Haben Tiere Gefühle? Ja, sagt die Wissenschaft schon länger. Jetzt gibt es eine neue Studie, die zeigt: asiatische Elefanten können um tote Geschwister trauern. Was den Wissenschaftlern dabei half? Filme auf YouTube.

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Es sind Szenen auf YouTube, die berühren: Dorfbewohner dokumentierten im September 2018 einen Asiatischen Elefanten, der versuchte, den Körper eines toten Elefantenbabys in der Nähe der indischen Stadt Tumku anzustupsen. Die Elefantendame, deren Ohren vor Schmerz zitterten, stieß den leblosen Körper mehr als 24 Stunden lang mit ihrer Nase und ihren Füßen an. Schließlich versammelten sich 12 erwachsene Elefanten um das tote Elefantenbaby, als wollten sie die Mutter trösten.

Doch trauern Elefanten wirklich? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler schon lange. Das Problem: In den dichten Dschungeln Südasiens sind diese trauernden Elefanten selten zu sehen – geschweige denn zu studieren. Aber jetzt, dank dutzender Videos auf YouTube, haben Wissenschaftler endlich die Daten, die sie brauchen, um die große Trauer der Dickhäuter zu analysieren. Und bei der Recherche des Videos stießen sie auf einige Überraschungen.

39 Videos auf YouTube für die Studie ausgewertet

Mit dabei war auch die Naturschutzbiologin Sanjeeta Sharma Pokharel. Sie arbeitet seit vier Jahren in Indien. Bislang konnte sie einmal beobachten, wie ein asiatischer Elefant auf den Tod eines anderen reagierte. Selbst ihre Kollegen, die jahrzehntelang asiatische Elefanten im Dschungel studiert haben, haben dieses "Trauerverhalten" nur wenige Male gesehen. Daher nutzen Pokharel und ihr Team vom Center for Ecological Sciences der Indischen Akademie der Wissenschaften YouTube, um Hilfe zu erhalten.

Die Forscher gaben auf der Website Suchbegriffe wie "Tod des asiatischen Elefanten" und "Antwort des Elefanten auf den Tod" ein. So sammelten sie 39 Videos, die das "Trauerverhalten" von 24 asiatischen Elefanten zwischen 2010 und 2021 festhielten.

Elefanten tragen totes Kalb mit dem Rüssel

Die Videos zeichneten mehrere faszinierende Szenen auf, darunter einen Elefanten, der ein verstorbenes Tier mit seinem Rüssel schlägt, schrieb das Team in seiner Studie. Andere Elefanten versammeln sich wie eine Mahnwache um die Leiche.

Einige der Videos haben auch seltene Verhaltensweisen von Elefanten festgehalten, die nie im Detail beschrieben wurden. In manchen Videoclips klopfen erwachsene Elefanten ihren noch lebenden Freunden mit dem Rüssel auf den Kopf. In einem anderen kuschelt sich ein Elefantenbaby an eine sterbende Mutter, die im klebrigen Schlamm versinkt. Fünf Videos zeigten erwachsene Elefantenweibchen, die tote Kälber mit ihrem Rüssel aufhoben und sie tage- oder sogar wochenlang durch Wälder trugen.

YouTube-Videos und Internet – ein neuer Forschungstrend

"Diese Videos sind eine hervorragende Gelegenheit, seltene Verhaltensweisen bei Elefanten zu beobachten", sagte Lindsay Murray, eine Forscherin für Tierpsychologie an der University of Chester. Sie untersucht, wie sich der Tod auf die Persönlichkeit überlebender asiatischer Elefanten auswirkt. Der Chester Zoo hat die Webcams und Online-Videos des Zoos verwendet, um das Verhalten der Tiere während der Pandemie aus der Ferne zu untersuchen. Diese Forschungsmethode wird von einigen Wissenschaftlern als iEcology bezeichnet – und ist zu einem neuen Forschungstrend geworden.

Dank dieser neuen Forschungsmethode haben die Forscher jetzt festgestellt: Asiatischer Elefanten trauern ähnlich wie afrikanische Elefanten, Schimpansen, Giraffen und Delfinen. Trotzdem wissen die Wissenschaftler immer noch nicht, ob das Verhalten menschliche Trauer darstellt.

Tiere zeigen ganz unterschiedlich ihre Trauer

Immerhin: In den letzten Jahren haben vergleichende Todesstudien die verbreitete Vorstellung infrage gestellt, dass nur Menschen den Tod verstehen. Das bedeutet: auch einige Tiere haben ein gewisses Maß an "Todesbewusstsein". Und Tiere können trauern...

Dem neu veröffentlichten Artikel zufolge zeigen Tiere deutlich unterschiedliche Reaktionen auf den Tod ihrer Artgenossen. Die häufigsten Reaktionen sind direkte wie Berühren, Schnüffeln, Ziehen oder Tragen einer Leiche. Bei Säugetieren kann dies Minuten, Wochen oder sogar Monate dauern. Einige "sekundäre" Reaktionen wurden ebenfalls aufgezeichnet, wie Bewachen, Wachsamkeit, Einkreisen, verschiedene Geräusche machen, Ausweichen und Angriffe auf Leichen oder Umstehende.

Kluft zwischen Mensch und Tier überbrücken

Sanjeeta Sharma Pokharel glaubt, dass solche Trauergefühle bei Tieren möglich sind. "Wenn ich als Mensch diese Reaktion bei Elefanten sehe, denke ich, dass sie mit der Emotion der Trauer zusammenhängt", sagte sie, "aber als Wissenschaftler müssen wir es beweisen."

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Shermin de Silva, Naturschutzbiologin und Leiterin des Udawalawe Elephant Research Project in Sri Lanka, ist überzeugt. "Es ist schwer, diese Art von Verhalten nicht als Trauer zu bezeichnen. Studien wie diese helfen, die emotionale Kluft zwischen Menschen und Tieren zu überbrücken."  © Deine Tierwelt

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