Über Jahrhunderte war Getreide das wichtigste Futter für Pferde. Der Grund ist simpel: In den kleinen Körnern steckt jede Menge Energie. Dazu können sie schnell gefressen werden. Beides war wichtig, denn früher mussten Arbeitspferde schnell wieder eingesetzt werden können und sie brauchten viel Power für ihren Job.

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Doch heute sieht es anders aus. Zwar landet noch immer Getreide in den Futterkrippen, aber die Mengen werden reduziert. So mancher Pferdebesitzer schwört bereits auf ein getreideloses Leben bei seinem Partner auf vier Hufen — und das nicht nur, wenn eine Getreideunverträglichkeit vorliegt. Dabei werden sie von Experten unterstützt: Gutes Heu kann den Energiebedarf bei einem Reitpferd decken, sagen sie.

Dickdarm wandelt Stärke sehr schnell um

Tatsächlich gibt es einen guten Grund, beim Getreide genauer hinzusehen. Denn in den Körnern steckt nicht nur Energie — sie bestehen etwa zur Hälfte aus Stärke. Und das ist das Problem: Die Verdauung der Pferde ist auf große Stärkemengen nicht ausgelegt. Je größer und komplexer die Stärkemoleküle, die im Dünndarm verdaut werden, strukturiert sind, desto schlechter werden sie verdaut. Das hat fatale Folgen.

In Getreide steckt viel Energie.
In Getreide steckt viel Energie. © Foto: pixabay.de/Verfeed (Symbolbild)

Vor allem, wenn die Stärke in den Dickdarm gelangt, beginnen die Probleme. Der Grund: Der Dickdarm des Pferdes ist wie eine gewaltige Gärkammer. Milliarden von Mikroorganismen fermentieren dort Nährstoffe. Das heißt: Sie wandeln Stärke zu flüchtigen Fettsäuren und Laktat um — und zwar sehr schnell.

Folge: Hufrehe, Kolik, Kotwasser

Die Folge: Der pH-Wert des Dickdarms sinkt — und das verändert die Darmflora. Bakterien, die Säure lieben, vermehren sich. Dafür sterben Organismen, die auf einen höheren pH-Wert angewiesen sind, ab. Dabei werden auch Gifte freigesetzt. Kommen sie in den Blutkreislauf, können sie zu einem sogenannten Endotoxinschock führen. Eine mögliche Folge: die Vergiftungshufrehe. Dazu kann zu viel Stärke auch Probleme wie Durchfall, Kotwasser oder Koliken verursachen.

Die gesundheitlichen Folgen beweist auch eine aktuelle Studie von italienischen Forschern der Uni Turin. Sie untersuchten die Auswirkungen von zwei unterschiedlichen Fütterungsarten. Die eine basierte auf hohen Mengen an Stärke, die andere auf hohen Mengen an Ballaststoffen. Untersucht wurden 19 Bardigiano-Pferde, die zur Schlachtung bestimmt waren. In der "Stärke-Gruppe" wurden neun Pferde 72 Tage lang mit acht Kilogramm stärkereichen Pellets mit hohem Getreideanteil gefüttert — das entsprach 57 Prozent ihres Futters. Dazu gab es Wiesenheu aus dem ersten Schnitt. Die anderen zehn Pferde bekamen 3,5 Kilogramm faserreiche Pellets pro Tag, was 30 Prozent der Futtermenge entsprach. Die restlichen 70 Prozent des Futters waren Heu.

Forscher raten: Auf stärkereiche Fütterung verzichten

Nach der Schlachtung untersuchten die Forscher den Verdauungstrakt der Pferde. Ergebnis: Die Pferde aus der "Stärke-Gruppe" zeigten nicht nur mehr, sondern auch schwerwiegendere Verletzungen beziehungsweise Störungen im unteren, säureproduzierenden Drüsenteil des Magens, als die Vergleichsgruppe. Auch in der oberen, nicht säureproduzierenden Magenregion gab es mehr Läsionen.

"Wichtig ist, dass die beobachteten Veränderungen auch hauptsächlich an jenen Darmsegmenten lokalisiert waren, die bei Kolik-Operationen häufig mit Verdauungsproblemen in Verbindung gebracht werden", so die Forscher. Ihr Fazit: "Stärkereiche Ernährung sollte zugunsten ballaststoffbasierter Ernährung vermieden werden, um die Darmgesundheit von Pferden zu erhalten."

Forscher: Auf stärkereiche Fütterung verzichten.
Forscher: Auf stärkereiche Fütterung verzichten. © Foto: pixabay.de/rihaij (Symbolfoto)

Getreide: Kleine Mengen sind okay

Wer auf Getreide nicht verzichten will, sollte daher ganz genau hinsehen. So hat zum Beispiel Hafer die höchste Stärkeverdaulichkeit. Bekommt ein Pferd nicht zu viel davon, kann es bis zu 95 Prozent der enthaltenen Stärke verdauen, bevor das Getreide in den Dickdarm kommt. Die Faustregel sagt: Mehr als 1 Gramm Stärke je Kilogramm Körpergewicht und Mahlzeit sollte ein Pferd nicht zu sich nehmen. Das entspricht einer Höchstmenge von 1,5 Kilogramm Hafer für ein Warmblut mit 600 Kilogramm Körpergewicht. Und: Getreide sollte auf möglichst viele kleine Mahlzeiten aufgeteilt werden. Zwischen den Mahlzeiten sollten sechs Stunden liegen.

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Und noch ein Getreide-Problem kannst du umgehen. Denn: Pferde kauen Kraftfutter weniger — und speicheln es dadurch auch weniger ein. Im Speichel steckt jedoch Bicarbonat, das als natürlicher Puffer für die Magensäure wirkt. Um die Futteraufnahme zu verlangsamen und die Speichelproduktion anzuregen, kannst du zum Beispiel gehäckseltes Raufutter beimischen.  © Pferde.de

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