Es fing mit ehrenamtlichen Transporten für Pferde in Not an. Daraus entstanden ein Verein und ein Netzwerk, das heute bei fast allen Pferde-Fällen hilft. pferde.de sprach mit "Equitrans"-Gründerin Marion "Conny" Poock über Tierschutz, die Not der Besitzer – und warum sie sich manchmal ihre rosarote Brille zurückwünscht…
Mit sechs Jahren hat Marion Poock das erste Mal auf einem Pferd gesessen – "und seitdem bin ich im nie wieder abgestiegen", sagt sie lachend. Ihrer Leidenschaft verdankt sie auch ihren Spitznamen Conny , "wie die Conny aus den Pferdebüchern". Ihre Liebe zu Pferden? Grenzenlos. Zuerst für die eigenen Pferde: Mit 16 hatte sie ihr erstes Pferd, mit 18 kam das zweite und ein Jahr später bereits das dritte eigene Pferd. "Danach habe ich mit dem Zählen aufgehört", sagt sie.
Mit ihren Pferden ging sie auf Turniere, ritt bis S-Dressur. Und hatte, wie sie heute sagt, eine rosarote Brille auf. "Für mich standen immer meine Pferde im Vordergrund. Dass es ihnen gut geht – das war für mich selbstverständlich. Und ich war damals sicher, dass jeder Mensch, der mit Pferden Umgang hat, genauso denkt."
Mit Shetty Amadeus ging es los
Dass es nicht so ist – das erfuhr sie ausgerechnet, nachdem sie sich einen Traum erfüllt hatte. Mit ihrem Mann Coen van Wijlick gründete sie ein Transportunternehmen für Pferde. "Klein, fein, klassisch – so sollte es sein", erzählt Conny. Doch auf ihren Fahrten erlebte sie immer wieder, wie Pferde in Not dringend transportiert werden mussten, aber niemand es zahlen konnte. "Da haben wir dann manchmal nur für die Dieselkosten Pferde mitgenommen." Und dann kam Amadeus, ein Shetland-Pony. "Er sollte zum Schlachter, konnte freigekauft werden. Ich hörte von seinem Schicksal und sagte sofort: Den bringe ich zu seinen neuen Besitzern."
Da es schnell gehen musste und sie keine freie Tour hatte, nahm sie ihn zunächst zu sich auf den Hof. "Dort sollte er sich erst einmal erholen. Aber weil er sich so super-süß mit meiner Stute verstanden hat, haben seine neuen Besitzer ihn uns geschenkt."
Boy dem Schlachter überlassen? Das ging nicht
Nach Amadeus haben sie und ihr Mann richtig angefangen, ehrenamtlich Pferde in Not zu transportieren. Bis Boy kam, ein hübscher Wallach, gerade 15 Jahre jung. "Ich dachte, das wäre ein ganz normaler Transportauftrag. Doch vor Ort weinte die Besitzerin plötzlich und sagte, das wäre jetzt ihr letzter Gang mit ihm. Sie erzählte, dass er eine schwere Lungenkrankheit hätte." Conny stockt kurz. "Ich dachte noch, dass er jetzt einfach in eine für ihn gesündere Umgebung kommen sollte. Doch dann war klar: Er soll zum Schlachter."
Für Conny eine Katastrophe. "Wir mussten ihn fahren, sonst hätten wir uns strafbar gemacht. Das hätte uns den Betrieb kosten können." Doch Boy einfach so dem Schlachter überlassen? Schon den Gedanken ertrug sie nicht. Ihre erste Idee: "Ich kaufe ihn frei." Doch der Schlachter ließ nicht mit sich reden. "Er sagte nur, dass Boy morgen das Gesicht runterbekommt und Hundefutter wird."
Offener Brief auf Facebook rettet Boy das Leben
Doch Conny gab nicht auf. Sie schrieb auf Facebook einen offenen Brief an die Besitzerin, bat darum, den Verkauf an den Schlachter rückgängig zu machen. "Das hat sich dann ganz schnell verselbständigt. Petra Teegen von der Pferdeklappe teilte damals dankenswerterweise unseren Post. Und sie hatte dann auch die geniale Idee mit dem Fax." Denn: Der Schlachter ging nicht mehr ans Telefon. Stattdessen bekam er mitten in der Nacht das erste Fax. Und es blieb nicht bei dem einen, am nächsten Morgen waren Hunderte bei ihm angekommen.
