Mit einem Fohlen fing es an – seitdem hat die Ärztin Stefanie Grabs-Samuels mehr als 200 Pferde gerettet. pferde.de sprach mit der Hamburgerin über ihre Liebe zu Tieren, die Rettung von Fohlen und warum ihr die Arbeit nie zu viel wird…
Tiere gab es schon immer im Leben von Stefanie Grabs-Samuels. Und bereits als Kind hatte sie vor allem ein Herz für die Tiere, die im Schatten standen. "Alle Tiere, die Hilfe brauchten, waren bereits damals mein Ding. Meine Freundin hatte ein ganz tolles Pflegepferd, das auch erfolgreich auf Turnieren ging. Ich hatte das Shetlandpony, das niemand wollte", erzählt sie lachend. Und so war es kein Wunder, dass sie im Tierschutz aktiv wurde. Doch dass die heute 49-Jährige einmal mit Freundinnen gleich zwei Vereine gründen würde – das war dann doch eher Zufall…
Wie begann Ihre Arbeit im Tierschutz?
Ich habe mich schon immer engagiert. Aber dann rief mich eine Freundin, die in Bosnien-Herzegowina Urlaub machte, an und erzählte, dass sie dort acht Welpen gefunden habe. Die könne sie nicht dort lassen, sagte sie. Also brachte sie die Welpen nach Hamburg und wir haben für alle ein tolles Zuhause gefunden. Für meine Freundin war damals klar, dass sie wieder hin wolle und noch mehr Hunde retten wollte. Das ging aber schon aus rechtlichen Gründen nicht einfach so. Also habe ich aus Spaß gesagt: Komm‘, wir gründen einen Verein. (lacht). Das war 2013 und kurz darauf gründeten wir "Streunerglück". Seitdem haben wir Hunde und Katzen gerettet, Kastrationsprojekte ins Leben gerufen und machen Tierschutzunterricht an Schulen und Kindergärten sowie Aufklärung der Bevölkerung.
Mit Fohlen Toni fing alles an
Dann kam das erste Fohlen aus Maishofen…
Stimmt. Mich hatten schon lange die Fohlenauktionen in Österreich und Süddeutschland, auf denen regelmäßig 80 Prozent der Fohlen an Schlachter verkauft werden, berührt. Und dann lag ich 2016 abends im Bett, surfte noch ein bisschen im Internet und las Berichte über die Auktionen in Maishofen. Am nächsten Tag stand fest: Ich muss ein Fohlen retten! Über einen österreichischen Verein habe ich dann ein Noriker-Fohlen gerettet. So kam Toni, damals nicht mal sechs Monate alt, zu mir.
Und er blieb?
Natürlich (lacht). Toni ist heute 7sieben Jahre alt und eine Seele von Pferd. Gerade fange ich an, ihn in der pferdegestützten Therapie einzusetzen. Das macht er fantastisch.
Wie ging es nach Toni weiter?
Als Toni bei uns auf der Weide stand, war ich glücklich – und gleichzeitig war mir klar, dass ich nicht nur ein Fohlen retten kann. Ich habe dann mit meinen Freundinnen gesprochen und für uns war klar: Wenn, dann machen wir es richtig. Also gründeten wir den Verein "4 Hufe im Glück". Und ein Jahr später fuhren wir dann selbst nach Österreich…
Wir müssen mehr Pferde retten
Das erste Mal in Maishofen war sicher ein Schock…
Es war furchtbar. Es war früh am Morgen, vernebelt, verregnet. Und von unserer Pension aus sahen wir ganz viele Hänger, teilweise waren die total kaputt, und auf jedem standen Fohlen. Die Auktion selbst war schrecklich. Jedes Mal, wenn der Zuschlag an einen Schlachter ging, musste ich weinen. Wir konnten damals nur drei Fohlen retten, das war wirklich hart.
