Das Heidelberger Start-up Aleph Alpha galt als große deutsche KI-Hoffnung. Doch die anfängliche Euphorie ist schnell abgekühlt, als Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Sprachmodells aufkamen. Nun stellt das Unternehmen ein neues Produkt für die baden-württembergische Landesverwaltung vor. Könnte so die Wende gelingen?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sven Weiss sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

F13 lautet die nüchterne Bezeichnung des KI-Assistenten, der eine neue Ära für das Unternehmen Aleph Alpha einleiten soll. Der erste Kunde steht auch bereits fest – die Landesverwaltung Baden-Württemberg.

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Das System soll dabei helfen, komplexe Vorgänge schneller und effizienter durchzuführen. Dies komme "den Bürgern und der Verwaltung gleichermaßen zugute", wie es in einer Pressemitteilung des Staatsministeriums heißt.

Damit wird Baden-Württemberg das erste Bundesland sein, das in der Landesverwaltung auf künstliche Intelligenz setzt. Staatsminister Florian Stegmann sieht das Land gar als "Wegbereiter für die deutsche Verwaltung".

Für Aleph Alpha wiederum könnte F13 eine spektakuläre Kehrtwende einleiten. Denn die Euphorie um den einstigen Hoffnungsträger im KI-Bereich war zuletzt merklich abgekühlt. Noch im letzten Jahr war davon die Rede, dass Aleph Alpha selbst dem Platzhirsch OpenAI Konkurrenz machen könnte. Investoren wie SAP, Bosch, Hewlett Packard oder die Schwarz-Gruppe (Lidl) soll das eine Summe von über 500 Millionen Dollar wert gewesen sein.

Aleph Alpha als Konkurrenz zu OpenAI? Sprachmodell bleibt hinter Erwartungen zurück

Doch das wichtigste Produkt des Unternehmens, das KI-Sprachmodell "Luminous", blieb – vorerst – hinter den Erwartungen zurück. Viele Anwender zeigten sich mit der Qualität unzufrieden, wie n-tv berichtet, die Technologie sei veraltet. Waren die Ziele von Aleph Alpha also zu hoch gesteckt?

Digitalexperte Rolf Schwartmann sieht das nicht so: "Man steht unter einem hohen Erwartungsdruck und arbeitet an einer Technik, die sich gerade erst findet. Ich kann verstehen, dass man hier größte Umsicht und Sorgfalt walten lassen möchte. Das könnte erklären, warum man sich bei der Vorstellung neuer Modelle Zeit lässt, bis man sicher ist, dass das Produkt den Anforderungen standhält."

Wahrscheinlich hat die Kampfansage an den Platzhirsch OpenAI und sein Sprachmodell ChatGPT den Heidelberger Entwicklern nicht gutgetan. Denn anders als OpenAI setzt Aleph Alpha von Anfang an auf Anwendungen im Businessbereich oder in Verwaltungen.

Und dabei gehe es "vermutlich nicht um die Größe, sondern um Passgenauigkeit und Präzision der Spracherkennungskompetenz des Modells", erklärt Schwartmann.

Aleph-Alpha-Gründer: "Wir haben aktuell ein besseres Geschäftsmodell als viele Wettbewerber"

Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis zeigt sich schon wieder selbstbewusst: "F13 wird das Fundament sein, auf dem wir die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben können", sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtensender n-tv.

Als eine praktische Anwendung nannte er die Bearbeitung von Wohngeld-Anträgen. Diese seien "unheimlich komplex". F13 könnte für eine effizientere Abwicklung sorgen.

Den Vergleich mit etablierten Tech-Giganten scheut der Unternehmer dabei weiterhin nicht: "Wir haben aktuell ein besseres Geschäftsmodell als viele Wettbewerber", so Andrulis bei n-tv.

F13 könnte also die notwendige Kurskorrektur für das Heidelberger Start-up sein. Vor allem, da Werte wie Datenschutz und Transparenz bei Aleph Alpha immer im Fokus standen.

Werte, die für Business-Anwendungen und im Verwaltungsbereich extrem wichtig sind. Und die dem Unternehmen genau deshalb einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten. Gerade in Europa.

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Europäische Werte weiterhin ein zentrales Thema

"Meines Erachtens hat Aleph Alpha den gesamten B2G-Sektor (Business-to-Government) im Auge, der auf besonders vertrauenswürdige Produkte setzt", sagt Rolf Schwartmann. "Für Unternehmen gibt es vergleichbare Ansätze. Gerade wegen dieses nachhaltigen Ansatzes sind die Angebote von Aleph Alpha – im Unterschied zu denen der horizontal vernetzten Datengiganten – vielleicht in Europa am langen Ende marktfähig."

Dass Aleph Alpha immer wieder hohe moralische Grundsätze propagiert, könnte sich also am Ende auszahlen. Dafür benötigt es aber einen langen Atem, wie Rolf Schwartmann betont: "Die Investition in europäische Werte und der Einsatz für Souveränität des Menschen über Maschinen ist ein zentrales Anliegen unseres Kontinents. Daran zu arbeiten, mag man naiv nennen. Möglicherweise zahlt sich das aber am langen Ende aus. Den Kampf nicht aufzunehmen, ist jedenfalls eine Form von Kapitulation."

Über den Gesprächspartner

  • Rolf Schwartmann ist Professor für Medien- und Datenschutzrecht an der Technischen Hochschule Köln. Er ist Mitglied des Beirats "Medien-Digital-Land NRW" sowie Sachverständiger des Deutschen Hochschulverbandes für IT- und Datenrecht.

Verwendete Quellen

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