Viele zweifeln an der Gerechtigkeit unserer Rechtsprechung. Auch deshalb greifen manche Menschen zum Mittel der Selbstjustiz. So wie am vergangenen Mittwoch, als Angehörige eines Vergewaltigungsopfers den mutmaßlichen Täter zu Tode prügelten. Einige spektakuläre Fälle aus der Vergangenheit zeigen, wie Menschen auf diese fragwürdige Art und Weise Gerechtigkeit erlangen wollen.

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In Baden-Württemberg haben am vergangenen Mittwoch vier Menschen einen 27 Jahre alten Mann totgeprügelt. Der Getötete soll eine junge Frau wenige Wochen zuvor vergewaltigt haben. Bei den Beschuldigten handelt es sich um Angehörige und Bekannte des Vergewaltigungsopfers - ein Fall von Selbstjustiz. Gegen den 27-Jährigen wurde Haftbefehl erlassen. Welche Strafe den vier "Rächern" droht, ist bislang unklar.

Der Fall Kalinka

Der Fall Kalinka sorgte in den vergangenen Tagen ebenfalls für Aufsehen. Vor über 30 Jahren wurde das Mädchen von ihrem Stiefvater missbraucht - Kalinka starb. Aus Mangel an Beweisen stellte die deutsche Justiz ihre Ermittlungen fünf Jahre später ein. Der Vater des Mädchens sah den einzigen Weg für Gerechtigkeit in der Selbstjustiz. Er ließ Kalinkas Stiefvater nach Frankreich entführen. Dort wurde er schließlich wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt. Mit dem Vorwurf der Entführung verurteilte das französische Gericht den Vater zu einem Jahr auf Bewährung - eine eher symbolische Strafe.

Rache für toten Bruder

Im Januar dieses Jahres wurden im Frankfurter Gerichtsviertel zwei Männer getötet. Die Rache für seinen toten Bruder gab der mutmaßliche Täter als Motiv an. Er habe von den Gerichten keine Gerechtigkeit erwartet. Der Bruder war 2007 im Streit um einen Parkplatz erstochen worden. Beschuldigt waren die beiden Männer, gegen die zum Zeitpunkt ihrer Ermordung gerade wieder ein Revisionsprozess lief.

Rentner verübt Selbstjustiz

Für Diskussionen sorgte ein Fall im Jahr 2009, als ein Rentner seinen Vermögensberater aus Speyer an den Chiemsee entführte und ihn tagelang im Keller seines Hauses gefangen hielt. Der Grund: Er fühlte sich um rund 2,4 Millionen Euro betrogen. Im Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Traunstein sprach der Vorsitzende Richter von einem "spektakulären und aufsehenerregenden Fall der Selbstjustiz". Der Entführer wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Als Held gefeiert

Seine Frau und seine beiden Kindern waren bei der Flugzeugkatastrophe von Überlingen am Bodensee im Juli 2002 unter den Opfern. Deshalb erstach ein Russe im Februar 2004 einen Mitarbeiter der Schweizer Flugsicherung Skyguide. Er hatte in dem Flugverkehrsleiter, der in der Unglücksnacht allein im Züricher Kontrollzentrum im Einsatz war, den Hauptschuldigen der Tragödie gesehen. 2005 wurde der Ehemann zu acht Jahren Haft verurteilt - 2007 wurde das Strafmaß auf fünfeinhalb Jahre herabgesetzt aufgrund einer schweren Verminderung der Schuldfähigkeit wegen des Traumas durch den Verlust. Bei seiner Entlassung wurde der Russe in seiner Heimat als Held gefeiert.

Mutter rächt ermordete Tochter

Weil er ihre siebenjährige Tochter ermordet haben soll, verübte die Gastwirtin Marianne Bachmeier 1981 Selbstjustiz. Sie erschoss den mutmaßlichen Mörder in einem Lübecker Gerichtssaal. Die Tat der damals 31-Jährigen löste in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion um Selbstjustiz und den Umgang der Justiz mit Sexualstraftätern aus. Ein Jahr später wurde Bachmeier wegen Totschlags und unerlaubten Waffenbesitzes zu sechs Jahren Haft verurteilt.

(dpa / frei)

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