Im Schnitt müssen Fohlen, die ein halbes Jahr alt sind, von ihrer Mutter Abschied nehmen. Französische Wissenschaftler wollten wissen: Ist das wirklich gut für den tierischen Nachwuchs? Ihre Studie zeigt: Vor allem Stutfohlen brauchen ihre Mutter länger.
Die Bindung zwischen Stuten und ihren Fohlen ist in den ersten Monaten sehr stark, das ist bekannt. Und sie endet nicht, wenn der Nachwuchs keine Muttermilch mehr trinkt. Denn in der freien Natur hören Fohlen im Alter von etwa neun Monaten auf, von ihrer Mutter zu trinken. Doch ihre Bindung bleibt – bis sie 18 bis 30 Monate alt sind.
In der Pferdezucht gelten andere Regeln. Da werden Fohlen in der Regel fünf bis sieben Monate nach der Geburt entwöhnt und vollständig von ihrer Mutter getrennt. Doch was bedeutet das für die Fohlen? Dieser Frage ging die französische Forscherin Léa Lansade mit einem Team nach. Dabei beschäftigte die Wissenschaftler zwei Fragen. Denn bislang ist nicht bekannt, ob Fohlen ihre Mutter Monate nach dem künstlichen Absetzen noch erkennen und ob die Stuten-Fohlen-Bindung trotz dieser Trennung aufrechterhalten wird. Und: Es ist auch nicht bekannt, ob Fohlen von weiterer sozialer Unterstützung durch ihre Mutter profitieren würden.
34 Fohlen trafen für die Studie ihre Mütter wieder
Das Studienteam richtete, eine kontrollierte Umgebung ein, um zu beurteilen, ob Fohlen Monate nach dem Absetzen ihre Mutter immer noch erkennen und einer anderen vertrauten Stute vorziehen. Außerdem wollten sie herausfinden, ob die Bevorzugung der Mutter bei Stutfohlen oder Hengsten stärker ausgeprägt ist.
Die vom French National Centre for Scientific Research durchgeführte Studie konzentrierte sich auf 34 junge walisische Ponys – 15 Stutfohlen und 19 Hengste – die alle im Alter von sieben Monaten entwöhnt und vollständig von ihrer Mutter getrennt wurden.
75 Prozent der Fohlen erkannten die Mutter sofort wieder
Als Jährlinge, also fünf Monate nach der Trennung, kamen sie dann mit ihrer Mutter wieder zusammen. Dafür nutzen die Forschenden eine Koppel, die zwei Haltebuchten im Abstand von drei Metern hatte – eine für die Mutter und die andere für eine dem Fohlen bekannte Stute aus der ursprünglichen Zuchtstutengruppe. Dann durften sich die Fohlen den Stuten nähern und alle Interaktionen wurden zur Analyse aufgezeichnet.
Das Ergebnis: 75 Prozent der Fohlen näherten sich zuerst ihrer Mutter und nicht der vertrauten Stute. Das weist darauf hin, dass sie ihre Mutter sofort erkannten, so die Forschenden. Die Jährlinge schnüffelten auch und neigten dazu, ihre Mutter öfter anzuschauen als die andere Stute. "Das deutet darauf hin, dass sich künstlich entwöhnte Pferde an ihre Mutter erinnern und immer noch eine Vorliebe für sie zeigen. Dies wiederum weise darauf hin, dass die Bindung auch nach fünf Monaten der Trennung bestehen bleibt", so das Studienteam.
Stutfohlen haben eine stärkere Bindung
Dabei zeigten die Stutfohlen sogar eine noch stärkere Präferenz als die Hengste – sowohl für ihre Mutter als auch für andere vertraute Stuten. Beide sahen sie häufiger an, beschnupperten länger und verbrachten mehr Zeit in der Nähe beider Stuten als die Hengste. "Das deutet darauf hin, dass Stutfohlen generell eine noch stärkere Bindung zu ihrer Mutter sowie zu anderen Stuten aus ihrer Geburtsgruppe haben", schlussfolgerten die Wissenschaftler.
Die Forschenden sagten, dass die Ergebnisse die Praxis der künstlichen Entwöhnung im Alter von fünf bis sieben Monaten infrage stellen. "Unsere Studie legt nahe, dass Fohlen in der Zuchtpraxis länger bei ihren Müttern bleiben sollten", sagten sie. Es sei klar, dass die Stuten-Fohlen-Bindung auch dann stark bleibt, wenn die Fohlen ihre Mutter lange nicht gesehen haben. "Insgesamt weist unsere Studie darauf hin, dass junge Pferde, denen die Mutter vorzeitig entzogen wird, im Alter von einem Jahr soziale Unterstützung benötigen", lautet das Resümee der Forschenden. © Pferde.de
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.