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Der 88 DL ist der erste Morelo-Liner mit Hecksitzgruppe. Bislang war diese Grundrissvariante den Alkovenmodellen vorbehalten. Geschlafen wird im Hubbett vorn – genügt das den Ansprüchen?

Nähert man sich dem Morelo Palace 88 DL, kann einen die schiere Größe etwas erschlagen. Mit knapp 3,50 Meter Höhe und neun Meter Länge ist der Liner auf Iveco-Daily-Basis eine imposante Erscheinung, und man fragt sich unweigerlich, wie man damit ohne schwitzige Hände durch die Stadt fahren soll. Entert man den Aufbau über die fünf Stufen der breiten Aufbautür – Liner-typisch der einzige Zugang –, drängt sich aber das Staunen über den üppigen Wohnraum in den Vordergrund.

Im Heck des 88 DL thront eine bequeme Hecksitzgruppe mit variablem, stabil stehendem Tisch. Hier kann es sich die Zwei-Personen-Besatzung überaus gemütlich machen und das TV-Programm oder den Streamingdienst auf dem optionalen 40-Zoll-Smart-TV mit Soundbar genießen. Der fährt elektrisch aus dem Sideboard vor dem rechten Heckfenster aus. Zwei Fahrplätze mit Dreipunktgurten sind hier ebenfalls zu finden.

Morelo Palace 88 DL

  • Grundpreis ab: 272.900 Euro
  • Länge/Breite/Höhe: 9,00/2,40/3,49 m
  • Zul. Gesamtgewicht: 7.490 kg
  • Gurte/Schlafplätze: 4/2–4

Top ausgestattete Küche

Die große Küche schließt an die Sitzgruppe an. Zwei Hängeschränke, sieben Schubladen und ein Unterschrank halten üppigsten Stauraum vor. Kritik gibt es hier nur an der vorgesehenen Besteckschublade. Die ist gerade mal rund 22 Zentimeter tief und direkt unter dem Handtuchhalter ungeschickt platziert. Arbeitsfläche ist auf dem L-förmigen Küchenblock genug vorhanden, und durch das Doppel-Spülbecken ist sogar der Abwasch weniger nervig. Nur im Doppel treten allerdings auch die Kocherflammen auf, was vielen aber womöglich reichen wird.

Üppige 200 Liter Volumen stellt der Kompressorkühlschrank bereit, 41 Liter das Gefrierfach. Die Türen öffnen beidseitig. Obendrüber thront eine Mikrowelle mit Heißluft und Grillfunktion. Sie lässt sich ebenso wie die Kaffeemaschine über den optionalen 3.000-W-Wechselrichter betreiben. Den gibt es im Paket unter anderem mit einer 340-Ah-Lithium-Batterie für knapp 10.000 Euro extra. Die Kapazität ist aber auch nötig; die mehrheitlich elektrischen Verbraucher zeigen sich durchaus konsumfreudig.

Autarkie übers Wochenende

Am Testwochenende mit zweimal Brötchen aufbacken, diversen Kaffeemaschineneinsätzen und Kühlschrankbetrieb auf Stufe zwei sinkt in den ersten 24 Stunden der Ladestand der Batterie um stattliche 190 Ah – trotz Nachladens durch die zwei 130-Wp-Solarpanels auf dem Dach. Die generieren am Testwochenende bei vollem Sonnenschein bis zu 8 A Ladestrom. Nach 48 Stunden ohne Landstrom sind noch 70 Ah in der Batterie. Auf der gut einstündigen Weiterfahrt hebt der Ladebooster das Niveau aber bereits wieder auf 190 Ah an. Möchte man länger als ein, zwei Tage autark stehen, sollte man also in weitere Batterie- und Solarkapazität investieren.

Im Gegensatz dazu sind die Wasservorräte mit 360 Litern bereits serienmäßig großzügig bemessen. Der Abwassertank fasst 250 Liter, ebenso wie der Fäkaltank der Zerhackertoilette. Alle Tanks liegen im beheizten Doppelboden. Mit diesen Vorräten macht die Nutzung des großen Raumbads richtig Spaß. Geduscht wird in einer geräumigen Kabine mit Echtglastüren. Dabei würde man sich nur noch einen etwas höheren Wasserdruck wünschen. Handtücher hängen am Sprossenheizkörper, der über die Alde-Warmwasserheizung erwärmt wird. Die Benutzung der Keramiktoilette fühlt sich an wie zu Hause.

