Ein Testament ist nur was für Alte und Kranke? Das dachte ich auch. Doch dann habe ich dazugelernt: Es gibt eine Menge Lebenssituationen, in denen es auch als junger oder mittelalter Mensch sinnvoll ist, schriftlich festzulegen, was mit dem eigenen Nachlass geschehen soll. Fünf Szenarien, in denen ein Testament Ihren Lieben nützen wird.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Kürzlich habe ich gelesen, dass die meisten Menschen in der Lebensmitte sich wesentlich jünger fühlen, als sie sind. Es sind also beileibe nicht nur die Berufsjugendlichen, die trotz schütterem Haar unverdrossen in enger Lederhose ihr Motorrad besteigen, oder die Nachbarin, die ihr bauchfreies Outfit stolz durch die Wechseljahre trägt.

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Nein, es ist ein Massenphänomen, und ich kann sagen, dass ich mich in diesem Fall zur Masse zähle. Der große Abstand zwischen meinem Geburtsjahr und dem heutigen Datum scheint mir wie ein mathematisches Versehen; auf jeden Fall nichts, was mich zum alten Eisen machen würde.

Dementsprechend fern lag mir bisher der Gedanke, ein Testament zu verfassen. "Letzter Wille" klingt nach nahendem Tod, mindestens aber nach Altersheim. Aber wie so oft: Dieser erste Reflex verkehrte sich ins Gegenteil, als meine Kolleginnen und Kollegen mir vorführten, warum ein Testament auch für Jüngere sinnvoll sein kann.

In meinem Fall sind es gleich zwei der fünf wichtigsten Gründe, sich um den eigenen Nachlass zu kümmern: Ich bin verheiratet und möchte meinen Mann möglichst gut stellen, falls ich sterben sollte. Und wir haben unterschiedliche Nationalitäten. Das kann zu unklaren Rechtsverhältnissen führen, die sich mit einem Testament klären lassen.

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Übrigens: Um ein gültiges Testament aufzusetzen, braucht es nur ein Papier, einen Stift und eine klare Vorstellung, wer was erben soll. Das ganze Testament muss mit der Hand geschrieben sein, Computerausdrucke sind bei selbst verfassten Testamenten nicht gültig. Absolute Pflicht sind außerdem Unterschrift und Datum – das war's dann schon. Mustertexte für verschiedene Lebenssituationen hat die Stiftung Warentest im großen Testaments-Special zusammengestellt.

Und wie ist es bei Ihnen? Hier sind die fünf Lebenssituationen, in denen Sie über ein Testament nachdenken sollten – unabhängig davon, wie alt oder jung Sie sich fühlen:

1. Ehepartner absichern

Viele Menschen gehen davon aus, dass der Ehepartner bei ihrem Tod alles oder wenigstens fast alles erbt. Doch ohne Testament ist das nicht so, denn dann greift die gesetzliche Erbfolge – und die bedenkt neben dem Ehepartner noch einige andere Familienmitglieder. Gibt es Kinder, erben diese gemeinsam mit dem überlebenden Partner. Das kann schwierig werden, wenn das Erbe hauptsächlich aus einem Haus oder einer Wohnung besteht und die Kinder ihren Anteil ausgezahlt haben möchten.

Falls das Paar keine Kinder hat, kommen die Eltern oder Geschwister des Verstorbenen ins Spiel – sie haben ein Anrecht auf ein Viertel des Erbes. Falls diese auch nicht mehr leben, erben die Nichten, Neffen und Großeltern. Das lässt sich mit einem Testament anders regeln, wenn gewünscht. Setzen sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein, spricht man vom "Berliner Testament". Hier erklärt die Stiftung Warentest die Vor- und Nachteile.

2. Unverheirateten Partner bedenken

Noch gravierender kann ein fehlendes Testament werden, wenn Paare nicht verheiratet sind. Dann erbt der oder die Überlebende gar nichts. Um den oder die Partnerin abzusichern, führt kein Weg an einem Testament vorbei.

3. Faire Regeln für Patchworkfamilie festlegen

Das Erbrecht stammt aus einer Zeit, als Patchworkfamilien eine Seltenheit waren. Entsprechend schlecht bildet es Familienkonstellationen aus mehreren geschiedenen und wiederverheirateten Elternteilen mit Halbgeschwistern und Adoptivkindern ab. In solchen Fällen empfiehlt es sich, die Aufteilung per Testament zu regeln – selbst wenn es im Einzelfall nur um ein kleines Sparbuch und ein Auto gehen sollte.

4. Minderjährige Erben schützen

Gibt es kein Testament, erben neben dem überlebenden Ehepartner auch die – vielleicht minderjährigen – Kinder. Sie bilden zusammen mit dem Elternteil eine Erbengemeinschaft. Und hier wird es kompliziert: Um das Risiko einer Benachteiligung der Kinder auszuschließen, darf der Elternteil sie in Angelegenheiten der Erbengemeinschaft nicht immer vertreten.

Stattdessen muss der Elternteil bei wichtigen Entscheidungen wie etwa einem Hausverkauf eine Genehmigung des Familiengerichts einholen. Das Gericht kann zusätzlich einen Ergänzungspfleger bestellen, der im Sinn der Kinder handelt. Ein Testament kann dies verhindern und damit die minderjährigen Kinder vor der Beteiligung an solchen Verfahren schützen.

5. Unterschiedliche Nationalitäten im Erbenkreis

Viele Paare mit unterschiedlichen Nationalitäten machen sich im Alltag kaum Gedanken darüber, welche rechtlichen Auswirkungen dies hat. Im Erbrecht kann es sein, dass ohne Testament neben dem deutschen auch das Recht des Zweitlandes angewandt werden kann oder muss, es kann Unklarheiten und widersprüchliche Regeln geben. Paare sollten in diesem Fall jedoch nicht einfach ein Testament aufsetzen, sondern juristischen Rat einholen, am besten bei einem Anwalt, der sich mit dem Erbrecht beider Länder auskennt.

Und noch einen Irrglauben habe ich bei dieser Gelegenheit abgelegt

Es braucht mitnichten einen Notar, um ein Testament zu machen – vorausgesetzt, die Vermögensverhältnisse sind überschaubar und man plant nicht gerade, ein Familienunternehmen zu vererben. Ich habe also keinen Grund mehr, das Vorhaben vor mir herzuschieben – auch wenn ich mich gerade heute wieder auffallend jung fühle.

Über die Autorin

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Stiftung Warentest Finanzen" und ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Die Stiftung Warentest testet seit 60 Jahren Finanzdienstleistungen und veröffentlicht die Ergebnisse auf test.de und in ihren Magazinen. Alle Publikationen sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.

Verwendete Quellen