Jetzt ist die Zeit des Jahres, in der sich die Menschen in zwei Gruppen teilen: Die, die es kaum erwarten können, mit der Steuererklärung anzufangen – und der große Rest. Falls Sie zum Rest gehören, lesen Sie weiter. Denn eine Steuererklärung ist zwar nicht gerade unterhaltsam - aber immer noch besser als ein Zahnarztbesuch.
Es gibt Menschen in meinem Bekanntenkreis, die sagen, dass sie lieber zum Zahnarzt gehen, als ihre Steuererklärung zu machen. Wenig verwunderlich: Das sind vor allem solche wie meine Freundin, die beneidenswert gesunde, kräftige Zähne hat und deren Zahnarzt gewöhnlich nichts weiter macht, als sie zu loben und einen Termin für die Zahnreinigung zu vereinbaren.
Bei mir dagegen ist der Ausgang von Zahnarztbesuchen ungewisser. Und weil ich ohnehin besser rechnen kann, als stundenlang den Mund offenzuhalten, ist mir eine Steuererklärung deutlich lieber. Zumal es noch einen wichtigen Unterschied gibt: Mit etwas Glück gibt es bei der Steuererklärung Geld zurück. Das ist mir beim Zahnarzt noch nie passiert. Ihnen etwa?
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Die Frage, ob man eine Steuererklärung machen möchte oder lieber nicht, stellt sich allen, die ihre Steuererklärung freiwillig abgeben können. Falls Sie sich fragen, ob Sie dazugehören: Es gibt eine Faustregel. Wer Einnahmen außer der Reihe hat, ist meist verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben. Wer aber Ausgaben außer der Reihe hat, kann sie freiwillig machen – und häufig Geld zurückholen. Hier erklärt die Stiftung Warentest, wer genau in welche Gruppe fällt.
Es gibt fünf Lebenssituationen, in denen es wahrscheinlich eine gute Idee ist, die Mühe einer Steuererklärung auf sich zu nehmen.
1. Wenn der Job hohe Kosten mit sich bringt
Die Kosten, die Arbeitnehmer haben, um überhaupt arbeiten zu können, heißen im Steuerjargon Werbungskosten. Dafür gibt es eine Pauschale von 1.230 Euro pro Jahr, die alle bekommen, unabhängig von ihren tatsächlichen Ausgaben. Wer mehr ausgibt, kann auch mehr von der Steuer absetzen. Das sind etwa Berufspendler mit weiten Wegen oder Homeoffice-Vielnutzer.
2. Wenn Krankheit oder Pflege teuer sind
Dieser Posten fällt bei der Steuer unter "außergewöhnliche Belastungen". Wenn in einem Jahr viel zusammenkommt – etwa teurer Zahnersatz und eine neue Brille – können Steuerpflichtige einen Teil davon absetzen. Wie viel das Finanzamt anerkennt, hängt von den Einkünften und der Familiensituation ab.
Die Stiftung Warentest hat einen Rechner, mit dem Sie Ihre persönliche Grenze berechnen können. Oberhalb davon können Sie Krankheitskosten absetzen. Daneben können zum Beispiel auch Pflegekosten oder die Ausgaben für einen barrierefreien Umbau der Wohnung helfen, Steuern zu sparen.
3. Wenn das Berufsleben Kopf steht
Ihre Berufstätigkeit hat sich im vergangenen Jahr einmal komplett umgewälzt? Das könnte ein Grund sein, freiwillig eine Steuererklärung zu machen. Etwa, wenn Sie als Berufsanfänger im Lauf des Jahres einen Job begonnen haben.
Oder falls Sie eine Abfindung erhalten haben und der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht nach der Fünftelregelung abgezogen hat. Oder wenn Sie aus beruflichen Gründen umgezogen sind.
- Achtung: Haben Sie im vergangenen Jahr mehr als 410 Euro Arbeitslosengeld 1, Kurzarbeiter- oder Elterngeld erhalten, sind Sie verpflichtet, eine Steuererklärung zu machen.
4. Wenn Kinder in Betreuung oder Ausbildung sind
Bei vielen Familien kommt für die Betreuung und Ausbildung der Kinder eine hohe Summe zusammen. Die gute Nachricht: Kinderbetreuungskosten bis zu 6.000 Euro pro Jahr können Sie absetzen.
Auch Schuldgeld für eine Schule in freier Trägerschaft zählt bei der Steuer. Und für volljährige Kinder, die Sie während Ausbildung oder Studium unterstützen, gibt es immerhin jährlich einen Freibetrag von 1.200 Euro.
5. Wenn Handwerker oder Haushaltshilfen im Einsatz waren
Für viele Dienstleistungen rund um Haus oder Wohnung gibt es 20 Prozent der Kosten vom Finanzamt zurück. Rechnungen für Handwerker, Putzkraft, Babysitter oder Pflegedienst mindern die Steuer, wenn Sie sie selbst bezahlt haben. Die Grenzen sind im Vergleich zu anderen Posten recht hoch: Für Handwerker können Sie maximal 6.000 Euro pro Jahr abrechnen (Materialkosten zählen hier nicht mit).
Der Steuerrabatt beträgt 20 Prozent, das heißt, es sind maximal 1.200 Euro Steuerersparnis drin. Noch höher liegt die Grenze für Pflegedienste, Essenszubereitung und Hausmeister: Hier können Sie bis zu 20.000 Euro abrechnen und damit bis zu 4.000 Euro Steuern sparen.
Sind Sie auch bei Punkt 2 aufmerksam geworden? Genau, wenn Sie und ich sich aufraffen, sowohl zum Zahnarzt zu gehen als auch die Steuererklärung zu machen, können wir möglicherweise doppelt profitieren: Gesunde Zähne und weniger Steuern in einem Aufwasch. Wenn das keine Motivation ist, weiß ich auch nicht.
Über die Autorin
- Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Stiftung Warentest Finanzen und ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Die Stiftung Warentest testet seit 60 Jahren Finanzdienstleistungen und veröffentlicht die Ergebnisse auf test.de und in ihren Magazinen. Alle Publikationen sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.