- Die Bundesnotbremse sowie Schulschließungen in der Corona-Pandemie waren zulässig.
- Zu diesem Urteil kam das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe.
Die Verfassungsbeschwerden gegen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sind gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht entschied, die Bundesnotbremse sei zulässig gewesen. Sie sei "in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie" mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen, teilte das Gericht in Karlsruhe mit. Trotz der Eingriffe in Grundrechte seien die Regelungen verhältnismäßig gewesen (Az. 1 BvR 781/21 u.a.).
Bundesnotbremse galt seit April und lief Ende Juni aus
Die Notbremse im Infektionsschutzgesetz (Paragraf 28b) war zeitlich befristet und Ende Juni außer Kraft getreten. Der Bund wollte damit sicherstellen, dass überall im Land dieselben Maßnahmen greifen, sobald sich die Corona-Lage in einer Region zuspitzt. Sie musste seit dem 24. April automatisch gezogen werden, wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt mehrere Tage lang die 100 überschritt. Der Wert gibt an, wie viele Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner es binnen einer Woche gibt.
Vorgesehen war dann unter vielem anderem, dass nachts zwischen 22:00 und 5:00 Uhr niemand mehr draußen sein durfte. Nur Sport allein war bis 24 Uhr erlaubt. Außerdem gab es verschiedene Ausnahmen, zum Beispiel in medizinischen Notfällen, wegen des Berufs oder "zur Versorgung von Tieren". Menschen aus einem Haushalt durften sich nur mit einer anderen Person und deren Kindern bis 14 Jahre treffen.
Verfassungsgericht erklärt auch Schulschließungen für rechtmäßig
Auch die Schulschließungen im Frühjahr waren zulässig, wie die Karlsruher Richterinnen und Richter entschieden. Der Bund durfte in der dritten Pandemie-Welle im Frühjahr über die sogenannte Corona-Notbremse Wechselunterricht und Schulschließungen anordnen.
Das Bundesverfassungsgericht wies Klagen von Schülern und Eltern dagegen ab, erkennt aber erstmals ein "Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung" an, wie das Gericht mitteilte (Az. 1 BvR 971/21 u.a.).
Bei der Entscheidung, dass die Schulschließungen dennoch rechtens waren, berücksichtigte das Bundesverfassungsgericht einige konkrete politische Rahmenbedingungen. So hätten dem Recht auf Schule "überragende Gemeinwohlbelange" in Gestalt der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit gegenübergestanden. So habe die Impfkampagne im April dieses Jahres erst richtig Fahrt aufgenommen.
Konkrete politische Rahmenbedingungen sprachen für Rechtmäßigkeit der Maßnahmen
Außerdem seien Schulschließungen erst ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 zulässig gewesen. Zudem seien die Bundesländer verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen, wegfallenden Präsenzunterricht auch während der Geltung der Bundesnotbremse durch Distanzunterricht zu ersetzen.
Wie das Bundesverfassungsgericht weiter entschied, sprach auch die Befristung der Schulschließungen auf gut zwei Monate für ihre Zulässigkeit. So sei gewährleistet gewesen, dass der Schutz von Leben und Gesundheit nicht durch Impffortschritte an Dringlichkeit verliere. Außerdem habe der Bund bereits vor der Verabschiedung der Bundesnotbremse Vorkehrungen getroffen, Schüler in Zukunft möglichst nicht mehr derart zu belasten.
Karlsruher Entscheidung steckt Handlungsspielraum der Politik für die 4. Welle ab
Die Einführung der Notbremse hatte eine Klagewelle in Karlsruhe ausgelöst. Weil die Maßnahmen direkt per Bundesgesetz vorgeschrieben wurden, war der Umweg über die Verwaltungsgerichte nun nicht mehr nötig. Bis zur zweiten Augusthälfte waren beim Verfassungsgericht mehr als 300 Verfassungsbeschwerden und Eilanträge eingegangen - teilweise gemeinschaftlich eingereicht, so dass es mehr als 8.500 Klägerinnen und Kläger gab, wie das Gericht damals mitteilte.
Mit den beiden Entscheidungen des Ersten Senats unter Gerichtspräsident Stephan Harbarth bekommt die Politik auch Hinweise für ihren Handlungsspielraum in der aktuellen vierten Welle. Die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) wollen sich um 13.00 Uhr mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder zusammenschalten, um im Lichte der Karlsruher Beschlüsse über die Krise zu beraten. (dpa/afp/mgb)
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