Werden die Haare mit selbstgemachtem Roggenmehl-Shampoo wirklich sauber? Und profitieren Kopfhaut und Haare eventuell sogar davon? Ein zweimonatiger Selbstversuch gibt Antworten.
Früher sahen meine Haare bereits eineinhalb Tage nach dem Waschen so aus, als hätten sie mindestens eine Woche lang kein Wasser sowie Pflegeprodukte gesehen. Außerdem juckte meine Kopfhaut furchtbar. Damals nahm ich das als unveränderbar hin und duschte spätestens jeden zweiten Tag, investierte viel Zeit, Wasser und Geld in konventionelle oder auch naturkosmetische Haarprodukte.
Irgendwann stieß ich jedoch auf den Begriff No Poo (Haare waschen ohne Shampoo). No-Poo-Befürworter:innen behaupten, dass man beispielsweise mithilfe von Roggenmehl-Shampoo die Talgproduktion der Kopfhaut wieder ins Gleichgewicht bringen könne und somit weniger oft Haare waschen müsse. Und selteneres Haarewaschen würde die Talgproduktion abermals reduzieren.
Ich wollte unbedingt weniger Zeit für Haarewaschen investieren und nebenbei Wasser sparen. Also startete ich einen Selbstversuch und zwei Monate lang wusch ich meine Haare nur mit Roggenmehl und Wasser.
Was sagt die Wissenschaft zu seltenerem Haarewaschen?
Die Hautärztin Stefanie Derendorf erklärt im Utopia-Interview über Dusch-Mythen, dass zu häufiges Haarewaschen mit Shampoo die Haut reizen kann. Laut Derendorf solle man auf stark schäumende Produkte verzichten, da sie durch ihre Tenside die Haut austrocknen. Verschiedene Duftstoffe können außerdem Kontaktallergien hervorrufen.
Die Medizinerin rät, zwei- bis dreimal pro Woche Haare zu waschen. "Weniger würde ich nicht empfehlen, denn dann kann der Talggehalt der Kopfhaut steigen – und das kann wirklich krank machen", so die Dermatologin. Zum Beispiel könnten sich bestimmte Pilze vermehren.
Dass die Kopfhaut weniger stark nachfettet, wenn man seltener Haare wäscht, ist aus wissenschaftlicher Sicht jedoch nicht belegbar. Laut Derendorf arbeiten die Talgdrüsen am Kopf nicht vermehrt, wenn man die Haare öfter wäscht. Auf dem Kopf gebe es keine Sensoren für eine intakte Talgschicht – wie schnell unsere Haare nachfetten, würden Hormone und die eigene Genetik regeln.
Warum ich mich für Roggenmehl entschied
Es gibt verschiedene Methoden, mit denen man No Poo umsetzen kann – unter anderem mit Lavaerde, Heilerde, Haarseife, Water Only oder ganz ohne Wasser als "Sebum Only". Komplett auf einen Shampoo-Ersatz zu verzichten, traute ich mir und meiner juckenden Kopfhaut als No-Poo-Neuling noch nicht zu. Also habe ich mich aus folgenden Gründen für Roggenmehl entschieden:
- Roggen wächst in Deutschland und ist somit regional erhältlich.
- Das Mehl ist im Vergleich zu Lavaerde oder Heilerde günstiger.
- Roggenmehl-Shampoo hat denselben pH-Wert wie die Haut (circa 5) und ist daher besonders gut verträglich. Im Gegensatz zu Haarseife muss man bei Roggenmehl-Shampoo also anschließend keine saure Rinse machen.
- Das Getreide steckt voller Aminosäuren wie Glutaminsäure und Mineralstoffe wie Kupfer, Kalium und Phosphor. Auch enthält es wertvolle Vitamine wie Folsäure. Nährstoffe wie diese werden konventionellen Shampoos häufig künstlich beigefügt, da sie deine Haare pflegen. Du kannst die Haare leichter kämmen und sie erhalten einen natürlichen Glanz.
- Im Gegensatz zu Sebum Only konnte ich mir das tägliche lange Bürsten sparen.
Weitere Informationen findest du im Artikel "Roggenmehl-Shampoo: Silikonfrei und natürlich Haare waschen".
Der Selbsttest mit Roggenmehl-Shampoo
Ich kaufte mir also im Bio-Laden ein Roggenvollkornmehl, da dieses den größten pflegenden Effekt durch seine nährenden Inhaltsstoffe verspricht. Allerdings habe ich sehr viele und dicke Haare, sodass nach der Haarwäsche circa einen Tag lang immer wieder Mehl von meinem Kopf rieselte. Bei meinem Haartyp ist es kaum möglich, die Spelzen vom Vollkorn komplett rauszuwaschen. Also stieg ich auf das am feinsten gemahlene Roggenmehl um, das ich finden konnte. In meinem Fall war das Type 815.
