- Wir haben unsere Leser und Leserinnen nach ihrer Geschichte in der Corona-Pandemie gefragt.
- Was sind ihre größten Sorgen im Alltag? Was wünschen sie sich von der Regierung?
- Eine von ihnen ist Manuela. Sie berichtet, wie sie als Alleinerziehende den Spagat zwischen Beruf "Altenpflegerin" und Homeschooling schafft.
Manuela* kommt aus einer Kleinstadt in Mittelfranken und ist alleinerziehende Mutter einer Tochter sowie eines Sohnes – beide minderjährig und schulpflichtig. Sie arbeitet als examinierte Altenpflegerin in einem Altenheim unter einem katholischen Träger und war mit den dortigen Bedingungen zufrieden – bis im März 2020 das Coronavirus auch Deutschland mit voller Wucht erreichte.
Sie erzählt uns, inwiefern die Pandemie ihren Alltag beeinflusst hat, welche Sorgen sie momentan hat und was sie sich von der Regierung wünscht.
Manuela: So hat die Corona-Pandemie auf mein Leben Einfluss genommen
Für mich war das ein krasser Einschnitt. Mir fiel zuerst das Minimieren der Kontakte sehr schwer. Nur eine Kontaktperson? Man braucht doch Abwechslung, gerade die Kinder. Hinzu kommt das Homeschooling.
Es war sehr kompliziert, mit dem Arbeitgeber eine Einigung zu finden. Der hat uns (Arbeitnehmer, Anm. d. Red.) vor die Wahl gestellt: "Entweder ihr bringt die Kinder hierher auf die Arbeit, sodass sich die Betreuungskräfte (der alten Menschen, Anm. d. Red.) um sie kümmern, oder ihr bleibt unbezahlt zu Hause." Wer kann sich das leisten?
Und wenn ich mich dann mit den Kindern zu Hause hinsetze, merke ich, dass sie nicht ausgelastet sind. Die haben überhaupt keinen Anstand mehr und hören nicht mehr auf mich. Denen fehlt diese Respektsperson in Form eines Lehrers.
Jetzt müssen wir (Eltern, Anm. d. Red.) den Job übernehmen. Zum Glück ist mein Großer relativ selbstständig, aber er macht auch nicht alles. Ich bekomme dann zum Beispiel von der Lehrerin immer nette Emails, wie viele Aufgaben noch fehlen.
Auch auf der Arbeit bedeutet die Pandemie eine enorme Umstellung für mich. Ein Problem war das strenge Besuchsverbot. Der Großteil der Bewohner ist dement und versteht deshalb teilweise nicht, wenn Angehörige nur für eine halbe Stunde bleiben dürfen.
Sie werden dadurch unvermittelt aus ihrem Tagesgeschehen gerissen – zum Beispiel, wenn sie mit den Präsenzkräften in der Stationsküche kochen oder backen. Außerdem entwickeln sich bei den alten Menschen Gedanken wie "Was habe ich falsch gemacht? Sind die sauer auf mich?"
Gerade in der Nacht macht sich das dann bemerkbar. Denn dann kommen die Heimbewohner zur Ruhe und beginnen, den hektischen Tag zu verarbeiten. Nicht selten kommt es vor, dass sie weinen und aus ihren Zimmern wollen.
Wir (Pflegekräfte, Anm. d. Red.) rennen dann die ganze Nacht zwischen den 75 Bewohnern nur hin und her und versuchen die irgendwie zu beruhigen. Vor der Corona-Pandemie war das alles noch handhabbar, der Personalschlüssel passte. Aber jetzt: Irgendwann kannst du nicht mehr, das kratzt an deiner eigenen Substanz.
Davor habe ich derzeit am meisten Angst
Dass mein Arbeitgeber mich irgendwann kündigt, weil ich meine beiden Kinder und die Arbeitszeiten nicht unter einen Hut bekomme.
Außerdem hängen meine Kinder wegen des Homeschoolings in der Schule hinterher. Mein großer Sohn hat jetzt dienstags und donnerstags noch extra Unterricht am Nachmittag, damit sie den Stoff von der fünften Klasse nochmal festigen.
Das gibt mir momentan am meisten Hoffnung
Momentan nicht viel. Ich hoffe, dass die Inzidenz nicht wieder an die 100 geht. Außerdem bin ich der Meinung, dass das Homeschooling meinem Sohn in einer Sache doch ganz guttut: Weil sie aus Datenschutzgründen nicht die Kamera anmachen dürfen, redet er jetzt viel mehr. In der Schule war er eher der Schüchterne und hat sich kaum getraut.
Das läuft/lief in Deutschland im Umgang mit der Corona-Pandemie am meisten schief
Dieses Hin und Her mit den Schulschließungen. Jede Schule kann für sich entscheiden, jeder Bezirk kann für sich entscheiden. Es gibt keine einheitlichen Regelungen. Wenn die Bundesregierung sagt, ab einer Inzidenz von X sollen Schulen und Kitas geschlossen werden, dann soll das auch so passieren – und nicht, dass die Grundschule ein oder zwei Wochen später schließt als die Mittelschule.
Und über Notbetreuungssysteme in den Kindergärten kann ich nur lachen. Kitas, die von halb acht bis halb eins für die Kinder öffnen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten. Diesen systemrelevanten Beruf mit diesen Uhrzeiten will ich sehen. Jeder Polizist, Rettungssanitäter und Pfleger fängt spätestens um sechs Uhr mit Arbeiten in der Frühschicht an.
Kurz und knapp: Das würde ich den handelnden Politikern beziehungsweise der Regierung aktuell gerne sagen
Dass sie überhaupt keine gute Arbeit leisten. Sie machen ihre eigene Wirtschaft und die Menschen kaputt. Wie viele haben ihre Arbeitsplätze verloren? Wie viele haben Existenzangst und bekommen ihre November-Hilfen zu spät ausgezahlt?
Für mich sind das (Politiker, Anm. d. Red.) Menschen, die in schicken Anzügen im Bundestag sitzen und sich immer noch über zu niedrige Diäten beschweren. Diese sollten nur einen Tag meines Alltags miterleben. Das Klatschen können sie sich sparen.
In drei Worten: So fühle ich mich
Erschöpft, nachdenklich und depressiv.
Hören Sie hier in unserem Audioformat, welcher Tag Manuela besonders in Erinnerung geblieben ist
Wie erging es Ihnen bisher in der Corona-Pandemie?
Wie hat Sie die Pandemie persönlich getroffen? Was ist derzeit Ihr größtes durch die Coronakrise verursachtes Problem? Wie gehen Sie gefühlstechnisch damit um? Was müsste aus Ihrer Sicht gemacht werden, damit sich das ändert?
Gerne können auch Sie Ihren persönlichen Fall beziehungsweise individuellen Umgang mit der Corona-Pandemie schildern. Schreiben Sie uns! Unter "Kontakt in die Redaktion" unter diesem Artikel haben Sie die Möglichkeit, uns Ihre Fragen zu stellen oder Ihre Geschichte zu erzählen.
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