• Die durch ihren Kriegsprotest im russischen Fernsehen bekannt gewordene Journalistin Marina Owsjannikowa befürchtet, bei einer Rückkehr in ihre Heimat verhaftet zu werden.
  • "In Deutschland fühle ich mich ziemlich sicher. Aber ich bin ständig Mobbing und Hass in sozialen Netzwerken ausgesetzt", sagt die 44-Jährige.
  • Sie geht davon aus, dass der Krieg in der Ukraine länger dauert.

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Die durch ihren Kriegsprotest im russischen Fernsehen bekannt gewordene Journalistin Marina Owsjannikowa befürchtet, bei einer Rückkehr in ihre Heimat verhaftet zu werden. "Ich kann nicht nach Russland zurückkehren, unter keinen Umständen, denn - soweit ich weiß - werde ich sofort inhaftiert werden", sagte die 44-Jährige der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in einem Interview in Berlin. "In Deutschland fühle ich mich ziemlich sicher. Aber ich bin ständig Mobbing und Hass in sozialen Netzwerken ausgesetzt."

Die damalige Redakteurin des russischen Staatsfernsehens hatte am 14. März in einer Livesendung des Ersten Kanals ein Protestplakat gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine gezeigt. Darauf stand: "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen". Dafür bekam sie weltweit Anerkennung. Der Kreml in Moskau verurteilte die Aktion. Die Journalistin erhielt Geldstrafen.

Marina Owsjannikowa arbeitet nicht mehr für die "Welt"

Nun versuche der Kreml systematisch, ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben, sagte Owsjannikowa der dpa: "Ich bin in einer schwierigen Lage. Der Kreml will allen sagen, glauben Sie dieser Person nicht, sie ist fake, das war kein echter Protest. Als ich noch in Russland war, sagten sie: Sie ist eine britische Agentin. Wenn ich Russland verlasse, sagen sie: Sie ist eine russische Agentin, glaubt ihr nicht." Doch fügte sie hinzu: "Ich bin nicht fake."

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Auch die Ukraine zweifle an ihrer Glaubwürdigkeit. Sie habe dort über russische Kriegsverbrechen berichten wollen, doch habe sie in der Ukraine nicht arbeiten dürfen. Ihre Mitarbeit bei der deutschen "Welt"-Gruppe sei ebenfalls beendet, sagte die Journalistin. "Ich habe keinen Job." Ihre beiden Kinder seien in Moskau, fügte sie hinzu. Ihr Ex-Mann wolle gerichtlich durchsetzen, dass sie Tochter und Sohn nie wieder sehen dürfe. Auf Facebook, Twitter oder Instagram werde sie gemobbt. "Deshalb ist meine Situation sehr kompliziert, aber ich versuche, den Optimismus nicht zu verlieren."

Journalistin geht von langem Krieg in der Ukraine aus

Ihre Protestaktion halte sie nach wie vor für richtig, fügte die Journalistin hinzu. "Ich würde das nochmal tun. Ich nehme nicht eines meiner Wort zurück. Denn mein Protest hat trotz allem einen Effekt gehabt. Ich habe sehr viele Nachrichten von Russen bekommen, die gesagt haben: 'Ja, so ist es. Wir haben darauf gewartet.'" Dass es in Russland kaum öffentliche Kritik am Angriff auf die Ukraine gebe, liege an der Angst vor drakonischen Strafen.

Ein Ende des russischen Kriegs in der Ukraine erwartet die Russin vorerst nicht. "Es wird ohne Unterbrechung für lange Zeit weiter gehen", sagte sie. "Es gibt nur einen Weg, die Lage zu ändern: ein anderer Präsident in Russland." Owsjannikowa äußerte sich am Rande des Women's Forum for the Economy & Society in Berlin. Das ist eine Konferenz, die den Einfluss von Frauen auf die Politik stärken will. Teilnehmerinnen formulierten unter anderem Forderungen an den G7-Gipfel am Wochenende in Elmau. (dpa/okb)


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