Sollte wirklich jeder Erwachsene ein Testament haben? Die Antwort lautet: ja. Wer sich für 2020 seinen Letzten Willen vornehme, handele klug und friedenstiftend, sagt der Gründer des Deutschen Forums für Erbrecht, Klaus Michael Groll. Zu den häufigen Irrtümern zähle, man sei nicht vermögend genug oder noch zu jung für ein Testament.

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Weniger Stress und freundlicher zu Klima sowie Familie und Freunden zu sein: Das sind die beliebtesten Neujahrsvorsätze der Deutschen für 2020, wie kürzlich eine repräsentative Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit zeigte. Ein Testament zu machen, gehört hingegen nicht dazu. Wer denkt auch gern an seinen eigenen Tod?

"Es wäre aber ein sinnvoller, kluger Neujahrsvorsatz", meint der Gründungspräsident des Deutschen Forums für Erbrecht, Klaus Michael Groll. Aus jahrzehntelanger Erfahrung weiß der Münchner Fachanwalt für Erbrecht allerdings, dass viele glauben, kein Testament zu brauchen. "Das ist ein großer Irrtum. Wie überhaupt viele Irrtümer zum Erbrecht kursieren - die aber schlimme Folgen haben: zerrüttete Familien nach einem Todesfall."

1. Irrtum: "Ich habe nichts zu vererben"

Mit der häufigste Grund, warum Menschen ein Testament für unnötig halten: Sie meinen, nichts zu vererben zu haben. Das stimmt nicht: "Einen gewissen Hausrat, zumindest einige persönliche Gegenstände kann jeder sein Eigen nennen", merkt Groll an.

Dass es gerade Dinge sind, die einen viel höheren ideellen als materiellen Wert haben, die unter den Erben den schlimmsten Streit auslösen können, weiß er aus Erfahrung: "Um ein Fotoalbum wird oft heftiger gestritten als um Millionen. Die Intensität eines Erbenstreits ist von der Größe des Nachlasses vollkommen unabhängig. Nur ein einziger richtiger Satz in einem Testament, und das Erbe geht an die Wunschperson."

2. Irrtum: "Das Gesetz regelt sicher alles sinnvoll"

"Die gesetzliche Erbfolge ist nicht so, wie Laien oft denken", warnt Groll.

Ein Beispiel: Stirbt der Ehemann und es liegt kein Testament vor, erbt seine Frau nicht etwa allein, sondern findet sich zum Beispiel mit den gemeinsamen Kindern oder mit Verwandten ihres Mannes in einer sogenannten Erbengemeinschaft wieder.

Alles gehört ihr nun mit den anderen Erben zusammen, über jeden einzelnen Gegenstand müssen nun alle gemeinsam entscheiden. Womöglich sind die Kinder auch noch untereinander zerstritten - ein wahres Horrorszenario, das laut Groll keine Seltenheit ist. Und das der Verstorbene wohl so kaum gewollt haben kann: "Niemand möchte, dass sein Vermögen - sei es auch noch so klein - an eine unerwünschte Person geht", meint er, "was nach der gesetzlichen Erbfolge jedoch sehr schnell geschehen kann."

Zudem könne die Erbschaftssteuerbelastung bei gesetzlicher Erbfolge höher sein als bei testamentarischen Regelungen, die unter Beratung eines Fachanwalts getroffen werden.

3. Irrtum: "Ich bin zu jung für ein Testament"

Dieser Irrtum hat in vielen Fällen mit Irrtum Nummer eins zu tun, man habe doch kaum etwas zu vererben. "Aber wie gesagt, auch der Student oder Auszubildende hat Eigentum, über das nach seinem Tod Streit entstehen kann", erinnert Groll.

Zum anderen schwingt bei diesem Irrtum auch die Verdrängung des eigenen Todes mit: "Es ist schon merkwürdig: Den Letzten Willen zu Papier zu bringen, ist für viele immer noch ein Tabuthema."

Warum eigentlich? Groll meint, ein ganzes Bündel von Gründen dafür zu erkennen: "Wissenschaft und Technik führten zur Verdrängung des Religiösen, damit auch des eigenen Todes, der zudem kaum noch im sichtbaren Umfeld stattfindet. Andere halten sich noch für zu jung, so als ob sie wüssten, nicht plötzlich Opfer eines Unfalls werden zu können. Wiederum andere sind vom Aberglauben besessen, sogleich zu sterben, wenn sie ein Testament gemacht haben."

4. Irrtum: "Meine Familie würde sich nie um Geld streiten"

Ein Szenario: Die Kinder sind bereits erwachsen, haben sich immer gut vertragen, sind nicht materialistisch und haben ein gutes Gehalt. Warum sollte da Streit aufkommen? "Man sagt ja so schön: ,Wenn es ums Geld geht, zeigt sich der wahre Charakter’", sagt Groll. "Und das ist wahr. Niemand kann vorhersehen, wie jemand in einer Erbsituation reagieren wird."

Vor allem aber gehe es eben - und hier spielten viele psychologische Faktoren eine Rolle - nicht nur ums Geld: "Was wäre der Wille des Verstorbenen gewesen? Wer sollte das Fotoalbum bekommen? Sie ahnen nicht, wie emotional es da werden kann. Jeder fühlt sich im Recht und meint - auch das ist keine Seltenheit - als einziger den Willen des Verstorbenen zu erfüllen."

5. Irrtum: "Was nach meinem Tod passiert, betrifft mich nicht mehr"

"Jeder braucht ein Testament": Fachanwalt Groll hat mittels Vorträgen, Schriften und bei Auftritten in vielen Talkshows einen erheblichen Anteil seines Berufslebens damit verbracht, diese Botschaft unter Laien zu verbreiten.

Man trage gegenüber seiner Familie eine besondere Verantwortung, so seine Argumentation. Gemäß dem Motto "Nach mir die Sintflut" zu verfahren, sei sogar ein Ausdruck mangelnder Liebe, ja nicht zuletzt auch ein Akt von Unkultur: "Das bedeutet nichts anderes, als dass es einem gleichgültig ist, ob die Nächsten nicht mehr miteinander reden oder dass sie das sauer verdiente Vermögen bei Gericht verprozessieren. Und das nur, weil der Verstorbene zu faul oder zu unvernünftig war, sich um seinen Letzten Willen zu kümmern und sich auch, was unverzichtbar ist, fachlich beraten zu lassen." Nicht zuletzt sei es für einen selbst beruhigend, die letzten Dinge zu Lebzeiten geregelt zu haben.

Ein kluges Testament schaffe Gerechtigkeit, schütze das Vermögen und helfe, Steuern zu sparen: "Und das stiftet Frieden", sagt Groll. Eine gute Art also, die beliebtesten Neujahrsvorsätze auf einen Streich umzusetzen: weniger Stress und Freundlichkeit zur Familie.

Verwendete Quellen:

  • Interview: Der Münchner Fachanwalt für Erbrecht, Prof. Dr. Klaus Michael Groll, gründete 1996 das international agierende Deutsche Forum für Erbrecht
  • dpa (64 Prozent der Deutschen bekannten sich in einer DAK-Umfrage zu den Neujahrsvorsätzen: weniger Stress, aber freundlicher zu Klima sowie Familie und Freunden sein zu wollen)
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