- Robert Habeck ist Wiederholungstäter, nun macht es auch Co-Parteichefin Annalena Baerbock.
- Pünktlich zur heißen Wahlkampfphase veröffentlicht die grüne Kanzlerkandidatin ein Buch.
- Darin geht es um ihre Überzeugungen, ihre Politik, aber auch ihre Jugend und persönliche Erinnerungen.
Auch wenn das Wort im Titel steckt:
"Ein bisschen Bullerbü auf Norddeutsch", so beschreibt Baerbock die Kindheit im Dorf Schulenburg an der Leine bei Hannover. Dort kauften die Eltern gemeinsam mit Verwandten ein altes Haus und renovierten es jahrelang, wie sie schreibt. "Auf dieser Baustelle mit vier Hektar verwildertem Garten wurde ich mit meinen beiden jüngeren Schwestern und mit meinen Cousinen groß." Die Sehnsucht nach Dorf sei geblieben, schreibt sie, "weswegen mein Einsatz für den Kohleausstieg auch immer ein Kampf für die Dörfer der Lausitz war". Heute wohnt sie mit ihrer Familie in Potsdam bei Berlin.
Zusammenarbeit mit Michael Ebmeyer
Unterstützt bei der Arbeit hat sie der Autor Michael Ebmeyer. Mit ihm, der auch schon an einem Buch von SPD-Außenminister Heiko Maas mitwirkte, habe sie im Dezember und Januar ausführliche Gespräche geführt, wie Baerbock sagt. Auf Grundlage dieser transkribierten Unterhaltungen wiederum habe sie ihr Buch verfasst. Manche Stationen ihres beruflichen und politischen Werdegangs, deren irreführende Darstellung der Autorin zuletzt so viel Ärger bescherten, werden zwar angerissen, ohne jedoch präzise Eckdaten zu nennen.
"Da steckt viel Persönliches drin", sagte Baerbock der Deutschen Presse-Agentur. Denn sie glaube, dass Politik nur aus innerer Überzeugung möglich sei, mit Blick auf die Lebenswirklichkeiten der Menschen und als Teil ihres Alltags. Sie habe deutlich machen wollen, "was so sperrige Themen wie eine sozial-ökologische Marktwirtschaft konkret mit den Menschen in unserem Land zu tun haben." Und mit ihr und ihren Erfahrungen.
Zwiespälte bei der Außenpolitik
Längst haben die Grünen verinnerlicht, dass ökologischer Umbau ohne soziale Absicherung keine Mehrheiten findet und Austausch mit Bossen und Gewerkschaftern auch außerhalb der Solarindustrie nottut. Entsprechend detailliert fallen ihre Ausführungen zum Thema Daseinsvorsorge (Gesundheitswesen, Verkehrsanbindungen, Schulen, Sport) aus. Die Grünen hätten es sich früher ziemlich einfach gemacht, schreibt Baerbock. "Die Parole von den "dreckigen Kohlekonzernen" kam auf jedem Parteitag gut an, bei den Beschäftigten in der Lausitz allerdings weniger."
Die tiefsten Zwiespälte des Buchs klaffen in der Außenpolitik. In der Außenpolitik gebe es Momente, "in denen man entscheiden muss zwischen Pest und Cholera", schreibt die Grünen-Chefin. Gemeint sind Entscheidungen für oder gegen den Einsatz von Waffengewalt, um Menschenleben zu retten. Ausgeschlossen ist der für Baerbock nicht: "Es geht dabei nicht um ein moralisch sauberes Gewissen, sondern darum, durch konkretes Handeln Leid zu mindern und Leben zu retten."
Vor Gefühlen scheut Baerbock sich wenig. "Mir rannen Tränen über die Wangen. Beim Schreiben tun sie das noch heute", berichtet sie von einem Besuch im irakischen Kurdistan, wo sie 2019 jesidische Frauen traf, die von der Terrormiliz IS verschleppt und vergewaltigt worden waren.
Baerbocks Leidenschaft zum Sport
Die stärkste Leidenschaft jenseits der Politik flackert auf, wenn Baerbock über den Sport schreibt. "Denke ich an Sport, denke ich an volle Power, klitschnasse Trikots und Schlammschlachten auf dem Fußballfeld. Und an Doppelsaltos auf dem Trampolin. Sport war mein Leben in der Jugend."
Dann geht es fast ein wenig durch mit der Grünen-Chefin. Vier Seiten lang beschreibt sie Hochs und Tiefs als jugendliche Leistungssportlerin auf dem Trampolin. 1994 habe sie sich das Fußgelenk zertrümmert, kurz vor den deutschen Meisterschaften. "Schmerzen kenn ich doch, aber ich wollte deutsche Meisterin werden in einer Woche", habe sie dem Arzt im Krankenhaus gesagt, der sich wunderte, dass sie nicht aufhörte zu weinen.
Natürlich stecken auch in diesen Erinnerungen politische Lehren; Regeln auf dem Fußballplatz als Übung für das demokratische Miteinander. Sie sei irritiert, wenn Menschen versuchten, Stärke dadurch zu beweisen, dass sie Niederlagen nicht akzeptierten. "Auf dem Platz wärst du damit raus." (dpa/Martina Herzog/awa)
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