Vor drei Jahren hat der Österreichische Tierschutzverein seine Pferdeklappe gegründet. Seitdem haben sie mehr als 100 Pferde gerettet. Doch deutlich mehr Pferde suchen eine Chance auf ein glückliches Leben…
Drei Jahre Pferdeklappe Österreich – für die Tierschützer war das ein Grund zu feiern. Denn in dieser Zeit konnten sie schon viele Erfolge vorweisen: "Bisher konnten wir über 100 Pferde retten, für 82 von ihnen haben wir ein neues, passendes Zuhause gefunden", so Alfons Hargaßner, Geschäftsführer des Österreichischen Tierschutzvereins. "Damit sind wir ein Vorbild für eine bessere Mensch-Tier-Beziehung, die auf gegenseitigem Verständnis und Mitgefühl beruht. Das ist für uns ein großer Erfolg."
Dabei engagiert sich der Österreichische Tierschutzverein schon deutlich länger für in Not geratene Pferde. Schon 1935 betrieb er ein eigenes Pferdeheim im Lainzer Tiergarten in Wien. Im Oktober 2021 kam dann die Pferdeklappe in Reutte dazu. Inmitten naturbelassener Landschaft, umringt von den Tiroler Bergen, liegt das kleine Paradies für Pferde: Großzügige Paddock-Boxen, ein Offenstall für Oldies und dazu 3,5 Hektar Weideland – hier können Pferde ihr Leben rundum genießen.
Pferdeklappe: Wo andere aufgeben, helfen wir
Tagsüber leben die Pferde in artgerechter Herdenhaltung zusammen. Auf den befestigten Ausläufen und grünen Wiesen können sie sich nach Herzenslust austoben. Die Nacht verbringen sie sicher in ihren geräumigen Stallboxen. Dazu gibt es zwei Pferdesolarien, einen Waschplatz, einen Außenplatz, eine Führmaschine, eine Waschküche, eine Futterküche mit Medikamentenschrank sowie zwei Sattelkammern. Auch gibt es ausreichend Lagermöglichkeiten für Halfter, Decken und Ausrüstung.
Für die Pferde ist es vor allem eins: Die Chance auf ein neues Leben. "Wo andere aufgeben, helfen wir schnell und unkompliziert", so Hofleiterin und Pferdeexpertin Ingrid Schätzle. "Denn Pferde, die ihr Zuhause verlieren, werden oft von Besitzer zu Besitzer weitergereicht, an Pferdehändler verkauft oder landen auf dem Schlachthof. Gleichzeitig gibt es immer mehr tierliebe Menschen, die einem unserer Schützlinge ein neues Zuhause geben möchten. Bei uns finden diese Menschen und ihre Pferde zusammen."
Rund 360 Anfragen gab es – aus allen Bereichen
Auch wenn die Pferdeklappe mehr als 100 Pferde gerettet hat – der Bedarf ist höher. Rund 360 Anfragen gab es seit dem Bestehen der Pferdeklappe. Es kommen Anfragen für Freizeit-, Turnier- und Sportpferde. "Viele von ihnen sind verletzt, krank oder Opfer von Misshandlungen", sagt Tierpflegerin Nicole Mayrhofer. "Sie lahmen, haben kaputte Gelenke oder Sehnen. Sie sind auf einem Auge blind, haben schlechte Zähne oder beschädigte Hufe. Sie leiden unter Satteldruck, Gastritis oder Asthma." Wie Romeo, früher ein erfolgreiches Springpferd. Dann wurde plötzlich ein Herzfehler bei ihm diagnostiziert. Das war nicht nur das Ende seiner Karriere, sondern auch das Ende der Beziehung zu seinem Reiter.
Aber auch die Notlage der Besitzer ist ausschlaggebend für die Aufnahme in die Pferdeklappe. Viele können sich nicht mehr um ihr geliebtes Pferd kümmern, weil sie schwer erkrankt sind, ein Rosenkrieg tobt oder der Betrieb vor dem Konkurs steht. Andere können die rasant steigenden Tierarztkosten nicht mehr tragen. Der zehnjährige Friese Jelte zum Beispiel litt an einer schweren Hufrehe. Irgendwann konnte sich seine Besitzerin die Behandlung nicht mehr leisten und es drohte die Einschläferung des Hengstes.
Friese Jelte bekam sein Happy End – dank der Pferdeklappe
Doch er hatte Glück: Der Österreichische Tierschutzverein holte ihn in die Pferdeklappe. Und die Mitarbeiter schafften ein kleines Wunder: Jelte bekam ein neues Zuhause bei seinem Herzensmenschen – bei dem Hufschmied, der ihn in der Pferdeklappe betreute. Für alle das perfekte Happy End.
Denn genau darum geht es: Die Pferde sollen ein neues Zuhause finden. "Unser Platzangebot ist begrenzt und unser Ziel ist es, alle Pferde wieder zu vermitteln, um weitere Pferde retten zu können", sagt Leiterin Schätzle. "So können wir insgesamt viel mehr Tieren helfen, anstatt wie ein Gnadenhof irgendwann überbucht zu sein. Deshalb nehmen wir nur selten sehr alte oder schwer kranke Pferde auf."
