Anfang der Woche haben Landwirte in Deutschland mobil gemacht und bundesweit Proteste organisiert. Sie wollen das geplante Aus des Agrardiesels verhindern und warnen vor massiven Kostensteigerungen – auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Was ist dran an den Befürchtungen und was bedeuten die geplanten Maßnahmen der Ampel am Ende für die Preise im Supermarkt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Es waren Plakate mit dramatischen Sprüchen, mit denen die Bauern Anfang der Woche in ihren Traktoren durchs Land rollten: "Gibt es keine Bauern mehr, bleiben eure Teller leer" oder "keine Landwirte, kein Essen, keine Zukunft" lauteten sie.
Denn die Bauern sind richtig sauer über den Sparkurs der Ampel-Regierung, in deren Haushalt seit dem Karlsruher Urteil ein 60-Milliarden Loch klafft. Den Rotstift will die Koalition unter anderem in der Landwirtschaft ansetzen und Subventionen streichen.
Sparpotenzial: 440 Millionen Euro
Betroffen sind die steuerlichen Vergünstigungen für Agrardiesel für Landwirte sowie ursprünglich auch die KfZ-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge, also solche mit grünem Kennzeichen. Durch die Streichung dieser Steuervergünstigungen plante die Ampel zunächst mit Einsparungen von 440 bzw. 485 Millionen Euro. Inzwischen hat sie angekündigt, die Steuervergünstigungen für Landwirtschafts- und Forstfahrzeuge beizubehalten und die Agrardiesel-Subventionen nur schrittweise zu kürzen.
Wie hart die Maßnahmen der Regierung den einzelnen Bauern treffen würden, lässt sich nicht pauschal sagen. Schätzungen, etwa des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung, gehen von 2.300 bis 3.900 Euro an Mehrkosten pro Jahr bei einem durchschnittlichen, 100 Hektar großen Betrieb aus, wenn die Agrardieselerstattung komplett gestrichen würde.
Auswirkungen auf Verbraucher
Aktuell werden pro Liter Diesel etwa 47 Cent an Steuern fällig. Bislang bekamen Landwirte 21 Cent davon zurück. Nach dem Stufenmodell sollen die Subventionen in diesem Jahr um 40 Prozent (ab 1. März) und in den beiden folgenden Jahren jeweils um 30 Prozent abgebaut werden. 2026 gäbe es dann gar keine Steuer-Rückvergütung mehr.
Die Streichung der Steuervergünstigungen könnte auch Auswirkungen auf Verbraucher haben – nämlich in Form von steigenden Preisen. In einer Formulierungshilfe des Finanzministeriums für das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 heißt es: "Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Wegfall der Steuerentlastung in den Verbraucherpreisen widerspiegeln wird, da die Land- und Forstwirte zukünftig den Verbrauch des Dieselkraftstoffs energiesteuerrechtlich nicht mehr entlasten können. "
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Landwirte mit guten Gewinnen in 2023
Branchenkenner meinen jedoch, dass die geplanten Kürzungen für Landwirte verschmerzbar sind. Das vergangene Jahr war mit einer Gewinnsteigerung von 45 Prozent – im Schnitt auf mehr als 115.000 Euro – ein gutes Jahr für die deutschen Bauern. Und das trotz höherer Energiekosten, Inflation und Lieferkettenproblemen.
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Wie das "Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt" schreibt, sollten sich Verbraucher aber auf höhere Milch- und Fleischpreise einstellen. Neben dem schrittweisen Aus für Agrardiesel würden die höhere CO2-Steuer und die Maut die Verbraucherpreise belasten, heißt es. Zitiert wird beispielsweise der stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Vieh- und Fleischhandelsverbandes, Reinhold Koller, der "steigende Preise für Fleisch und andere Lebensmittel im kommenden Jahr" befürchtet.
