Was an diesem Prozesstag im Ingolstädter Landgericht passiert, grenzt an Chaos. Eigentlich sollten die Verteidiger der beiden Angeklagten, Sharaban K.B. und Sheqir K., heute mit den Verteidigungsplädoyers beginnen. Stattdessen geht es plötzlich um die Frage, ob der Prozess platzen könnte. Über einen besonders skurrilen Fall und einen Prozess, der die Augenbrauen immer wieder in die Höhe schnellen lässt.

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Der Prozesstag zum sogenannten Doppelgängerinnenmord am Ingolstädter Landgericht endet an diesem Dienstag nach 18 Uhr, wie er um 9.30 Uhr begonnen hat: Mit der Frage, ob der Richter befangen ist - und ob das Verfahren ausgesetzt wird.

Das könnte auch bedeuten, dass der Verhandlung, die bereits rund 50 Prozesstage dauert, über 500.000 Euro gekostet haben soll und eigentlich vor den abschließenden Plädoyers steht, komplett neu aufgezogen werden muss. Aber der Reihe nach.

Doppgelgängerinnenmord: Was wird verhandelt?

  • Die beiden Angeklagten Sharaban K.B. und Sheqir K. sollen zusammen die 23-jährige Khadidja O. aus Eppingen in Baden-Württemberg mit 56 Messerstichen getötet haben.
  • Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die angeklagte Frau wegen Familienstreitigkeiten ein neues Leben beginnen wollte.
  • Deshalb soll sie im Internet eine Doppelgängerin gesucht und diese mit ihrem Komplizen umgebracht haben. Die Angeklagte habe so ihren eigenen Tod inszenieren wollen.
  • Die Eltern der Angeklagten fanden damals die getötete Frau im Auto ihrer Tochter - und nahmen zuerst an, es handle sich um Sharaban K.B.
  • Dieses Narrativ wurde zunächst auch von der Presse aufgenommen, doch schnell wurde klar: Bei Sharaban K.B. handelte es sich nicht um das Mordopfer, sondern um eine mögliche Täterin. Die junge Frau wurde daraufhin polizeilich gesucht. Schließlich konnte sie in Ingolstadt verhaftet werden, nachdem sie der Besitzer eines Pizzaservices erkannt hatte.

Die Stimmung in Saal 11 des Ingolstädter Landgerichts ist aufgeheizt. Eigentlich sind für diesen Tag die Plädoyers der Verteidigung angesetzt. Stattdessen stellen die Anwälte der Angeklagten einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Der Grund: Ein Hinweis des Gerichts, dass eine Sicherheitsverwahrung nach Absitzen der Haft möglich ist, sei nicht in gesetzlich vorgeschriebener Form (nach Paragraf 265 StPO) erfolgt. Einfach erklärt: Der Hinweis sei zu spät gekommen, die Verteidigung habe ihre Strategie nicht anpassen können.

Anträge, viele Anträge und zwischendrin ein Schlagabtausch

Nach einer etwa 90-minütigen Unterbrechung kehrt das Gericht zurück - und weist die Anträge zurück. Die Verteidigung fordert sofort erneut eine Unterbrechung und stellt weitere Anträge. Nach längeren Diskussionen zieht die Strafkammer ihren Hinweis zu der Möglichkeit einer späteren Sicherungsverwahrung zurück. Eine Verwahrung komme nach der bisherigen Beweisaufnahme nicht in Betracht, konkretisiert der Richter.

Dennoch: Am Ende stellt die Verteidigung einen Antrag auf Befangenheit des Richters. Am nächsten Verhandlungstag (26. November) wird die Strafkammer entscheiden, ob dem Befangenheitsantrag stattgegeben wird.

