Die Malediven sind bekannt für atemberaubende Landschaften, luxuriöse Hotels und Traumstrände. Auf der Insel Maafushi gibt es all das – nur durch eine Mauer getrennt von den Touristen leben Mörder, Schmuggler und Vergewaltiger.
Ein junger Mann fährt Jetski, eine Frauengruppe nimmt gerade eine Surf-Stunde und ein älteres Ehepaar entspannt sich in Strandnähe bei einer Massage auf der Trauminsel Maafushi im Süd-Malé-Atoll der Malediven. Von all diesen Aktivitäten können die Menschen, die wenige hundert Meter weiter leben, nur träumen. Sie sind Gefangene im Maafushi Prison. Es ist eines der härtesten Gefängnisse der Welt, die Einheimischen haben Angst davor.
Maafushi ist eine von knapp 1.200 maledivischen Inseln. Mit dem Rad kann man sie innerhalb von Minuten komplett abfahren: 1.300 Meter lang und 300 Meter breit ist die Mini-Insel. 3.500 Menschen leben hier. Zahlreiche davon im Gefängnis. 800 Insassen werden von den Wärtern bewacht, von denen die meisten ebenfalls hinter den Hochsicherheitsmauern wohnen. Gemessen an der Bevölkerungszahl der Malediven (laut "laenderdaten.info" 521.021 Einwohner, Stand 2023) ist das die siebsthöchste Gefangenenrate weltweit.
Ein Hochsicherheitskomplex auf begrenztem Raum
Groß wie zehn Fußballfelder ist der Hochsicherheitskomplex, umgeben von sechs Meter hohen Mauern, jeder Winkel kameraüberwacht. Eingeteilt sind die Häftlinge in neun Einheiten, sogenannte Units. Die härteste Gangart herrscht in Unit Neun. Es ist zugleich die größte Einheit. Dort sitzen die 300 Männer mit den längsten Haftstrafen, unter ihnen Mörder und Vergewaltiger. Der Hauptanteil jedoch sitzt wegen Drogendelikten. Laut Schätzungen von "Welt Doku" ist jeder zehnte Einwohner der Hauptstadt Malé drogenabhängig. Und das, obwohl Drogenbesitz im muslimischen Staat hart bestraft wird. Selbst geringe Mengen führen zu langen Haftstrafen – auch bei Touristen. Zwei Drittel der Insassen von Unit Neun hat eine Drogenvergangenheit.
Unit Neun wird vor Ort "Pentagon" genannt, wegen einer ähnelnden Bauweise zum Verteidigungsministerium in Arlington (Virginia), USA. Das Maafushi-Pentagon besitzt mehrere Flügel mit jeweils zwei Trakten. Jeder Flügel ist zur Sicherheit mit einer weiteren Mauer umgeben, jeweils fünf Meter hoch. In Unit Neun gibt es keine Chance, aufs Meer zu blicken oder den Strand zu sehen. Ein Trakt ist ein enger Gang, hellgrün angestrichen, alle paar Meter eine Tür. Insgesamt befinden sich in jedem Trakt zehn Zellen.
Zeit für sich? Fehlanzeige. Die Zellen sind maximal 20 Quadratmeter groß. Sie werden geteilt, hier sitzen bis zu fünf Häftlinge ein. Matratzen werden gestellt. Jedoch kein Bettgestell. Auch sonst ist die Zelle äußerst schlicht gehalten. Ein Ventilator, eine Toilette und ein Wasserschlauch zum Duschen. Wer mehr will, muss kreativ werden. Einige Häftlinge nutzen ihre Klamotten als provisorischen Duschvorhang – aufgehängt an einer selbst gebastelten Wäscheleine.
Harter Alltag im Gefängnis
Tagsüber dürfen sich die Gefangenen in ihren engen Trakten frei bewegen. Die Überwachung ist allgegenwärtig. Fünfmal am Tag werden die Gefangenen gezählt, regelmäßige Razzien durch die Wärter gehören zum Alltag.
Betten, Schubladen und selbst Toiletten werden nach verbotenen Gegenständen wie Handys oder Drogen durchsucht. Ab 21 Uhr werden die Zellen verschlossen, die Insassen verbringen die Nacht in beengten Verhältnissen – der schlimmste Teil des Tages.
Besuch von Freunden und Familie ist im Maafushi Prison gestattet, jedoch selten. Die Fahrt mit dem Speedboot von Insel zu Insel ist für die meisten Menschen auf den Malediven zu teuer. Das führt dazu, dass die Insassen kaum mitbekommen, was außerhalb ihrer vier Wände auf der Welt und im Land passiert. Zwar gibt es einen kleinen Fernseher im Gemeinschaftsraum, dort läuft aber nur staatliches Fernsehen ohne kritische Berichterstattung.
Knallharter Alltag mit wenigen Lichtblicken
Die Insassen haben viel Zeit, ihre Handlungen zu reflektieren, die Tage sind monoton. Täglich gibt es drei Mahlzeiten, die so billig wie möglich zubereitet werden. Das Budget des Gefängnisses pro Häftling beträgt 4,80 US-Dollar am Tag – sehr wenig, wenn man bedenkt, dass alles auf die Insel importiert werden muss. In den kleinen Speiseräumen herrschen miserable hygienische Bedingungen: verdreckte Wände, Schimmel an der Decke und alte Wäsche, die zum Trocknen aufgehängt wird, wo gegessen werden soll.
