Der Zustand des slowakischen Regierungschefs Fico ist nach einer OP weiter kritisch. Gegen den mutmaßlichen Attentäter wird wegen Mordversuchs ermittelt. Die scheidende Präsidentin beklagt einen "Teufelskreis des Hasses."

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Nach dem Attentat auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico schwebt der Politiker weiter in Lebensgefahr. Den Ärzten gelang es zwar, den 59-Jährigen zu stabilisieren, sein Zustand war am Donnerstag aber weiter ernst. Auch ansprechbar war Fico nach Angaben des designierten slowakische Präsidenten Peter Pellegrini.

"Er kann sprechen, aber nur ein paar Sätze", sagte dieser am Donnerstag. "Er ist sehr sehr erschöpft. Die Situation ist noch sehr kritisch." Pellegrini zufolge sei Fico "dem Tod um Haaresbreite entgangen, es hätte genügt, wenn die Schusswunde oder mehrere Schusswunden ein paar Zentimeter weiter gelegen hätten, und wir müssten heute vielleicht über ganz andere Dinge reden."

Gegen den mutmaßlichen Attentäter wurden Ermittlungen wegen vorsätzlichen Mordes aufgenommen. Mit Blick auf die Europawahl im Juni mahnten die scheidende Präsidentin Zuzana Caputova und ihr gewählter Nachfolger Pellegrini, den Wahlkampf vorerst auszusetzen oder zumindest den Ton zu mäßigen.

Fico mit Notoperation nach Schüssen gerettet

Der 59-Jährige Fico war am Mittwoch in der Kleinstadt Handlova von einem Rentner niedergeschossen worden. Schwer verletzt wurde er nach Banska Bystrica geflogen, wo er sich im Krankenhaus einer fünfstündigen Notoperation unterziehen musste. Zuvor sei ein CT-Scan gemacht worden, sagte Krankenhausdirektorin Miriam Lapunikova. Die Folgen seiner Schussverletzungen könnten eine Genesung erschweren, sagte Lapunikova weiter.

In Bratislava kam am Donnerstag der slowakische Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammen. Verteidigungsminister Robert Kalinak sagte anschließend, der Regierungschef sei von vier Kugeln getroffen worden. "Wir haben eine schwere Nacht hinter uns", sagte Kalinak, der in seiner Funktion als Vize-Regierungschef Fico im Amt vertritt.

Täter soll "einsamer Wolf" sein

Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 71-Jährigen aus der Kleinstadt Levice, rund 78 Kilometer südlich von Handlova. Gegen ihn werde wegen versuchten Mordes ermittelt, sagte Innenminister Matus Sustaj Estok.

Es handele sich bei dem Mann um einen "einsamen Wolf", der mit der politischen Entwicklung in der Slowakei unzufrieden sei. Der Innenminister sprach erneut von einem politisch motivierten Angriff. Er sei jedoch kein Mitglied einer radikalisierten politischen Gruppierung, weder einer rechten noch einer linken.

Medienberichten zufolge soll der Verdächtige in der Vergangenheit für einen privaten Sicherheitsdienst gearbeitet und deshalb über einen Waffenschein verfügt haben. Die Tatwaffe habe er legal besessen. In seiner Heimatregion soll er sich als Schriftsteller versucht haben und Mitglied eines Literaturzirkels gewesen sein.

Aufruf zum Ausstieg "aus dem Teufelskreis des Hasses"

Die Behörden prüfen derweil auch, ob Ficos Personenschützer den Regierungschef nicht ausreichend geschützt haben. Entsprechende Ermittlungen "wegen Behinderung der Aufgaben eines Amtsträgers" seien bereits am Mittwoch eingeleitet worden, sagte eine Behördensprecherin der Nachrichtenagentur TASR. Mehrere slowakische Experten kritisierten die Sicherheitsvorkehrungen. Sie rügten unter anderem, dass die Leibwächter unmittelbar nach dem Attentat chaotisch vorgegangen seien.

Unterdessen luden Caputova und ihr Pellegrini die politischen Parteien zu gemeinsamen Gesprächen ein. "Lassen Sie uns aus dem Teufelskreis des Hasses und der gegenseitigen Beschuldigungen aussteigen", appellierte Caputova am Donnerstag in Bratislava. Der Anschlag sei zwar eine individuelle Tat gewesen. "Aber die angespannte Atmosphäre des Hasses war unser gemeinsames Werk."

Die Polizei drohte derweil mit harten Strafen für Beiträge im Internet, "die das Verbrechen gutheißen und Hass verbreiten". Die Behörden hätten den digitalen Diskussionsraum genau im Blick, betonte die slowakische Polizei auf Facebook.

Innenminister Sutaj Estok rief Medien und Öffentlichkeit zur Mäßigung auf und warnte davor, Öl ins Feuer zu gießen. "Man sollte sich sehr gut überlegen, ob es richtig ist, von der Tastatur aus jemandem den Tod zu wünschen oder öffentlich das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten gutzuheißen", mahnte er. Die Polizei habe bereits 32 Fälle von Personen registriert, welche die Tat in den sozialen Medien gutgeheißen hätten. (dpa/thp)

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