Die Abtrennung des Bads mittels zweier Schiebetüren sorgt für Privatsphäre. Licht und Luft kommen über ein Fenster und eine Dachhaube in den Sanitärtrakt. Neben dem Waschtisch mit großem Becken ist der Hauptkleiderschrank zu finden. So kann man sich nach der Morgentoilette gleich vor Ort für den Urlaubstag fertig machen.

Hubbett als Hauptbett

Geschlafen wird vorn im 88 DL. Auf Knopfdruck senkt sich das üppige Bett von der Decke herab. Im Testwagen assistiert beim Einstieg noch eine Holzleiter, in der Serie soll eine ausziehbare Treppe das Ganze noch komfortabler gestalten. Die längs angeordneten Matratzen sind links rund 1,90 und rechts knapp zwei Meter lang. Die bequemen Kaltschaummatratzen lagern auf Tellerfedern – das Probeschlafen erweist sich als sehr erholsam. Was fehlt, sind Ablagen für Lesestoff, Smartphone oder die TV-Fernbedienung für den zweiten Fernseher im Schlafabteil. Hier würden Gepäcknetze an der Decke helfen.

Am Morgen fährt man das Hubbett samt Bettzeug einfach unter die Decke und hat im Fahrerhaus die Möglichkeit, einen mobilen Arbeitsplatz einzurichten. Links und rechts hinter den drehbaren Cockpitsitzen befinden sich zwei halbhohe Schränke. Der linke ist als variabler Kleiderschrank mit Stange und herausnehmbaren Regalböden eingerichtet, der rechte mit Schubladen und einer ausziehbaren Platte, die am gedrehten Beifahrersitz als kleiner Schreibtisch dienen kann. Alternativ ist der Raum dank höhenverstellbarem TV-Gerät aber auch als separates Fernsehzimmer nutzbar.

Stauraum gibt es im Palace mehr als genug. Ganze neun Hängeschränke, 16 Schubladen, sechs Ober- und vier Unterschränke warten auf Beladung. Dabei muss man sich auch gewichtsmäßig kaum beschränken, denn trotz der Sonderausstattung mit rund 600 Kilogramm bleiben beim promobil-Leergewicht noch 930 Kilogramm Zuladung übrig.

Weitere Staumöglichkeiten finden sich in drei von außen zugänglichen Doppelbodenfächern, eines davon ist sogar wagenbreit. Fahrräder parken in der großen Heckgarage, die mit bis zu 250 Kilogramm beladen werden kann. Im Testwagen ist die rechte Garagenklappe noch zu niedrig ausgeführt, in der Serie soll sie deutlich wachsen. Die Bordtechnik ist ebenfalls durch Außenklappen bestens erreichbar. Man kommt bequem an die Strom- und Wasserzentrale mit den diversen Ablassventilen. Eine Spielerei für Extrovertierte: die blau beleuchtete Sat-Schüssel.

Fahrverhalten

Das Fahren des Liners entpuppt sich als deutlich entspannter als anfänglich vermutet. Die beiden "Insektenfühler" beherbergen sechs Spiegel, mit denen man die Fahrzeugdimensionen gut einschätzen kann. Dazu schaltet die Rückfahrkamera während der Fahrt in den Rückspiegelmodus um.

Durch die hohe Sitzposition und die riesige Frontscheibe hat man einen guten Überblick über das Verkehrsgeschehen – manch kleiner Vollintegrierte ist da unübersichtlicher. Interessanter Vergleich: Wegen der nur wenig über die 2,40 Meter Aufbaubreite hinausragenden Busspiegel ist die Gesamtbreite des Morelo mit rund 2,70 Metern sogar um sieben Zentimeter schmaler als bei einem Standard-Ducato-Teilintegrierten mit den langen Spiegelarmen.

Mit 207 PS und Automatik reist es sich mit Abstandstempomat-Unterstützung sehr bequem. Mitverantwortlich ist die optionale Vier-Kanal-Luftfederung sowie die ebenfalls luftgefederten und beheizbaren Fahrerhaussitze. Aus dem Auf- und Ausbau dringen kaum Störgeräusche nach vorn. Die gute Verarbeitung und den luxuriösen Wohnkomfort gibt es aber nicht zum Schnäppchenpreis.