Um halb acht klingelte dann in der Klappe das Telefon, ein vor Wut schnaufender Metzger sagte nur: "Holt bloß diesen blöden Gaul hier ab. Ihr habt mir ganz Deutschland auf den Hals gehetzt! Gefühlte 300 Meter Fax sind bei mir reingerattert." Conny und ihr Mann setzten sich sofort in den Transporter und brachten Boy erst einmal zu sich nach Hause. "Es war unglaublich, wie schnell er sich bei uns erholte."
Flutkatastrophe im Ahrtal: Sechs Monate Dauer-Einsatz
Durch die Vermittlung von Petra Teegen konnte Boy einige Wochen später direkt zu seiner neuen Besitzerin gebracht werden. "Das war unglaublich. Als wir ankamen, standen da 300 Menschen und applaudierten." Für Conny und ihren Mann hatte diese Fahrt Folgen. "Es war im Prinzip die Geburtsstunde unseres Vereins", sagt sie. Und Boy? "Er lebt heute noch immer glücklich und gesund bei seiner Besitzerin. Und er ist immer noch topfit."
So richtig los ging es dann 2019 bei der Flutkatastrophe in Spanien. Auch hier war die Pferdenärrin mit ihrem Team im Einsatz und gründete "Equitrans n.e.V.". "Wir haben Futtermittel gespendet bekommen, sogar große Firmen boten ihre Hilfe an. Und wir haben dann alles nach Spanien gebracht."
"75 Pferde und eine Stunde Zeit"
Die nächste Katastrophe war das Ahrtal. Sechs Monate lang war sie im Dauer-Einsatz, koordinierte, half, fuhr. "In der Zeit waren jeden Tag so 20 bis 25 Leute bei uns im Haus, hier kam ein Lkw nach dem anderen an." Und immer wieder klingelte das Telefon und ein neuer Notfall bauchte sofort Hilfe. "Einmal hieß es: Ein Stall mit 75 Pferden muss evakuiert werden, aber wir haben nur eine Stunde Zeit. Danach lässt die Feuerwehr niemanden mehr in das Gebiet."
Connys Mann lacht. "In dieser Stunde hat sie nur telefoniert, war immer ganz knapp und kurz angebunden dabei. Ich dachte nur: Das ist nicht meine Conny." Doch sie schaffte es: "Am Ende standen 75 Gespanne auf einem Parkplatz und waren einsatzbereit."
In diesen Wochen und Monaten hat sie viele Menschen kennengelernt, auf die sie sich verlassen kann. "Wir haben damals eine Evakuierungsgruppe gegründet. Mehr als zwei Jahre haben wir nichts voneinander gehört. Doch als jetzt das Hochwasser in Niedersachen war, ging es sofort los. Privatleute, Spediteure, Transporteure meldeten sich, schrieben: ‚Bin in Rufbereitschaft!‘" Das war ein Moment, der Conny und ihrem Mann Kraft gab. "Wir haben so viele Menschen, die helfen, wenn Not ist. Das ist unfassbar."
"Lucky war immer nur Mittel zum Zweck"
Aber auch bei anderen Katastrophen ist sie im Einsatz – wie beim Ukraine-Krieg. "Wir haben viele Pferde und ihre Besitzer retten können", sagt sie. Dass Pferde und Menschen zusammenbleiben – das lag ihr am Herzen. "ich wollte nicht die Pferde retten, die dann hier irgendwie verkauft werden. Die Besitzer hatten nichts mehr, nur noch ihr Pferd. Das sollten sie behalten."
Durch ihre Arbeit wurden Conny und "Equitrans" immer bekannter. Und schon lange ging es nicht mehr "nur" um Transporte. Denn die 59-Jährige ist ein Mensch, der nicht weggucken kann. Im Gegenteil: Sie hilft, wenn Pferde gestohlen werden. Und wenn es Pferden schlecht geht, ist Conny sofort da. Wie zum Beispiel bei der Stute Lucky.
"Sie war eigentlich auch ein ganz normaler Transportauftrag. Ich sollte sie in Belgien abholen." Doch dann erfuhr sie, dass die Traberstute eine Embryonaltransferstute war. "Sie war selbst schon so gezogen. In ihrem Pass ein Stempel: zur Zucht verboten. Ihr Job war: Fohlen austragen, die man ihr eingepflanzt hat. Ihr Job war, ständig umziehen. Ihr Job war qua Passeintragungen hochqualifiziert. Sie hingegen nie. Sie war immer nur Mittel zum Zweck. Und jetzt mit 15 wurde sie einfach ausgemustert – und sollte zum Schlachter."
