Mehr als 31 Jahre nach dem tödlichen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im saarländischen Saarlouis hat der Landtag einstimmig die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen. Der von den Fraktionen der alleinregierenden SPD und der oppositionellen CDU eingereichte Antrag erhielt in einer Plenarsitzung am Mittwoch Stimmen aus allen drei Landtagsfraktionen. Auch die AfD stimmte zu, lehnte die Sitzaufteilung aber ab, weil sie darin kein ordentliches Mitglied ist.

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In den vergangenen Jahrzehnten sei nicht richtig hingeschaut oder gar weggeschaut worden, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Kira Braun. "Das Schweigen hat nun ein Ende", kündigte sie an. Das Land habe damals versagt. Der Landtag wolle nun aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

Das fünfköpfige Gremium soll sich mit dem Umgang der saarländischen Behörden mit dem Anschlag und weiteren ausländerfeindlichen Straftaten zu Beginn der 90er Jahre im Saarland beschäftigen. Es soll Fehler und mögliches Unterlassen aufklären sowie Handlungsempfehlungen geben.

Seit November muss sich der Rechtsextremist Peter S. wegen des Anschlags vor dem zuständigen Oberlandesgericht im rheinland-pfälzischen Koblenz wegen Mordes und versuchten Mordes in 20 Fällen verantworten. Er soll in der Nacht auf den 19. September 1991 mit Gesinnungsgenossen eine Gaststätte in Saarlouis besucht haben.

Die Gruppe soll sich in der Kneipe über die damaligen rassistisch motivierten Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Ostdeutschland unterhalten haben. S. soll sich in der weiteren Nacht zu einer Flüchtlingsunterkunft begeben und im Treppenhaus des Erdgeschosses Benzin vergossen und angezündet haben.

Das Feuer breitete sich mit großer Geschwindigkeit aus und erfasste im Dachgeschoss den 27-jährigen Samuel Yeboah. Er starb an Verbrennungen und einer Rauchvergiftung. Zwei weitere Bewohner konnten sich nur durch einen Sprung aus einem Fenster retten und brachen sich dabei mehrere Knochen. Die übrigen 18 Bewohner entkamen unverletzt.

Nach dem Anschlag blieben die Ermittlungen zunächst ohne Erfolg und wurden eingestellt. Der Fall galt als eines der bekanntesten ungelösten extremistischen Tötungsdelikte Deutschlands. Erst vor gut zwei Jahren wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen.

Zur Festnahme von S. im April 2022 entschuldigte sich der saarländische Polizeipräsident Norbert Rupp dafür, dass "offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit" zur Einstellung der Ermittlungen geführt hätten. Eine Arbeitsgruppe arbeitet seitdem mögliche Versäumnisse auf.

Bisherigen Erkenntnissen zufolge funktionierte die saarländische Polizei in der damaligen Organisationsstruktur - zum Beispiel in der dezentralen Bearbeitung von Tötungsdelikten - in Teilen nicht richtig. Es seien Defizite bei der Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen festgestellt worden. Diese Versäumnisse würden intensiv aufgearbeitet.

Im Juni 2023 wurde ein mutmaßlicher Mittäter in Saarlouis festgenommen. Peter St. soll S. beeinflusst und bestärkt haben. Er habe damals in dem Gespräch in der Kneipe deutlich gemacht, dass er eine Begehung eines solchen Anschlags auch in Saarlouis gutheiße. Ihm wird Beihilfe zum Mord und Beihilfe zum versuchten Mord in 20 Fällen vorgeworfen.



  © AFP

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