Studieren, die Welt bereisen, Karriere machen und dann erst Kinder kriegen: Heutzutage zögern viele Frauen die Familiengründung immer weiter hinaus. Doch wie lange sind sie überhaupt fruchtbar? Der Gynäkologe Dr. Helge Mommsen von der Pränatal-Medizin München erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, was es mit der biologischen Uhr auf sich hat.
Herr Dr. Mommsen, ab wann tickt die biologische Uhr bei Frauen?
Dr. Helge Mommsen: Statistisch gesehen liegt die fruchtbarste Zeit im Leben einer Frau um Mitte Zwanzig. Mit den Jahren nimmt die Fruchtbarkeit ab. Das heißt: Die biologische Uhr tickt ganz leise ab einem Alter von 30 Jahren. Ihr Geräusch wird vernehmbarer ab 35 und steigert sich auf laut ab 40 Jahren. Extrem laut tickt die Uhr ab 45. Danach handelt es sich nur noch um Glückstreffer.
Bis zu welchem Alter können Frauen auf natürlichem Wege schwanger werden?
Theoretisch bis etwa Ende 40, praktisch ist jenseits der 45 eine natürliche Schwangerschaft eine Rarität. Ein exakter Zeitpunkt lässt sich jedoch nicht genau festlegen. Fest steht aber, dass die Chancen mit steigendem Alter über 45 rapide sinken und zugleich die Risiken für die Mutter rapide steigen.
Frühgeburten, Schwangerschaftszucker und schwerwiegende Erkrankungen wie die sogenannte Schwangerschaftsvergiftung, die gekennzeichnet ist durch Bluthochdruck, Leber- und Nierenversagen, Blutgerinnungsstörungen und Krampfanfälle, kommen deutlich häufiger vor. Und insgesamt ist eine Schwangerschaft immer einer Belastung für einen Organismus, den eine 25-Jährige locker wegsteckt; mit 48 kann das schon anders aussehen.
Woran liegt es, dass die Fruchtbarkeit abnimmt?
Die Eizellen bestimmen die Fruchtbarkeit der Frau. Bei der Geburt ist jedes Mädchen mit rund einer Million Eizellen ausgestattet. Bis zur Pubertät gehen 90 Prozent zugrunde und es sind noch an die 100.000 Eizellen da. In ihrem Leben hat die Frau rund 400 Eisprünge. Im Alter von etwa 50 Jahren sind dann keine funktionierenden Eizellen mehr da – die Wechseljahre setzen ein. Aber nicht nur die Quantität nimmt mit dem Alter ab, sondern auch die Qualität. Ab 35 Jahren wird die Eizellreifung im Zyklus allmählich schlechter, die Eizellen sind oft von minderwertiger Qualität. Das ist der Grund, warum Frauen mit 40 und älter deutlich weniger fruchtbar sind.
Wann ist also der beste Zeitpunkt für eine Schwangerschaft?
Rein biologisch gesehen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Aber auch zwischen Anfang und Ende 30 ist es biologisch noch ein guter Zeitraum, um Kinder zu kriegen. Was die Befruchtungszeit betrifft, muss man beachten, dass jede Eizelle nur sechs bis zwölf Stunden befruchtbar ist. Wer schwanger werden will, sollte es auch schon zwei Tage vor dem Eisprung versuchen. Denn die Spermien halten sich locker solange. Spätestens zwölf Stunden nach dem Eisprung ist die Befruchtungschance jedoch vorbei.
Kann ein gesunder Lebensstil die Fruchtbarkeit verlängern?
Fangen wir so an: Ein ungesunder Lebensstil mindert die Fruchtbarkeit. Dazu gehören Rauchen, Übergewicht, ausgeprägter Alkoholkonsum und auch häufig wechselnde Geschlechtspartner, wodurch die Infektionsgefahr beispielsweise mit Chlamydien steigt. Auf einen normalen Body-Mass-Index zu achten, den Zigaretten Lebewohl zu sagen, sich gesund zu ernähren und zu bewegen, ist also in jedem Fall sinnvoll. Entgegen vieler Werbeversprechen steigern Nahrungsergänzungsmittel die Fruchtbarkeit nicht. Mit Folsäure ist das etwas anderes. Wer schwanger werden will, sollte Folsäure nehmen, denn dadurch wird das Risiko eines offenen Rückens beim Baby gesenkt. Fruchtbarer macht Folsäure aber nicht.
Kann man als Frau die verbleibende fruchtbare Zeit testen lassen?
Zuverlässige Tests gibt es leider nicht. Mit 30 Jahren kann man nicht testen, ob man mit 40 noch schwanger werden kann. Bei Frauen um die 40 bestimmt man in Kinderwunschpraxen oft das Anti-Müller-Hormon (AHM), einen Spezialwert, der aussagen kann, ob noch eine ausreichende Eizellreserve vorhanden ist, also ob noch Eisprünge stattfinden. Allerdings sagt das Ergebnis nichts über die Qualität der Eizellen oder die Chance einer Schwangerschaft aus. Auch wenn der AHM-Test negativ ausfällt, muss das nicht heißen, dass das Ende der fruchtbaren Phase erreicht ist. Man kann sich nicht 100-prozentig auf den Test verlassen - hier muss man mit der Statistik leben. Und die besagt eben, dass man den Kinderwunsch nicht zu lange vor sich herschieben sollte.
Was tun, wenn es nicht klappt mit dem schwanger werden?
Zuerst muss sorgfältig abgeklärt werden, woran es liegen kann: am Mann, an der Frau, an beiden oder an keinem von beiden. Ist alles unauffällig und die Frau hat einen regelmäßigen Zyklus und es klappt trotzdem innerhalb eines Jahres nicht, dann ist es gerechtfertigt, sich in einer Kinderwunschklinik zu melden. Bei auffälligen Befunden, die einer natürlichen Schwangerschaft entgegenstehen, natürlich vorher.
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