Wer Schulden nicht mehr begleichen kann, hat die Möglichkeit, sich durch die Anmeldung einer Privatinsolvenz von einem Teil der Last zu befreien. Doch das Verfahren und vor allem sein möglichst schnelles Ende setzen eine tadellose Mitwirkung des Schuldners voraus. Durch ein Versäumnis wurde Boris Beckers Insolvenzverfahren in Großbritannien nun um ganze zwölf Jahre verlängert. Wie läuft ein Insolvenzverfahren eigentlich in Deutschland ab?
Ein schwerer Krankheitsfall, der Verlust des Arbeitsplatzes oder der unglückliche Verlauf einer Scheidung: Es gibt viele Gründe, warum Privatpersonen zahlungsunfähig werden. Davon spricht man, wenn das Einkommen nicht mehr ausreicht, um den Lebensunterhalt sicherzustellen und offene Rechnungen zu bezahlen. Rund 69.000 Menschen waren im Jahr 2018 in Deutschland davon betroffen.
So katastrophal die Feststellung einer Überschuldung im ersten Moment klingt: Es gibt Wege, um in überschaubarer Zeit aus der Falle wieder herauszukommen. Die allgemeinen Sozialberatungsstellen begleiten Schuldner und können Empfehlungen für den konkreten Fall aussprechen.
Verbraucherinsolvenz als Chance für Neuanfang
Ein geordneter Weg, um den Schuldenberg in drei bis sechs Jahren abzubauen, ist die Privatinsolvenz. Der juristische Fachbegriff dafür ist Verbraucherinsolvenz.
Das Verfahren hat das Ziel, Betroffenen zu helfen, sich von der Schuldenlast zu befreien und ihnen einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Gleichzeitig soll ein möglichst geringer Forderungsausfall für die Gläubiger erreicht werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Gericht Betroffene von nahezu sämtlichen Schulden befreien.
Einem Insolvenzantrag muss ein außergerichtlicher Einigungsversuch zwischen Schuldner und Gläubigern vorausgehen. Dazu muss ein konkreter Zahlungsplan erstellt werden, wie und in welchem Umfang der Schuldner zumindest einen Teil der Forderungen gegen ihn begleichen will.
Selbst wenn dem Betroffenen keinerlei Einkommen oder Vermögen zur Schuldentilgung zur Verfügung stehen, muss er dies darlegen und einen sogenannten "Nullplan" vorschlagen. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass der Schuldner seinen Gläubigern nachweist, dass er nicht in der Lage ist, seine Schulden zu begleichen und sie um einen Erlass bittet.
Die deutsche Insolvenzordnung sieht vor, dass der außergerichtliche Einigungsversuch von einer geeigneten Person oder Stelle begleitet wird. Das kann eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt sein. Unentgeltlich können auch die Schuldnerberatungen von Wohlfahrtsverbänden diese Funktion erfüllen.
Einleitung eines Insolvenzverfahrens
Scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch, können überschuldete Privatpersonen beim zuständigen Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen, verbunden mit einem Antrag auf Erteilung der sogenannten "Restschuldbefreiung".
Bevor das eigentliche Verfahren beginnt, prüft das Gericht meist, ob nicht doch eine gütliche Einigung zwischen Schuldner und Gläubigern möglich ist. Häufig zeigen sich Gläubiger bei einem Schuldenbereinigungsversuch mit gerichtlicher Unterstützung kompromissbereiter.
Wenn auch dieser zweite Versuch nicht zum Erfolg führt, entscheidet das Gericht, ob es ein Insolvenzverfahren für sinnvoll erachtet. Wird dieses eingeleitet, bestellt das Gericht einen Treuhänder, der das pfändbare Vermögen des Schuldners verwertet. Dazu zählen nicht nur Geldguthaben, sondern auch Güter wie teurer Schmuck oder wertvolle Einrichtungsgegenstände.
Wann bin ich schuldenfrei?
In der darauffolgenden sogenannten "Wohlverhaltensphase" ist der Schuldner verpflichtet, sich im zumutbaren Umfang zu bemühen, einen möglichst großen Teil seiner Restschuld abzutragen. Sein pfändbares Einkommen – also der Teil seiner Nettoeinkünfte, der über einer Freigrenze liegt – wird nach Abzug von Verfahrenskosten vom Treuhänder an die Gläubiger verteilt. Der Schuldner muss in dieser Zeit einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich zumindest glaubwürdig darum bemühen.
Nach Ablauf dieser Wohlverhaltenszeit entscheidet das Gericht darüber, ob der Schuldner von seinen restlichen Schulden befreit wird. Voraussetzung dafür ist ein tadelloses Verhalten des Betroffenen.
Die Restschuldbefreiung wird unter anderem versagt, wenn der Schuldner seine Mitwirkungs- und Auskunftspflichten während des Insolvenzverfahrens verletzt. Mit Erteilung der Restschuldbefreiung wird der Schuldner von Forderungen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen ihn bestanden, befreit.
In der Regel dauert das Verfahren sechs Jahre. Diese Zeit kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt werden:
- Wenn es der Schuldner bewerkstelligt, zumindest die Verfahrenskosten zu begleichen, auf fünf Jahre.
- Wenn er die Verfahrenskosten und mindestens 35 Prozent der Forderungen bezahlt, auf drei Jahre.
- Wenn die Verfahrenskosten und alle anderen Forderungen beglichen sind, endet das Verfahren sofort.
Die Restschuldbefreiung ist endgültig. Das Insolvenzgericht kann sie zwar innerhalb eines Jahres nach der Erteilung widerrufen. Dies geschieht aber nur dann, wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass der Schuldner seine Pflichten während des Verfahrens vorsätzlich verletzt hat.
Der bei Eröffnung der Verbraucherinsolvenz gespeicherte Schufa-Eintrag bleibt allerdings noch drei Jahre nach dem Vermerk über die Restschuldbefreiung bestehen.
Verwendete Quellen:
- Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: "Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz"
- Justizministerium Nordrhein-Westfalen: "Die Verbraucherinsolvenz. Neubeginn ohne Schulden"
- Verbraucherzentrale: "Verbraucherinsolvenz - in sechs Jahren schuldenfrei?"
- Creditreform: "Insolvenzen in Deutschland, Jahr 2018"
- Schuldnerberatung.de: "Privatinsolvenz: Erfolgt ein SCHUFA-Eintrag?"
Boris Becker: Insolvenzverfahren um zwölf Jahre verlängert
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