Der ganze Verhandlungstag ist zäh und von vielen Unterbrechungen gekennzeichnet. Zu den Anträgen und Beratungsgesprächen der Gegenseite merkt die Staatsanwältin im Laufe des Tages an: "Man kriegt fast den Eindruck, die Verteidigung will ihr Schlussplädoyer hinauszögern." Die Verteidigung weist diesen Vorwurf, es handle sich um eine Verzögerungstaktik, entschieden zurück - und stellt weiterhin Anträge, auch auf Unterbrechungen, um sich mit der Mandantschaft oder untereinander zu besprechen. Zuvor hat es bereits einen Schlagabtausch zwischen ihr und der Verteidigung gegeben, nachdem diese den Antrag der Gegenseite als "lachhaft" abgetan hatte. Die Beweisführung der Staatsanwaltschaft sei lachhaft, lautet der Konter der Gegengerade.

Stammbesucherinnen auf den Zuschauerrängen

Die Zuschauer beobachten das Hin und Her irritiert bis belustigt. Es sind überwiegend Frauen, die an diesem Dienstag im Gericht sitzen. Viele von ihnen sind nicht zum ersten Mal hier. "Es ist wie ein Virus, das uns infiziert hat", sagt eine von ihnen in der Schlange vor dem Gerichtssaal vor Prozessbeginn. Sie und ihre Bekannten verpassen seit Monaten keinen einzigen Tag.

Inzwischen haben sich einige von ihnen angefreundet. Man sieht sich ja oft. Eine Stunde, bevor das Landgericht öffnet, stehen sie an den Verhandlungstagen zusammen in der Schlange, um einen möglichst guten (oder überhaupt einen) Sitzplatz zu bekommen. Seit Monaten verbringen sie die teils langen Unterbrechungen miteinander - Gesprächsstoff gibt es genug. Die Unterhaltungen reichen von Nusseckenrezepten, die man miteinander in der Mittagspause tauscht, über Beobachtungen während des Prozesses bis hin zu juristischen Fragestellungen.

Der Prozess um den Doppelgängerinnenmord beschäftigt viele Menschen von Anfang an. Es liegt vor allem daran, dass der mutmaßliche Tathergang einem Hollywooddrehbuch entsprungen sein könnte. Und daran, dass es auch vor Gericht zu teils bizarren Wendungen und Aussagen kommt.

Magie, vermeintlicher Auftragsmord und mehr: Was im Laufe des Prozesses besprochen wurde

Wer dachte, es geht nicht düsterer und absurder, kennt nicht die Details, die im Laufe des Prozesses vor Gericht besprochen werden:

  • Da geht es um eine vermeintliche "Todesliste", die der Angeklagte im Gefängnis geschrieben haben soll, auf der Namen von Zeugen stehen sollen.
  • Es geht um damals, als die Angeklagte einem Mann 10.000 Euro geboten haben soll, damit er ihren Schwager mit Tabletten tötet und im Starnberger See versenkt, es aber wie einen Unfall aussehen lässt. Als dieser Mann in den Zeugenstand tritt, sagt er, er habe den Auftragsmord nicht begangen, aber eine Anzahlung dafür erhalten.
  • Und dann gibt es den Prozesstag, an dem eine Art Magier in den Zeugenstand gerufen wird. Er spricht über einen Zettel, der im Auto, in dem die getötete Khadidja O. von den Eltern der Angeklagten entdeckt wurde. Auf diesem Zettel habe er Buchstaben in seiner eigenen Geheimsprache geschrieben. Im Zusammenhang damit wurde vor Gericht die Frage thematisiert, ob es sich bei der Tat um ein Menschenopfer gehandelt haben könnte, das die Angeklagte erbringen sollte, um ihren Ehemann zurückzugewinnen.

Das sind nur einige der vielen Ungereimtheiten in einem Mordprozess, der immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat. In den Hintergrund gerät dabei - genauso wie an diesem Verhandlungstag am Ingolstädter Landgericht -, dass ein Mensch getötet worden ist. Sicher ist: Das letzte Wort im Doppelgängerinnenmordprozess ist noch nicht gesprochen - weiter geht es am 26. November.

Verwendete Quellen

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