Die meisten Pferde sind zuerst verunsichert
Jedes neu aufgenommene Pferd wird von einem Tierarzt untersucht. So wird klar, welche Behandlung es braucht: zum Beispiel einen Zahnarzt, einen Osteopathen, einen Hufschmied oder einen Hufspezialisten. Dann werden individuelle Betreuungspläne erstellt, um ihnen die besten Voraussetzungen für den Neustart zu geben. "Wenn nötig ziehen wir auch Experten hinzu, um das Pferd wieder gesund und fit zu machen. Es soll seine traurige Vergangenheit hinter sich lassen können und ein neues Leben voller Liebe und Fürsorge erfahren", so Schätzle.
Die meisten Pferde zeigen sich anfangs verunsichert. Kein Wunder, sie haben gerade ihr vertrautes Zuhause oder ihre Herde verloren. Oder sie haben schlimme Erfahrungen gemacht. Deshalb wollen die Tierschützer vor allem eins: den Pferden zeigen, dass es viele schöne Dinge im Leben eines Pferdes gibt. "Das kann reichlich gutes Futter sein. Oder, dass es schön ist, Teil einer Herde zu sein. Die meisten unserer Pferde erleben bei uns zum ersten Mal eine liebevolle Betreuung und artgerechte Haltung", so Pflegerin Mayrhofer.
Rositta: Ein neues Leben nach der Stutenmilchfarm
Zu allen Pferden bauen sie eine Beziehung auf. Und das kann manchmal mühsam sein, wie bei der siebenjährigen Rositta: Sie wurde aus einer Stutenmilchfarm gerettet, wo sie jahrelang ausgebeutet wurde. Sie war abgemagert und depressiv. Doch viel gutem Futter und liebevoller Zuwendung konnte das Team sie langsam wieder aufpäppeln. Das Leben auf der Weide mit ihren Artgenossen tat ihr sichtbar gut. Sie erholte sich von Tag zu Tag und fasste langsam Vertrauen zu den Menschen.
Und sorgte dann auch für ein kleines Wunder in der Pferdeklappe. Denn: Die tierärztliche Untersuchung bei Rositta zeigte, dass sie trächtig war. "Als sie ihr Fohlen Zazou zur Welt brachte, änderte sich ihr Verhalten völlig", so Mayrhofer. "Die Stute blühte auf und genoss ihre Mutterrolle, die ihr auf dem Stutenmilchhof immer verwehrt geblieben war."
Es soll eine Freundschaft fürs Leben werden
Wenn es den Pferden gut geht, wollen die Retter die richtigen Menschen für sie finden – eine der schwierigsten Aufgaben. Die Suche kann Monate dauern, bis der richtige Mensch mit dem richtigen Zuhause gefunden ist. Schätzle: "Der eine möchte mit dem Pferd spazieren gehen, der andere möchte es reiten. Wieder andere suchen nur ein Beistellpferd. Die Entscheidung treffen wir mit Bedacht. Wir führen intensive Gespräche mit den potenziellen Adoptiveltern, um sicher zu gehen, dass Mensch und Tier perfekt zueinander passen. Es gibt Pferde, die nicht zu bestimmten Menschen passen. Ein sportliches Pferd passt nicht zu einem unsportlichen Menschen."
Wer das perfekte "Match" ist, entscheidet das Team. "Erst wenn wir wissen, was das Pferd mag und sicher nicht möchte, und braucht und sicher nicht braucht, geben wir es zur Vermittlung frei", so Schätzle. "Denn nur so kann eine langfristige und glückliche Partnerschaft entstehen. Mensch und Pferd gehören für uns zusammen. Wir wollen, dass es beiden gut geht. Dass eine Freundschaft fürs Leben entsteht."
Die Oldies bleiben für immer in der Pferdeklappe
Dass sie dabei Volltreffer landen, wissen sie:"Immer wieder bekommen wir Fotos und Videos von glücklichen Menschen, die wir mit ihrem Pferd zusammengebracht haben", berichtet Schätzle. "Es ist einfach wunderbar zu sehen, wie sehr sich die Pferde über ihr neues Leben freuen. So wie der wunderschöne Wallach Jelte, der schwer krank war und nun wieder mit wehender Mähne läuft. Das ist eine schöne Bestätigung für unsere Arbeit."
Einige Pferde dürfen nicht nur vorübergehend im Pferdestall bleiben, sondern hier ihren Lebensabend glücklich verbringen. "Alte Pferde sind wie alte Bäume, die verpflanzt man nicht mehr", erklärt Tierpflegerin Sabine Walse. Im Oldie-Stall stehen zum Beispiel die Haflinger Marco (36) und Paula (33), die Vollblutaraber Valewska (33) und Marana (28) sowie die Esel Pauli (28) und Emil (15).
Die optimale Betreuung ist sehr zeit- und kostenintensiv. "Rund 35.000 Euro pro Monat sind notwendig, um den Betrieb am Laufen zu halten und die Tiere optimal versorgen zu können", sagt Geschäftsführer Hargaßner. "Die Kosten für Energie, Tierarzt, Therapeuten, Futter, Wasser, Instandhaltung sowie Steuern und Abgaben sind enorm. Das alles finanzieren wir zu hundert Prozent aus Spendengeldern." Und das Geld brauchen die Retter. Denn sie wissen: Es warten noch viel mehr Pferde auf ihre Chance auf ein glückliches Leben. © Pferde.de
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