Immer wieder lesen wir in den Schlagzeilen von Badeunfällen – teilweise mit gutem, teilweise mit furchtbarem Ausgang. Trotz großer Angst würden vermutlich viele von sich behaupten, sofort ins Wasser zu springen, um jemanden zu retten. Aber mache ich mich strafbar, wenn ich es nicht tue? Unsere Redaktion hat mit einem Rechtswissenschaftler gesprochen.
Allein in diesem Jahr sind bereits 192 Menschen in deutschen Gewässern ertrunken. Das zeigt die Zwischenbilanz der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) (Stand 25.07.2023).
Die DLRG wie auch die Wasserwacht tun ihr Bestes, um diese tragischen Badeunfälle zu verhindern. Wahrscheinlich würden die meisten Menschen trotz eigener Angst sofort ins Wasser springen, um einen möglicherweise Ertrinkenden zu retten – auch ohne eine entsprechende Ausbildung, wie sie die Wasserretter haben. Doch wie sieht die rechtliche Lage aus, wenn ich Beobachter einer Notsituation im Wasser bin? Wir haben mit Frank Saliger, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, gesprochen.
Herr Saliger, sollte ich körperlich dazu in der Lage sein, bin ich dann verpflichtet ins Wasser zu springen und die potenziell ertrinkende Person herauszuziehen?
Frank Saliger: Es gibt eine Strafnorm, die uns Bürger wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft. Das ist der Paragraf 323c StGB: "Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." Das heißt, wenn jemand schwimmt und offenkundig in Not gerät, dann sind andere, die ihm helfen könnten und es ihnen zumutbar ist, verpflichtet, ihm bei Strafdrohung zu helfen.
Man ist also rechtlich verpflichtet, hineinzuspringen und eine ertrinkende Person herauszuziehen?
Natürlich muss der Schwimmer zu dieser Hilfeleistung in der Lage sein. Für einen Nichtschwimmer wird das nicht gelten. Es kommt bei der Zumutbarkeit auch darauf an, dass der Schwimmer sich nicht selbst in Lebensgefahr bringt. Wenn etwa die Strömungsverhältnisse zu stark sind, dann ist er nicht verpflichtet, hineinzuspringen. Dieser Paragraf soll nicht zu übermütigen Hilfsaktionen Anlass geben.
"Es gibt Aspekte, die eine Hilfspflicht einschränken oder sogar aufheben."
Es gibt natürlich auch Leute, die haben aus irgendwelchen Gründen Phobien oder Ähnliches entwickelt. Auch diese Menschen sind nicht verpflichtet zu helfen, weil es ihnen letztlich nicht zumutbar ist. Ähnliches gilt auch, wenn Sie zum Beispiel gleichzeitig Aufsichtspflicht über eigene Kinder haben, die auch im Wasser spielen, dann ist das für Sie nicht zumutbar. Es gibt also Aspekte, die eine Hilfspflicht einschränken oder sogar aufheben. Aber auch der, der zum Beispiel Angst hat, ist zumindest verpflichtet, andere auf die Notsituation aufmerksam zu machen. Wenn jedoch alle diese Hindernisse nicht vorliegen, muss man reinspringen und versuchen, den in Not Geratenen zu retten. Sie können auch Hilfeleistung erfüllen, indem Sie einen besseren Schwimmer heranholen.
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