisten, die mittlerweile an die Öffentlichkeit gelangt sind. Mehr als 500 Millionen hätte Signa laut Insidern bis Jahresende gebraucht, um eine Insolvenz abzuwenden. Kurzzeitig sah es danach aus, dass sich Benkos Kontakte nach Saudi-Arabien auszahlen würden und der dortige Staatsfonds die dringend benötigte Geldspritze injizieren würde.

Doch als diese Gespräche scheiterten und auch der amerikanische Investor Elliott abwinkte, wurde in Benkos Reich jeder Euro zusammengekratzt, alles verkauft, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. So sollen Bilder von Picasso und Basquiat zum Verkauf gestellt worden sein sowie eine 62 Meter lange Yacht namens "Roma". Auch Benkos Luxus-Villa sowie ein nobles Anwesen in Igls bei Innsbruck sollen an die Liechtensteiner Landesbank verpfändet worden sein.

Diese Notverkäufe sind vor allem deshalb dramatisch, weil die ausbleibende Unterstützung für Benko so wirkt, als sei es denjenigen, die sich gerade noch gern an der Seite des Milliardärs zeigten, fast peinlich, jemals in seinem Umfeld aufgetaucht zu sein. Es ist wohl die maximale Demütigung für einen Mann, der sein komplettes Berufsleben darauf verwendet hat, sich mit wohlklingenden Geldgebern und Partnern zu schmücken.

Signa Holding meldet Insolvenz an: Aufstieg und Fall des Unternehmers Benko

Schule abgebrochen, steiler Aufstieg zum Selfmade-Milliardär, und jetzt sein tiefer Fall? Immobilien-Mogul René Benko gilt bei vielen als Wunderkind und scheint jetzt gerade alles zu verlieren. Wer ist der geheimnisvolle René Benko? © ProSiebenSat.1

So erschienen zu Benkos herbstlichen Törggelen, dem Südtiroler Brauch mit Maroni-Essen und jungem Wein, alljährlich Menschen von Rang und Namen aus Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur. In den Aufsichtsräten seiner Gesellschaften saßen österreichische Ex-Kanzler, der französische Geschäftsmann Robert Peugeot und der Finanzvorstand der deutschen RAG-Stiftung, Jürgen-Johann Rupp.

Und auch die Unternehmensberater-Legende Roland Berger, Fressnapf-Chef Thorsten Töller und der Hamburger Unternehmer Klaus-Michael Kühne gehörten zu jenen Menschen, die ihr Geld in Benkos Firmen investierten. In seinem Sturz ist der Umworbene nun aber völlig allein.

Signa war auf Pump finanziert

Ein Grund dafür könnte sein, dass sich gerade zeigt, was BWL-Studenten in ihren ersten Semestern lernen: In Zeiten steigender Zinsen geraten Unternehmen, die stark auf Fremdfinanzierung setzen, unter Druck. Benkos Geschäftsprinzip basiert aber genau auf diesem Prinzip: Gebäude wurden mit geliehenem Geld gekauft, ihre Werte in den Büchern maximiert, anschließend wurden sie neu beliehen und dieses frisch akquirierte Geld als Gewinn wieder ausgeschüttet.

In Jahren billiger Zinsen, in denen Unternehmen ihre Kredite fast kostenlos hinterhergeschmissen bekamen, warf dieses Finanzkarussell für Benkos Investoren nette Dividenden ab. Wenn die Zinsen aber steigen, werden Kredite schnell teurer. Geschäftsmodelle, die vor allem auf Verschuldung gebaut sind, funktionieren dann schnell nicht mehr.

Bei Signa, die mit rund fünf Milliarden Euro verschuldet sein soll, war das der Fall. Dazu kamen nach der Pandemie rasant sinkende Bewertungen für Immobilien, die in seinem Reich besonders wichtig sind. Allein bei der Gesellschaft Signa Prime Selection soll es im Vorjahr zu einer Abwertung von 1,17 Milliarden Euro gekommen sein.

In den kommenden Wochen wird sich nun auch die Frage stellen, wieso offenbar keiner der bekannten Geschäftsleute, die in Benkos Firmen investiert waren, jemals nachgebohrt hat, was passieren könnte, wenn die Zinsen wieder steigen sollten – oder daraus frühzeitig Schlüsse gezogen hätte. Dass 2023 kein gutes Jahr für Signa werden sollte, hatte sich schließlich angekündigt.

Anfang Juni zog sich Benko aus der erst 2018 übernommenen Kika/Leiner-Gruppe zurück. Wenige Tage später wurde die Insolvenz der Möbelkette angemeldet. Einen Monat später unterzog auch die EU-Bankenaufsicht die Kredite von Banken an die Signa-Gruppe einer Sonderprüfung. Und im Oktober musste der Online-Sportartikelhersteller Signa Sports United Insolvenz anmelden.

Erst danach eröffnete die deutsche Tochter Signa Real Estate Management Germany GmbH den Pleiten-Auftakt im November. Warum es trotz dieser Warnschüsse zum Äußersten kommen musste, könnte bald auch die österreichische Politik beschäftigen: Zahlreiche österreichische Politiker waren in Benkos Firmengremien engagiert.

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Was aber bedeutet all dies für Benko persönlich? Laut US-Magazin Forbes sollen Benkos Vermögenswerte binnen weniger Monate um die Hälfte geschrumpft sein. Im vorigen Sommer hat das Magazin das Nettovermögen des Signa-Gründers noch mit umgerechnet rund 5,5 Milliarden Euro bewertet, jetzt im November sind es noch 2,8 Milliarden. Der 46-jährige Tiroler ist damit von Platz 425 der reichsten Menschen der Welt auf Platz 1.105 abgestürzt.

Teuer könnte für Benko außerdem eine potenzielle Klage von Investoren werden, die ihm Insolvenzverschleppung vorwerfen. Einige von ihnen gehen davon aus, dass bereits im Sommer die Insolvenz abzusehen war, Benko jedoch nichts unternommen hat. Sehen es die Richter ähnlich, dürften teure Schadenersatzklagen folgen.

Vielleicht hilft dem "Tiroler des Jahres 2011" ja dann sein großes Selbstbewusstsein weiter: "Ich habe immer einen Plan", sagte er in einem seiner eher seltenen Interviews dem österreichischen Nachrichtenmagazin "News".

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