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte könnte leiden
Aus Kollers Sicht wird sich die Streichung der Agrardiesel-Subvention außerdem auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Landwirte auswirken. Es könnte zu einer weiteren Verknappung am Fleischmarkt kommen. Ob Lebensmittelpreise wirklich steigen, hängt letztlich von den Preisverhandlungen mit dem Lebensmittelhandel ab. Die Bauern werden darauf pochen, ihre höheren Erzeugerpreise durchzusetzen.
Sie fließen aber nur als einer von vielen Faktoren in den Preis ein, der am Ende im Supermarkt auf dem Preisschild steht. Besonders mächtig sind bei der Preisbildung die Großunternehmen im Einzelhandel. Sie verfügen über große Verhandlungsstärke und haben die Nachfragemacht. Allein auf die fünf größten Unternehmen entfällt ein Umsatzanteil von 75 Prozent am Lebensmittelmarkt.
Vereinbarte Preise sind meist mehrere Monate vertraglich bindend – sodass die Preise nicht zum 1. März ad hoc steigen dürften. Die Produktionskosten müssen zudem wesentlich steigen, damit Preise angepasst werden. Allerdings klagen die Bauern nicht nur über die jetzt diskutierten Kürzungen beim Agrardiesel, sondern beispielsweise auch über gestrichene Investitionsförderungen oder die höhere CO2-Abgabe, die bis 2026 auf 19,8 Cent/l steigt.
Höhere Preise durchzusetzen ist für Zulieferer, die Industrie und auch für die Landwirte insgesamt aber schwierig – und gelingt meist nur mittelfristig. Schließlich beeinflussen auch der Weltmarkt und die dortige Nachfrage die Preise in den deutschen Supermärkten.
Preisanstieg könnte weniger als 1 Prozent ausmachen
Andere Experten argumentieren deshalb, dass geplanten Subventionskürzungen sich nur minimal auswirken könnten. Die Produktion eines Kilogramms Weizen dürfte durchschnittlich um 0,24 Cent teurer werden, rechnen sie vor. Bedeutet: Bei Weitergabe der Mehrkosten würde ein Kilogramm Weizenmehl um rund einen Drittel-Cent teurer. Bei Milch könnte das Aus des Agrardiesels eine Verteuerung von 0,38 Cent pro Liter bedeuten – also in beiden Fällen weniger als ein halbes Prozent Preisanstieg.
Die Behauptung des Deutschen Bauernverbands, die Lebensmittelpreise dürften sich "deutlich verteuern" wirkt auf dieser Grundlage nicht haltbar. Viele Landwirte halten die hiesigen Preise allerdings schon lange nicht mehr für angemessen. Im EU-Vergleich liegt Deutschland bei Lebensmitteln auf Platz 14 – hinter Griechenland, Frankreich, Österreich und Zypern.
Teurer müsste es auch werden, wenn man die tatsächlichen Kosten für Umwelt und Klima betrachtet. Laut einer Studie der Universität Greifswald und der TU Nürnberg müsste ein Kilogramm konventionell erzeugtes Hackfleisch beispielsweise eigentlich 18,84 Euro kosten – wenn man die ökologischen Schäden in den Preis mit einrechnen würde. Das Aus des Agrardiesels hat deshalb nicht nur eine Spar-Komponente, sondern soll Landwirte auch dazu bewegen, wo möglich, auf klimafreundlichere Alternativen umzusteigen.
Verwendete Quellen
- Deutscher Bauernverband: Situationsbericht 2023/24
- Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt: Aus für Agrardiesel: Milch- und Fleischpreise werden steigen
- Table.Media: Agrardiesel-Kürzung: Lebensmittelpreise dürften nur minimal steigenhttps://table.media/berlin/news/agrardiesel-kuerzung-lebensmittelpreise-duerften-nur-minimal-steigen-2-2/
- Statista: Preisniveauindex für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke in Europa nach Ländern im Jahr 2022
- Forschung und Wissen: Fleisch müsste in Deutschland doppelt so teuer sein
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