Als 2002 die gemeinsame Währung Euro eingeführt wurde, stöhnten viele Deutsche wegen ansteigender Preise. Eine gefühlte Inflation, wie sich später herausstellte. Die Rate der Folgejahre zeigt, dass die Anschaffungskosten sogar leicht sanken. Eine Ausnahme gab es allerdings: Die Gastronomie nahm die Euro-Einführung zum Anlass, die Preise bis zu 20 Prozent anzuheben.

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Ganz einfach ausgedrückt, stellt die Inflationsrate die Erhöhung der Preise innerhalb eines Jahres dar. Aus Sicht der Konsumenten kann das negative Folgen haben, wenn die Löhne nicht entsprechend steigen. Dann stünde den Betroffenen weniger Geld zur Verfügung, die Kaufkraft sinkt.

Doch wenn man das Gegenteil betrachtet, wird schnell klar, warum Preissteigerung auch Vorteile hat. Bei dem Gegenteil der Inflation, der Deflation, sinken die Anschaffungskosten für Güter, weil es ein Überangebot gibt. Die Folge ist, dass in Fabriken, bei Dienstleistern und Handwerkern Überkapazitäten bei der Produktion abgebaut werden. Direkt formuliert, heißt das: Die Firmen trennen sich von Maschinen und entlassen im Extremfall Mitarbeiter. Dadurch sinkt aber die allgemeine Nachfrage. Die Preise und damit auch die Zinsen sinken bei Deflation weiter, es wird noch weniger gekauft und noch weniger Kredite werden aufgenommen.

Dieser Prozess geht so lange weiter, bis alle Überangebote abgebaut sind. Soweit die Theorie, denn in einigen Märkten wie etwa im Arbeitsmarkt funktioniert das nicht. Seit vielen Jahren sind in Deutschland weit mehr als drei Millionen Menschen arbeitslos. Das müsste eigentlich bedeuten, dass die geldwerte Gegenleistung der Firmen so lange sinken müsste, bis alle Arbeitslose einen Job haben.

Doch gibt es Schmerzgrenzen: Arbeit lohnt sich unter einem bestimmten Gehaltsniveau nicht, weil Betroffene davon nicht mehr leben können. Genau da fängt die politische Auseinandersetzung um den Mindestlohn an. In der Theorie ist das natürlich anders: Mit den Löhnen sinken auch die Konsumpreise. Das würde aber zur Folge haben, dass wir uns bestimmte Güter nicht mehr leisten könnten wie etwa Computer, Autos oder Urlaubsreisen, weil deren Anschaffungskosten nicht beliebig nach unten sinken können. Deutschland wäre ein Billiglohnland und würde in seiner wirtschaftlichen, sozialen und wissenschaftlichen Entwicklung zurückfallen.

Steigen dagegen die Preise (Inflation), bedeutet das, dass die Nachfrage größer als das Angebot ist: Es muss mehr produziert werden, Leute werden eingesellt. Die Kaufkraft steigt bis die Preise das Angebot und die Nachfrage im Gleichgewicht halten. Da wir aber nicht auf einer isolierten Insel der glückseeligen Theorie-Marktwirtschaft leben, gibt es viele andere Faktoren, die Preise beeinflussen und die den Marktgesetzen widersprechen.

Der Preis von Rohöl ist zum Beispiel in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Zum einen hat das nachvollziehbare Gründe wie die stark erhöhte Nachfrage in Ländern wie China, Indien oder Brasilien, geht aber auch auf wenig durchschaubare Einflüsse zurück. Allein schon das Gerücht einer Krise in Ländern wie Saudi-Arabien, Iran oder Venezuela lässt die Preise steigen, obwohl vielleicht gar keine Probleme entstehen. Die Händler wollen aber auf mögliche Engpässe vorbereitet sein und kaufen mehr Rohstoffe. Fällt etwa die Ölproduktion in Venezuela wegen politischer Unruhen aus, wären die Einkäufer bei frühzeitiger Reaktion darauf eingestellt, der Preis wäre aber gestiegen.

Wenn die Nachfrage nach Gütern groß ist, steigt auch der Bedarf an Geld. Wenn dann die nationale Bank aber einfach mehr Zahlungsmittel herstellt, steigen die Preise weiter. Druckt die Bank noch mehr Geldscheine und prägt noch mehr Münzen, wird das Geld immer weiter entwertet. Anfang der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhundert war das in Deutschland der Fall. Am 6. Juni 1912 kostete ein Hühnerei sieben Pfennige, am 6. August 1923 waren es 923 Reichsmark. Am 3. Dezember 1923 waren es schließlich 320 Milliarden Reichsmark.

Der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt also die wichtige Aufgabe der Geldmarkt-Regulierung zu, den sie mit der Höhe der Zinsen beeinflusst. Senkt die EZB den Preis für Geld, werden die Kredite allgemein billiger, die Nachfrage nach Gütern steigt. Erhöht die EZB aber die Zinsen, werden Kredite teurer, die Kaufkraft sinkt.

Der Europäischen Zentralbank ist Stabilität. Steigen die Preise an, wird die EZB den Preis für das Geld erhöhen und damit Kredite verteuern. Sinken die Anschaffungskosten für Güter (Deflation), wird sie die Zinsen senken, die Geldbeschaffung wird billiger.

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