Zum hohen Grundpreis summiert sich alleine die Sonderausstattung des Testwagens von gut 83.000 Euro. Wer mag, kann mit Hubstützen sowie mehr Batterie- und Solarpower noch einiges mehr investieren. So oder so kann man das Reisen im Luxus-Palast auf Rädern aber sehr genießen.

Daten und Messwerte

  • Auf- und Ausbau: Sandwich-Bauweise, PU-Verstärkungen, außen und innen Alu, Dach GfK/Alu, Boden GfK/GfK, Isoliermaterial Wand/Dach/Boden XPS-Schaum, Wandstärke Wand/Dach/Boden je 42 mm, Doppelboden, Höhe 415 mm, 5 Kunststoff-Isolierfenster mit Alu-Rahmen, 2 Dachhauben, 2 Panorama-Dachfenster.
  • Bordtechnik: Gas/Elektro-Warmwasserheizung/Boiler Alde Compact 3030 Plus, 15 Konvektoren plus Fußbodenheizung (3 x Sitzgruppe, Einstieg, 2 x Küche, 3 x Bad, 2 x Schlafbereich, 2 x Frontscheibe, 2 x Heckgarage), Frisch-/Abwasserrohre, Druckpumpe.
  • Basisfahrzeug: Iveco Daily 70 C, Leiterrahmen, Hinterradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2998 cm3, Leistung 152 kW/207 PS, Drehmoment 470 Nm, Acht-Gang-Wandlerautomatik.
  • Fahrleistungen: Beschleunigung 0–50/80/100 km/h 7,5/17,8/31,0 s; Wiederbeschleunigung (Automatik) 60–80/100/80–100 km/h 7,3/21,0/13,8 s, Testverbrauch 18,0 L/100 km.

Preise und Ausstattung

Grundpreis: 272.900 Euro

(Iveco Daily 70 C18, Motor 129 kW/175 PS) mit TÜV und Zulassungsbescheinigung II

Testwagenpreis: 356.440 Euro

  • ✘ Chassispaket: Motor 207 PS, Acht-Gang-Automatik, Differenzialsperre Hinterachse u.a. (48 kg):✔ 10.600 Euro
  • ✘ Fahrsicherheitspaket: Abstands-Regeltempomat, Spurhalte-Assistent, Bergabfahrhilfe, elektrische Handbremse, Notbremsassistent u.a. (20 kg):✔ 7.890 Euro
  • ✘ Kraftstofftank 200 Liter (120 kg):✔ 2.590 Euro
  • ✘ Elektropaket: 340-Ah-LiFePO4-Batterie 120-A-Kombi-Ladegerät/Wechselrichter 3 kW u.a. (42 kg):✔ 9.990 Euro
  • ✘ Markise elektrisch 6 m (60 kg):✔ 3.290 Euro

✘im Testwagen enthalten; ✔empfehlenswert

Das fiel uns auf

(+) Im Fahrerhaus lässt sich ein mobiler Arbeitsplatz einrichten, abtrennbar mittels der Badtüren.
(+) Die Bordtechnik liegt gut zugänglich hinter Außenklappen. Im Bild ist die Wasserzentrale zu sehen.

(+) (-) Gute Stromversorgung, aber nur eine der je drei vorhandenen USB-A/-C-Dosen liegt im Wohnraum.

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(-) Die Besteckschublade ist nur rund 22 cm tief und unpraktisch unter dem Handtuchhalter platziert.
(-) Im Testwagen fehlt eine Garderobe, obwohl an der Tür Platz dafür wäre. Kleiderhaken gibt es nur im Badezimmer.
(-) Lesestoff, Handy oder TV-Fernbedienung haben keine Ablage am Bett. Gepäcknetze könnten helfen.

Wertung

maximal 5 Punkte möglich

Maßstab: Liner

  • Wohnen: 4,3 Punkte
  • Beladen: 4,5 Punkte
  • Technik: 4,3 Punkte
  • Fahren: 3,2 Punkte
  • Preis und Service: 2,6 Punkte

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