Und doch sind Sie seitdem jedes Jahr wieder hingefahren…
Stimmt. Wobei ich zugeben muss: Ich habe schon mal kurz überlegt, ob es jemand anderes machen könnte. Aber mir war auch bewusst, dass ich es tun muss. Ich bin als Notärztin im Rettungsdienst gefahren, habe da viel erlebt und kann mit schlimmen Situationen umgehen. Trotzdem war auch klar: Wenn ich das weitermache, dann müssen wir mehr als drei Fohlen retten. Dann ist der Schmerz nicht so groß…
Fohlen Lea hat verzweifelt um ihr Leben gekämpft
Gibt es einen Moment, den sie nie vergessen werden?
Es gibt viele unvergessliche Situationen. Aber eine hat sich wirklich eingebrannt: Vor drei Jahren gab es ein Fohlen, das wurde an einen Schlachter verkauft und sollte auf den Transporter gebracht werden. Dieses Fohlen hat sich aber so gewehrt, dass selbst fünf Männer es nicht auf den Transporter bekommen haben. Eine halbe Stunde hat es verzweifelt um sein Leben gekämpft. Wir hatten eigentlich schon unser Limit erreicht und trotzdem wussten wir: Wenn wir dieses Fohlen nicht mitnehmen, dann werden wir uns das nie verzeihen. Also haben wir so lange mit dem Schlachter diskutiert, bis er uns das Fohlen verkaufte. Und so kam die Norikerstute Lea zu uns…
Gibt es auch Situationen, die Sie kaum ertragen?
Ja, eigentlich immer, wenn wir eins unserer Pferde gehen lassen müssen. Vor drei Jahren haben wir Heide-Lisa gerettet. Die Stute war hochtragend und hat bei uns dann ihr Fohlen Jette bekommen. Das Schlimme: Durch die schwere Geburt bekam sie eine ganz schlimme Belastungs-Hufrehe. Wir haben wirklich alles versucht, um sie zu retten. Aber als Jette vier Monate alt war, mussten wir sie gehen lassen. Das war bislang der schlimmste Moment.
Die Pferde sind toll – und so dankbar
Haben Sie da mal ans Aufgeben gedacht?
Nein, das habe ich noch nie. Ich versorge ja die Pferde des Vereins und je mehr ich mit Pferden zu tun habe, umso glücklicher werde ich. Sie sind einfach so toll und dankbar. Das gibt mir so viel. Dadurch ist die Arbeit auch nicht anstrengend.
Wie viele Pferde haben sie heute?
(Lacht). Also ich habe selbst sechs Pferde, alles Rettungspferde. Und dann hat der Verein aktuell 74 Pferde. Knapp 50 Pferde stehen auf den Weiden in Wakendorf II, der Rest ist bei Pflegestellen sicher und gut untergebracht. Wir retten ja nicht nur die Fohlen vor dem Schlachter, sondern nehmen auch immer häufiger alte und kranke Pferde auf.
Für die Fohlen suchen wir ein neues, liebevolles Zuhause. Aber unsere Rentner, die bleiben bei uns. – Und manchmal auch die Fohlen. Vor zwei Jahren haben wir Elli gerettet. Sie hat Arthrose und wir haben sie zu drei Pferden gestellt, die wir von einem Zirkus übernommen haben. Die vier haben sich vom ersten Tag an so gut verstanden, dass wir entschieden haben: Die trennen wir nicht mehr…
Im Oktober geht es wieder nach Maishofen
Wollen Sie auch dieses Jahr wieder nach Maishofen?
Um ehrlich zu sein: Das stand lange auf der Kippe. Wir hatten in diesem Jahr alleine 25.000 Euro an Tierarztkosten, das ging auch an unsere Substanz. Der Verein lebt schließlich ausschließlich von Spenden. Deshalb haben wir überlegt, ob wir es dieses Jahr schaffen können. Am Ende haben wir entschieden: Wir fahren am vorletzten Dienstag im Oktober wieder nach Maishofen. Auch wenn die Vernunft sagt ‚Wir können nicht alle retten‘, sagen wir: ‚Und, wenn es nur eins ist, wir versuchen es!‘ Denn: Das Leben eines Pferdes zu retten und verändern, verändert nicht die Welt. Doch es verändert die ganze Welt eines Pferdes. Und das ist schon genug! © Pferde.de
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.