Immer häufiger setzen Züchter auf die künstliche Besamung und Embryotransfer, bei denen Leihstuten die befruchtete Eizelle einer anderen Stute eingesetzt wird. Doch Kritiker warnen: Das alles ist vor allem ein Geschäft – um das Super-Fohlen…

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Es gibt viele Züchter, die vor allem die Leidenschaft für Pferde antreibt. Aber: Mit Pferden lässt sich eben auch Geld verdienen. Richtig viel Geld. Das zeigte sich gerade erst bei der Hannoveraner-Auktion in Verden: Ein Prämienhengst wechselte für zwei Millionen Euro den Besitzer. Den Zuschlag bekam Helgstrand Dressage…

Zugegeben: Solche Preise sind nicht die Norm. 37 gekörte Hengste wurden angeboten, der Durchschnittspreis lag bei 147.257 Euro. Doch auch das zeigt: Zucht ist auch ein Geschäft. Und dabei wollen viele mitverdienen. Für gute Deckhengste heißt das: Sie sind in der Decksaison im Dauereinsatz.

Künstliche Besamung: In Bayern bereits bei jeder zweiten Stute

So mancher muss drei- bis viermal die Woche "ran". Doch nicht bei einem Natursprung. Ein echter Deckakt zwischen Hengst und Stute wird mittlerweile immer seltener. In Bayern zum Beispiel werden bereits rund 50 Prozent der Stuten künstlich besamt.

Mit Pferdezucht lässt sich viel Geld verdienen.
Mit Pferdezucht lässt sich viel Geld verdienen. © Foto: unsplash.com/Phinehas Adams (Symbolfoto)

Ein beliebtes Argument: Bei der Deckung besteht eine Verletzungs- und Infektionsgefahr. Und die wird durch das so genannte Phantom verringert. Doch das Phantom bringt noch einen anderen Vorteil: Der Samen wird aufgefangen – und so kann nicht nur eine Stute, sondern bis zu 20 besamt werden. Heißt: Die Decktaxe wird nicht einmal, sondern mehrfach kassiert.

Per Mausklick Sperma vom Wunsch-Hengst

Für die Besitzer von Zuchtstuten ist die künstliche Besamung auch bequem. Schließlich müssen sie nicht mit ihrer Stute irgendwo hinfahren, sondern können ganz entspannt per Mausklick Sperma aus der ganzen Welt bestellen. Der Wunsch-Hengst steht in Australien? Kein Problem!

Auch für die Besitzer der Hengste gibt es weitere Vorteile. Denn der Deckhengst kann zum Beispiel weiter im Sport eingesetzt werden und muss nicht auf einer Besamungsstation zur Verfügung stehen. Denn die künstliche Befruchtung funktioniert mit frischem sowie mit tiefgekühltem Sperma.

Der Nebeneffekt: Der tiefgekühlte Samen kann auch noch verkauft werden, wenn das Pferd nicht mehr lebt. Der Schafhof bietet noch heute, vier Jahre nach seinem Tod, TK-Samen des Wunderhengstes Totilas für 4.000 Euro Decktaxe an. Und so träumen noch heute einige vom Super-Fohlen à la Totilas…

Die Zucht der Super-Fohlen ist umstritten.
Die Zucht der Super-Fohlen ist umstritten. © Foto: pixabay.com/127071 (Symbolfoto)

Künstliche Besamung beim Pferd nicht immer erfolgreich

Dabei ist die künstliche Besamung mit TK-Samen ein Risiko: Nach Schätzungen liegt die Erfolgsquote gerade mal bei 50 Prozent. Das Problem: Aufgetautes Sperma ist nur sechs bis acht Stunden befruchtungsfähig. Das heißt: Der Weg zur Eizelle sollte so kurz wie möglich sein.

Lange Zeit war daher vor allem für die Besitzer der Hengste die künstliche Besamung ein Geschäft. Doch die Forschung ging immer weiter – und mittlerweile können auch die Besitzer von Stuten gut verdienen. Ein Beispiel: Isabell Werths Top-Stute Weihegold. Bereits mit 15 Jahren war sie mehrfache Mutter – und dabei immer im Dressurviereck erfolgreich. Möglich wurde das durch den Embryotransfer.

Embryotransfer beim Pferd – dank Leihstuten

Bei dieser Technik werden Embryonen in eine fremde Stute eingebracht. Züchter sprechen von Empfängerstuten. Die Idee ähnelt der Leihmutterschaft bei Menschen. Und sie bietet viele Möglichkeiten: So können auch alte Stuten noch biologisch Mutter werden. Oder die Stute kann, wie Weihegold, ohne Ausfall im Sport bleiben.

Bei Leihmutterstuten geht es nur ums Geschäft.
Bei Leihmutterstuten geht es nur ums Geschäft. © Foto: unsplash.com/Yvon Hoogers (Symbolfoto)

Dabei ist ein Embryotransfer beim Pferd aufwändig – und verläuft in mehreren Schritten. Zuerst muss Zyklus der Spender- und der Empfängerstute "synchronisiert" werden. Denn der Zeitpunkt des Eisprungs sollte nur wenige Tage auseinanderliegen. Die größten Chancen für eine Trächtigkeit bestehen, wenn die Empfängerstute einen Tag vor bis drei Tage nach der Spenderstute ovuliert.

"Da geht es nur ums Geschäft!"

Anschließend wird die Spenderstute, also die biologische Mutter des zukünftigen Fohlens, besamt. Hat das geklappt, geht alles schnell. Schon sieben Tage nach dem Eisprung hat sich der Embryo als Blastozyste entwickelt. Nun wird durch den Muttermund eine Embryospülung durchgeführt und der Embryo aus der Gebärmutter gewonnen. Unter dem Mikroskop kann dann die Qualität des Embryos beurteilt werden. Nach dem Waschen wird er durch den Muttermund in die Gebärmutter der Empfängerstute übertragen.

Doch die immer neuen Möglichkeiten zur Zucht der Super-Fohlen sind umstritten. "Alles hat Vor- und Nachteile", so Dr. Andreas Franzky, Vorsitzender der "Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz". "Aber letztlich ist es nicht die natürliche Fortpflanzung." Für ihn sind Leihmutterstuten und Embryotransfer "Auswüchse". Er sagt: "Da geht es nur ums Geschäft."

Ein Embryotransfer beim Pferd ist aufwändig.
Ein Embryotransfer beim Pferd ist aufwändig. © Foto: unsplash.com/Yvon Hoogers (Symbolfoto)

Und die Folgen sind dabei nicht absehbar: "Wir wissen zu wenig darüber, welche physischen und psychischen Belastungen durch die Manipulation ausgelöst werden. Das gilt für Empfänger- und Spenderstuten."

Und wem gehört das Fohlen einer Leihstute?

Übrigens: Auch rechtlich kann die Leihmutterschaft einer Stute für Überraschungen sorgen. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg. Das Problem: Ein Mann wollte seine Stute künstlich besamen lassen, eine Leihstute sollte das Fohlen austragen. Doch ein Tierarzt sagte, dass der Embryotransfer nicht geklappt habe.

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Die Folge: Die Leihstute wurde verkauft. Und die neue Besitzerin stellte fest: Sie ist doch tragend. Nun wollte der Mann "sein" Fohlen. Nichts da, so die Richter. Zwar sei der Mann zunächst der Eigentümer des Embryos gewesen. Aber: Durch das Einpflanzen in die Leihstute sei der Embryo untrennbar mit dieser verbunden worden, so die Richter in ihrem Urteil vom 11. September.  © Pferde.de

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