Für Bahnreisende wird diese Woche zum Horrortrip: Schon jetzt ist absehbar, dass abermals Zehntausende irgendwo stranden werden, weil die Lokführer für fast eine Woche in den Arbeitskampf gehen. Aber wie kann es überhaupt soweit kommen? Und ist das noch vertretbar?
Der Fakt, dass es der achte Streik in Folge ist, sagt schon viel über den Misserfolg der vorhergegangenen Arbeitsniederlegungen aus. Seit Monaten streiten sich die Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL über einen Tarifabschluss. Und tragen ihren Kampf auf dem Rücken der Fahrgäste aus.
Warum streiken die Lokführer überhaupt schon wieder?
Es geht um Geld, aber auch um viel mehr. Die Bahn hatte den Lokführern zuletzt angeboten, die Löhne ab dem 1. Juli in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent zu erhöhen und dazu einmalig 1.000 Euro zu zahlen. Doch der GDL ist das nicht genug: Sie fordert fünf Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Außerdem sollen die Rangierlokführer wie die übrigen Lokführer bezahlt werden.
Dass es nun bereits zum achten Mal zum Streik kommt, hat aber noch einen weiteren Grund: Den Machtkampf zwischen der GDL und der Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG) um die Frage, wer künftig die Interessen der rund 160.000 Bahn-Mitarbeiter vertreten darf.
Bisher verhandelt die kleinere GDL nämlich lediglich für ihre 20.000 Lokführer, möchte aber künftig das gesamte Zugpersonal vertreten. Und das zum Unmut der EVG, die bislang 140.000 Mitarbeiter vertritt, und ihrerseits ab sofort auch für die Lokführer sprechen möchte.
Inwiefern ist der Streik unter moralischen Gesichtspunkten sinnvoll und vertretbar?
Selbst bei der gewerkschaftsnahen SPD werden die Worte zum Konfrontationskurs von GDL-Chef Claus Weselsky härter. Parteichef Sigmar Gabriel sagte der "Bild", der Bahn-Streik sei "für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen". Er betonte: "Alle Beteiligten müssen sich fragen, ob der Schaden, den dieser Ausstand anrichten könnte, noch in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung steht. Statt Deutschland lahmzulegen, brauchen wir ernsthafte Verhandlungen."
Ist so ein Streik noch zeitgemäß?
Früher waren Arbeitsniederlegungen bei der Deutschen Bahn kein Thema. Zunächst waren dort vor allem Beamte tätig, später galt unternehmensübergreifend der Grundsatz: "Ein Betrieb, ein Tarifvertrag". Erst mit dem Urteil der Bundesarbeitsrichter, die diesen Grundsatz im vergangenen Jahr kippten, gewann das Thema an Brisanz. Seither können für Beschäftigte in ein und demselben Unternehmen durchaus unterschiedliche Tarifverträge gelten.
In der Folge vertreten immer kleinere Gruppen ihre Interessen für bessere Arbeitsbedingungen und treten in den Ausstand. Die Anzahl der Streiks steigt damit sprunghaft an.
Und weil ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn im Interesse der Allgemeinheit tätig ist, bekommen es vor allem die "Otto-Normal-Verbraucher" zu spüren, wenn es zu einem erneuten Arbeitskampf kommt.
Deshalb streiten Experten darüber, ob nicht anstelle der Arbeitsniederlegung ein alternativer Weg zur Interessenvertretung und Einigung gefunden werden sollte.
Welche alternativen Möglichkeiten gibt es zum Streik?
Immer wieder werden Überlegungen laut, ob die Tarifparteien zu einer Schlichtung verpflichtet werden sollten. So könnte ein Schlichter beispielsweise im aktuellen Konflikt ausloten, ob eine Einigung überhaupt noch möglich ist.
Sogar Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber äußerte am Sonntag gegenüber der "Bild" eine solche Forderung. "Was wir jetzt brauchen, sind keine neuen Drohungen, sondern Klarheit, was gemeinsam geht", sagte er.
Und auch der Vorsitzende des Dachverbands dbb-Beamtenbundes, dem die GDL angehört, macht sich dafür stark. "Wenn dieser Streik nicht zu einem Verhandlungsergebnis führt, wird es sinnvoll sein, auf einen unabhängigen Dritten zurückzugreifen", sagte ddb-Chef Klaus Dauderstädt der "Süddeutschen Zeitung".
Die Gewerkschaft allerdings lehnt dies bisher ab.
Wie reagiert die Politik?
Am heutigen Montag findet im Bundestag darüber hinaus eine Anhörung zum Tarifeinheitsgesetz statt. Die Neuregelung soll dafür sorgen, dass nur der Tarifvertrag der größten Gewerkschaft in einem Betrieb gilt. Damit sollen Konkurrenzkämpfe wie jener zwischen der GDL und der EVG künftig verhindert werden.
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