Die einzige Abwechslung besteht im 90-minütigen Hofgang. Auch der Hof ist von hohen Mauern umgeben, ein rostiger Basketballkorb erinnert an bessere Tage, einen Ball jedoch gibt es nicht. Den könnten Gefangene im Kiosk kaufen, leisten kann sich das kaum einer.
Der Kiosk hat einmal die Woche geöffnet und verkauft vor allem Lebensmittel und Hygieneartikel. Der Kiosktag ist ein Highlight für die Insassen. Eine Packung Kekse kostet einen Dollar, eine Schachtel Zigaretten sechs Dollar.
Arbeiten im Gefängnis – ein Privileg
Wer kein Glück hat, Geld von außerhalb geschickt zu bekommen, kann sich im Gefängnis etwas verdienen. Es gibt eine hauseigene Werkstatt mit zwei Bereichen. In der Schreinerei dürfen die Insassen sogar künstlerisch tätig werden, in der Gefängnisgärtnerei ihren grünen Daumen unter Beweis stellen. Die Pflanzen und Kunstwerke werden anschließend auf der Insel verkauft.
Um überhaupt in der Werkstatt arbeiten zu dürfen, gibt es strikte Vorraussetzungen. Die Insassen dürfen sich nichts zu Schulden kommen lassen und keine psychischen Auffälligkeiten zeigen. Wer wegen eines Gewaltdeliktes einsitzt, ist prinzipiell von der Arbeit ausgeschlossen.
Frauen haben eigene Einheit
Die Frauen im Maafushi Prison sind deutlich in der Unterzahl. Gerade mal 30 bis 40 weibliche Häftlinge leben hier. Sie befinden sich, abgeschottet von den Männern, in Unit Eins. Die Wärterinnen legen höchste Priorität auf Disziplin. Die Insassinnen müssen täglich ihre Zelle aufräumen und schrubben. Das wird jeden Tag kontrolliert.
Während einer Zimmerkontrolle dürfen sich die Strafgefangenen nicht bewegen. Auch auf ordentliche Bekleidung wird geachtet. Besonders wichtig ist, dass regelmäßig die Fingernägel geschnitten werden. Dies hat einen religiösen Hintergrund, lange Nägel gelten als unrein.
Die Frauen dürfen im Gegensatz zu den Männern zweimal täglich in den Hof. Dafür müssen sie immer ihre Matratzen mitschleppen und in die Sonne legen – eine Hygienemaßnahme der Anstalt.
Der Zusammenhalt unter den Insassinnen ist groß. Die Frauen bringen sich beispielsweise gegenseitig bei, wie man liest und schreibt. Mist bauen möchte hier niemand, als Strafe drohen mindestens 24 Stunden in einer Isolationszelle.
Wärter haben es kaum besser als Gefangene
Die meisten Wärter leben kaum luxuriöser als die Insassen. Viele wohnen zehn Monate im Jahr selbst im Gefängnis, nur durch eine Mauer vom Gefangenentrakt getrennt. Nur zwei Monate dürfen sie nach Hause zur Familie. Dafür haben sie im Landesvergleich einen gut bezahlten Job und können ihren Familien regelmäßig Geld schicken.
Der Umgang mit den Straftätern ist für sie keinesfalls ungefährlich. Waffen sind nicht erlaubt. Genauso wenig wie Handys und Bargeld. Nur Handschellen sind am Körper zu tragen. Die Wärter sind gezwungen, sich vor Dienstantritt täglich gegenseitig zu durchsuchen. Auch bei ihnen werden die Fingernägel kontrolliert. Vor jeder Schicht leisten sie einen Eid auf Staat und Allah.
Eine besondere Aufgabe kommt den Wärtern zu, die die Gefangenen der anderen Inseln nach Maafushi bringen. Dafür nutzen sie ein spezielles Schiff, eine Art schwimmendes Gefängnis mit Zellen unter Deck – ohne Fenster, mit dicken, aus extra verstärktem Material bestehenden Gitterstäben. Eine Flucht übers Meer ist praktisch nicht möglich.
Flucht für die Geschichtsbücher
Fluchtversuche aus Maafushi gibt es aber immer wieder. Aussichtsreich sind sie nie. Die Insel ist schlicht zu klein, um sich zu verstecken. Die nächstgelegene, bewohnte Insel ist vier Kilometer entfernt. Bis zur Hauptstadt Malé sind es 30 Kilometer. Zu weit, um die Strecke zu schwimmen. Von hier weg kommt man nur mit dem Boot oder dem Wasserflugzeug. Selbst wenn man es auf eine der Nachbarinseln schafft: Untertauchen auf den Mini-Inseln ist nahezu unmöglich.
Nur einmal ist es Gefangenen gelungen, aus Maafushi zu fliehen. Ob sie tatsächlich entkommen konnten oder auf dem offenen Meer ertrunken sind, ist bis heute unklar. Die meisten Insassen hingegen verbringen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinter den hohen Mauern des Gefängnisses – fernab von der Welt, die nur wenige hundert Meter weiter im puren Luxus schwelgt.
Paradies und Härte, Freiheit und absolute Kontrolle – auf der maledivischen Trauminsel Maafushi so nah beieinander wie kaum irgendwo sonst.
Verwendete Quellen
- Welt Doku: KNAST IM PARADIES: MALEDIVEN - Das Maafushi Gefängnis - Totale Überwachung & knallharte Regeln
- urlaubsguru.de: Gefängnisinsel Maafushi auf den Malediven
- sn.at: Malediven: Zugedröhnt unter tropischer Sonne
- länderdaten.info: Malediven
- wikipedia.org: Liste der Länder nach Gefängnisinsassen
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