Mit 15 Jahren zum Schlachter…
Das kam für Conny nicht in Frage. Sie wandte sich an Petra Teegen, zusammen konnten sie Lucky freikaufen. "Ich habe sie dann mit meinem Mann abgeholt." Als sie das Gestüt sah, konnte sie es nicht fassen: "Da lebten rund 1.500 Stuten, die alle als Embryonaltransferstuten im Einsatz sind." Ein riesiges Geschäft: "Eine erfolgreiche Stute wird mit dem Sperma eines erfolgreichen Hengstes gedeckt. Der Embryo wird dann ausgespült und der Transferstute eingesetzt. So kann die erfolgreiche Stute weiter im Sport bleiben. Und die Transferstute wird ‚verpachtet‘. Das machen die Stuten von vier bis 15 Jahren. Danach gehen sie nach Italien – zum Schlachthof."
Lucky blieb dieses Schicksal erspart. "Über die Klappe fand sie schnell eine neue Besitzerin. Sie wurde leider krank. Auch die zweite Besitzerin wurde krank", so Conny. "Für mich stand dann fest: Bevor Lucky noch einmal Pech hat, kommt sie zu uns. Das war vor vier Jahren. Wir hatten noch nie ein Pferd im Stall, das wie Espenlaub gezittert hat, wenn ein Lkw oder ein Traktor vorfuhr. Heute ist sie 21 und weiß, dass ihr bei uns nichts passieren wird. Dass sie in Sicherheit ist."
Ihr Unternehmen haben Conny und ihr Mann aufgegeben
Als Transporteure sind Conny und ihr Mann nur noch für den Verein im Einsatz. Ihr Unternehmen haben sie aufgegeben. "Es ging einfach nicht mehr", sagt Conny. Zu viel Elend haben sie in den Jahren erlebt. Wie das Schicksal eines Fohlens. "Es war drei Monate alt. Der Züchter hat damals die wieder tragende Mutter schlachten lassen und auch das Fohlen sollte sterben." Über Umwege konnte es freigekauft werden. "Heute rockt Second Chance bei uns über die Weiden."
Die letzte Fahrt machte ihr Mann. "Ich sollte ein Grand-Prix-Pferd zu seinem neuen Besitzer bringen. Als ich dort ankam, konnte ich es nicht glauben. Es war kein Stall, es war die Hölle. Ich habe noch nie ein Pferd abgeladen, dass mich dann anguckt, als wollte es mich fragen: ‚Wo hast du mich jetzt hingebracht‘", sagt Coen van Wijlick. "Ich musste ihn dort lassen – das war unerträglich." Doch nichts tun, das ging nicht. Sie informierten den alten Besitzer "und er hat sein Pferd dort sofort wieder abgeholt". Doch für Conny und Coen stand fest: "Das ertragen wir nicht mehr. Wir wollen Pferde helfen – und nichts ins Elend schicken."
Seelsorgerin für Menschen, die ihre Pferde lieben
Deshalb hat "Equitrans e.V." auch drei Hauptziele: Tierschutz, Katastrophenschutz und Bildung. Dass sie sich einmal so im Tierschutz engagieren würde – das hat Conny früher nie gedacht. "Ich lebte in meinem Wolkenkuckucksheim und dachte, dass es allen Pferden gut gehen würde." Es gibt Tage, da wünscht sie sich ihre rosarote Brille zurück. "Ich kann es noch immer nicht fassen, was manche Menschen Pferden antun."
Und gleichzeitig erfährt sie immer wieder, wie andere Menschen für ihre Pferde leiden. "Wenn ihre Pferde misshandelt wurden, haben sie oft keine Ansprechpartner. Mit ihnen telefoniere ich manchmal stundenlang." Deshalb lässt sie sich jetzt auch zur Seelsorgerin ausbilden. Und kämpft weiter. "Wir haben eine tolle Community, die uns immer wieder unterstützt und trägt. Darauf sind wir wirklich stolz", sagt Conny. "Es gibt so unglaublich viele tolle Menschen." Das macht ihr Mut. Sie weiß, dass sie nicht jedem Pferd helfen kann. "Aber ich will es wenigstens versuchen. Pferde sind so wunderbare Geschöpfe. Sie sind Partner, Freund, heilen unsere Seelen. Sie haben es einfach verdient, dass wir alles für sie tun." © Pferde.de
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