Es brauchte mehrere Versuche, bis ich die für mich passende Zusammensetzung meines Roggenmehl-Shampoos herausfand. Mit folgendem Ablauf erziele ich auch heute noch die besten Ergebnisse:
- Ich vermische vier Esslöffel Roggenmehl mit 300 Milliliter lauwarmem Wasser in einem Messbecher.
- Dann püriere ich die Masse, damit keine Mehlklümpchen übrig bleiben.
- Je nach Fettigkeit meiner Haare lasse ich die Masse entweder zehn Minuten (fettige Haare) oder 20 bis 60 Minuten (weniger fettige Haare, mehr Pflege) ziehen.
- Ich nehme den Messbecher mit in die Dusche und mache meine Haare kopfüber sehr gründlich nass.
- Dann trage ich immer noch kopfüber das Roggenmehl-Shampoo Stück für Stück auf meine Kopfhaut auf und wische mit meinen Haarlängen den Messbecher aus. Ich massiere alles sanft ein und lasse es einwirken, während ich meinen Körper abdusche.
- Dann geht es ans Ausspülen. Das dauert länger als bei herkömmlichem Shampoo, wenn ich nicht ein paar Stunden nach dem Haarewaschen noch vollgerieselte Schultern haben möchte. Ich brause also sämtliche Kopfhautpartien sehr gründlich ab, zuerst kopfüber und dann aufrecht stehend.
Tipp: Da meine Kopfhaut vom jahrelangen Haarewaschen mit Tensiden vor allem zu Beginn noch gereizt war, mischte ich das Roggenmehl-Shampoo ab und zu mit mildem lauwarmen Kamillentee statt mit Wasser. Das hatte einen beruhigenden Effekt und meine Kopfhaut juckte nicht mehr.
Mein Fazit zum Selbstversuch
Meine anfängliche Befürchtung, dass ich mit der Roggenmehlmischung einen klebrigen, nicht auswaschbaren Teig auf meinem Kopf kreieren würde, bewahrheitete sich zum Glück nicht. Meine Haare sind tatsächlich sauber geworden. Das kam aber stark auf die Ziehzeit der Mischung an. In den ersten Wochen war es wichtig, dass ich sie nicht länger als zehn Minuten stehen ließ. Nach einiger Zeit konnte ich die Ziehzeit dann variabler gestalten. Mein Haar sah nach dem Selbstversuch außerdem gepflegter aus und es war geschmeidiger.
Mein Ziel, weniger schnell fettige Haare zu haben, konnte ich mithilfe des Roggenmehls tatsächlich erreichen. Schon nach zwei Wochen bemerkte ich, dass meine Kopfhaut weniger schnell nachfettete und weniger juckte. Nach dem achtwöchigen Selbstversuch musste ich erst alle drei bis vier Tage duschen, was meinen Alltag deutlich stressfreier machte. Dermatolog:innen zufolge hat es zwar nur hormonelle oder genetische Ursachen, wenn Haare weniger schnell fettig werden – bei mir hat der Selbsttest jedoch funktioniert. Ich kann es mir nur so erklären, dass meine Kopfhaut von konventionellen Shampoos so gestresst war (was sich auch durch den Juckreiz bemerkbar machte), dass ich zuvor öfter waschen musste.
Ich muss jedoch gestehen, dass ich das Roggenmehl-Shampoo nicht mehr regelmäßig verwende. Das liegt vor allem daran, dass es mir im Alltag zu umständlich ist, das Shampoo vorzubereiten. Auch die Prozedur in der Dusche dauert mir zu lange, wenn es eigentlich schnell gehen muss. Unterwegs ist das Haarewaschen mit Roggenmehl-Shampoo sowieso nur begrenzt umsetzbar. Deswegen nutze ich inzwischen vor allem naturkosmetische feste Shampoos und gönne mir ab und zu am Wochenende ein Roggenmehl-Shampoo, um meine Haare zu pflegen. Und obwohl ich nur unregelmäßig No Poo betreibe, werden meine Haare auch heute noch erst ab dem vierten Tag fettig, der Juckreiz ist nicht mehr da. Somit würde ich sagen, dass das Experiment für mich nachhaltig erfolgreich war.
Wer in einer ähnlichen Ausgangssituation ist und wem der Umstieg auf No Poo zu radikal ist, versucht es am besten erstmal mit Bio-Shampoos ohne Silikone und Tenside: Sie pflegen das Haar mit natürlichen Inhaltsstoffen – und sind dabei mindestens genauso effektiv wie konventionelle Produkte.
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