Die Baumarktkette Praktiker steht vor dem Aus und Tausende Mitarbeiter vor einer ungewissen Zukunft: Am Mittwoch hatte das Hamburger Unternehmen mitgeteilt, dass Gespräche über eine weitere Finanzierung gescheitert seien - nur einen Tag später beantragte Praktiker beim Amtsgericht Hamburg die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Aber was sind die Gründe für die bevorstehende Pleite der Baumarktkette mit über 300 Märkten in Deutschland?

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"20 Prozent auf alles außer Tiernahrung": Jahrelang warb Praktiker mit diesem Werbespruch um deutsche Heimwerker. Doch die Rabattschlacht gegen die Konkurrenz unter anderem von Obi, Hornbach und Bauhaus ist für das Hamburger Unternehmen nach hinten losgegangen. Am Donnerstagnachmittag verkündete die Praktiker AG, dass die Baumarktkette ein Insolvenzverfahren beantragt hat. Demnach gilt der Antrag für die Praktiker- und Extra-Bau+Hobby-Märkte. In einer Mitteilung der Firma ist von einer "Regelinsolvenz mit dem Ziel, einen Sanierungsplan zu erstellen" die Rede.

Die fehlgeschlagene Rabattstrategie hat Praktiker in eine schwere Krise geführt. Schon seit Jahren schreibt der Baumarkt rote Zahlen, erst im vergangenen Jahr konnte eine zwischenzeitliche Finanzierung in letzter Minute gesichert werden.

Eigentlich wollte der erst im Herbst 2012 installierte Vorstandschef Armin Burger das Geschäft in diesem Jahr auf ein solides Fundament stellen. Doch der Praktiker-Umsatz ist im ersten Quartal diesen Jahres erneut gesunken. Ein Grund für die schwachen Zahlen waren der lange Winter und der damit verzögerte Start in die Frühjahrs- und Gartensaison.

Praktiker-Neupositionierung fehlgeschlagen

Das betrifft jedoch nicht nur Praktiker, sondern auch die anderen Heimwerkermärkte. Doch das Hamburger Unternehmen brauchte besonders dringend bessere Zahlen. Denn durch die steigenden Verluste seien die "positiven Effekte" der Neupositionierung überlagert worden, heißt es in einem Schreiben des Praktiker-Vorstands. "Der Konzern geriet dadurch in eine angespannte Liquiditätssituation." Im Klartext: Das Geld ging aus. Auch deshalb kehrte die Baumarktkette anders als geplant zu der bekannten Rabattaktionen ("20 Prozent auf alles") zurück, meldet "Spiegel Online".

Dabei wurde bereits im vergangenen Herbst ein Konzept für eine nachhaltige Sanierung vorgelegt. Unter der Holding Praktiker AG sind mehrere Firmen zusammengeführt. Im Heimwerker- und Baubereich ist das neben Praktiker Deutschland auch die Premiummarke Max Bahr. Ziel der Sanierung war der Umbau etlicher Praktiker-Filialen auf diese ertragsstärkere gelbe Marke. Vorstandschef Burger hatte angekündigt: "Mit Max Bahr haben wir Jahr für Jahr Geld verdient, mit Praktiker nicht." Praktiker sollte laut Sanierungsplan zu einer Art Discount-Markt mit verkleinertem Angebot werden.

Kein frisches Geld in Sicht

Neben dem schwachen Frühjahrsgeschäft musste Praktiker nun einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Laut "Bild.de" hätte Praktiker nach eigenen Angaben frisches Geld gebraucht, nachdem der fest eingeplante Verkauf der drei luxemburgischen Bâtiself-Baumärkte nach einem Rückzieher des Käufers gescheitert war.

Insgesamt hat Praktiker rund 20.000 Mitarbeiter, davon knapp 11.000 im Deutschland. Der Konzern betreibt nahezu 430 Bau- und Heimwerkermärkte in neun Ländern. Nun steht Praktiker vor dem Aus.

Konsumenten kaufen weniger Baumarktprodukte

Der Konzernumsatz der Praktiker AG ging in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem gleichen Zeitraum 2012 um mehr als zehn Prozent zurück, berichtet "Spiegel Online". Der Verlust stieg im gleichen Zeitraum auf 118 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor lag er noch bei 72 Millionen Euro.

Zwar sind die Deutschen weiter leidenschaftliche Heimwerker. Doch laut Konsumbarometer des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten sinken die Ausgaben für Produkte des Heimwerker- und Gartenbedarfs. Laut der repräsentativen Studie aus dem Dezember 2012 gaben knapp ein Drittel der Bundesbürger (29 %) an, den Ausgabenposten "Heimwerkerbedarf" in den vergangenen Monaten gesenkt zu haben. Dennoch stieg das Marktvolumen im Baumarktsektor im vergangenen Jahr moderat um 1,6 Prozent. Für Praktiker war aber offenkundig nicht genug vom Kuchen übrig.

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