Er rächte die Vergewaltigung seiner Schwester - und ist nun mit seinem Vater wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt. Nach dem sogenannten Lynchmord vom Oberrhein im vergangenen Jahr beginnt der Prozess. Welche Strafe droht dem mittlerweile 18-jährigen Angeklagten?

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Ein Teenager muss sich nach einem tödlichen Racheakt vor Gericht verantworten. Er und sein Vater sind die beiden Hauptangeklagten. Die Anklage: gemeinschaftlicher Mord. Zudem stehen zwei mutmaßliche Komplizen vor Gericht. Dem damals 17-Jährigen wird vorgeworfen, den mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Schwester in einen Hinterhalt gelockt und mit 23 Messerstichen getötet zu haben. Das 27 Jahre alte Opfer starb noch am Tatort.

Welches Strafmaß erwartet den Jugendlichen? Spielt Selbstjustiz eine Rolle für das Strafmaß? Beeinflusst das öffentliche Interesse an dem Fall eine Urteilsfindung? Strafverteidiger Burkhard Benecken von der renommierten Kanzlei Benecken & Partner beantwortet wichtige Fragen.

Herr Benecken, nach welchem Strafmaß wird der heute 18-Jährige verurteilt werden?

Burkhard Benecken: Der Angeklagte war damals noch 17 Jahre alt. Das heißt, er wird zwingend nach Jugendstrafrecht verurteilt. Das ist für ihn natürlich bezüglich der Strafe sehr viel günstiger, als wenn er Erwachsenenstrafrecht bekäme. Die Höchststrafe ist zehn Jahre. Er kann jedoch kein lebenslänglich bekommen. Im Erwachsenenstrafrecht wäre das anders: Wenn man die Tat als Mord sehen würde, wäre die Höchststrafe lebenslang. Im Jugendstrafrecht gilt das nicht.

Was würde es für das Strafmaß bedeuten, sollte er zum Mord angestiftet worden sein?

Das würde auf jeden Fall berücksichtigt werden, weil die Frage im Mittelpunkt steht: Wer steckt hinter der Tat? Und gerade junge Täter sind leicht beeinflussbar und werden oft von anderen vorgeschickt, manipuliert. Die Richter überprüfen, ob die eigentliche Schuld beim Hintermann liegt, der den Täter manipuliert und angestiftet hat.

Wie würde sich eine Planung des Mordes auf das Urteil auswirken?

Planung wirkt immer besonders straferhöhend. Im Gegensatz zu einer spontanen Tat, die strafmildernd berücksichtigt wird. Wenn der Täter kühl und abwägend vorgeht, das Szenario schon vorher durchdenkt, dann besitzt er eine erheblich höhere kriminelle Energie, als ein Täter, der eine andere Person spontan, beispielsweise im Streit oder im Affekt, umbringt.

In diesem Fall handelt es sich um einen Akt der Selbstjustiz. Was bedeutet das für das Strafmaß?

Das ist für das Gericht sehr schwierig. Es ist natürlich schon ein Unterschied, ob das Opfer vorher einem Familienangehörigen etwas angetan hat oder nicht. Auf der anderen Seite wird das Gericht natürlich aufpassen, diesen Sachverhalt zu betonen, weil man Nachahmer vermeiden möchte. Aber man muss auch klar sagen: Es ist ein Unterschied, ob ich jemanden umbringe, der meine Schwester vergewaltigt hat, oder ob ich eine wildfremde Person umbringe. Es ist menschlich nachzuvollziehen, dass jemand einen großen Hass auf eine solche Person hat und ihr eine Strafe wünscht. Nur hätte in diesem Fall ein ganz anderer Weg beschritten werden müssen, als das selbst durchzusetzen.

Welchen Einfluss hat der öffentliche Druck auf das Urteil?

Die Richter sind wie alle anderen Juristen auch "nur Menschen". Nach meiner Erfahrung kann sich keiner dem öffentlichen Druck bei einer solchen Medienpräsenz ganz verschließen. Das wirkt sich schon irgendwie aus. Ich denke, dass die Richter in diesem Fall größten Wert darauf legen werden, sich noch einmal deutlich zu positionieren: Selbstjustiz ist in Deutschland unzulässig. Es gibt ganz andere Wege, wie Strafanzeige, eine mögliche Nebenanklage, einen Prozess gegen den Vergewaltiger, um dann die entsprechenden berechtigten Interessen durchzusetzen.

Mit welchem Strafmaß muss der 18-Jährige rechnen?

Ich denke, dass er mit einer Strafe zwischen sieben und zehn Jahren zu rechnen hat. Das ist realistisch. Je nach Vorbelastung. Der Richter wird aber wahrscheinlich weniger als zehn Jahre verhängen, weil auch einige Faktoren für den Angeklagten sprechen könnten: zum Beispiel, dass die Schwester von dem Opfer vergewaltigt wurde oder auch, dass ihn jemand möglicherweise zu der Tat anstiftete. Das würde sich alles zu seinen Gunsten auswirken.

Wo wird der mittlerweile 18-Jährige die Strafe absitzen müssen?

Es gibt spezielle Jugendgefängnisse, wo in der Regel Insassen bis zum 21. Lebensjahr einsitzen. Es sei denn, sie haben höhere Strafen zu verbüßen und diese früher angetreten. So sind Manche auch mit Mitte 20 noch im Jugendvollzug. Hintergrund ist der, dass man auf jugendliche Täter anders einwirken möchte. Sie werden besonders betreut. Es gibt geschulte Pädagogen, die sich gerade mit Jugendlichen und jungen Menschen auskennen. Das ist eine ganz andere Art des Vollzuges, als im Erwachsenengefängnis.

Burkhard Benecken ist Rechtsanwalt und im Bereich der Strafverteidigung tätig. Unter anderem vertritt er den Serienstraftäter "Mehmet".
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