Zu Beginn der Corona-Pandemie befürchteten Experten: Wenn das Virus erst einmal den afrikanischen Kontinent erreicht, gibt es verheerende Zahlen an erkrankten Menschen und Toten. Doch die Katastrophe blieb bislang aus, bis auf Südafrika und vereinzelte Hotspots kommt der Kontinent bislang gut durch die Krise. Doch woran liegt das?

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Südafrika ist der momentane Corona-Hotspot in Afrika. 638.000 Corona-Erkrankte zählt der Staat. Ansonsten breitet sich die Pandemie auf dem afrikanischen Kontinent nur langsam aus. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass in vielen Ländern frühzeitig Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wurden und Reisebeschränkungen, Ausgangssperren und Schulschließungen die Ausbreitung des Virus zunächst verzögern konnten", sagt "Gemeinsam für Afrika"-Sprecherin Susanne Anger. Die Hilfsorganisation ist ein Zusammenschluss verschiedener Entwicklungs- und Hilfsprojekte, die sich für bessere Lebensbedingungen in Afrika einsetzen und die Menschen vor Ort unterstützen. Auch in der Corona-Pandemie sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Ländern unterwegs.

Ein weiterer Vorteil des afrikanischen Kontinents: Er ist Epidemien und Seuchen gewohnt. "Es konnten zum Teil auch schnell etablierte Strukturen gegen Seuchenausbrüche aktiviert werden." Dennoch betont die Sprecherin, dass man nicht davon reden könne, dass die meisten Länder gänzlich verschont blieben. "Außerhalb von Südafrika stiegen die Infektionszahlen zwar nicht so explosionsartig an, wie befürchtet, dennoch haben die Infektionszahlen in Afrika die Million Anfang August überschritten." Zwar würde die Anzahl an Infektionen in einigen bevölkerungsreichen Ländern zurückgehen, in Teilen Ost- und Nordafrika würden sie aber wieder stärker ansteigen.

Niedrige Covid-19-Todesrate liegt am Alter der Menschen Afrikas

Und trotzdem hat Afrika im Vergleich zu den USA und Südamerika weitaus weniger Todesfälle zu verzeichnen – und dass, obwohl die hygienischen Standards in den westlichen Ländern Europas und Amerika weitaus fortgeschrittener sind. Auch hier kennt Susanne Anger die Gründe: "Die geringere Todesrate ist vermutlich auf das junge Durchschnittsalter zurückzuführen, mehr als 60 Prozent der Bevölkerung Afrikas ist in einem Alter unter 25 Jahren." Ebenfalls zu bedenken wäre die geringe Dichte der Tests. Man müsse in Afrika von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. "In Südafrika wurden beispielsweise laut des Südafrikanischen Rats für medizinische Forschung (SAMRC) bis Mitte Juli um 59 Prozent mehr natürliche Todesfalle registriert als im Vorjahr. Für die Forscher deutet dies auf eine höhere Zahl von tatsächlichen COVID-19-Opfern hin sowie auf vermehrte Todesfälle durch andere Krankheiten, deren Behandlung während der Corona-Pandemie gefährdet ist", so Anger.

Wirklich valide Aussagen über das wahre Ausmaß der Pandemie und die Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme sind derzeit also nur schwer zu treffen. Die meisten COVID-19-Infektionen auf dem afrikanischen Kontinent gibt es laut Erhebungen der WHO in Südafrika, Ägypten, Nigeria, Äthiopien, Ghana und Algerien. Die Fälle in Südafrika machen mehr als die Hälfte der von der WHO ermittelten Infektionen in der afrikanischen Region aus. "Während die Hotspots zunächst in den großen Städten waren, breitet sich die Pandemie jetzt auch in ländlichen Gebieten stärker aus", sagt die "Gemeinsam für Afrika"-Sprecherin.

Ägypten auf Platz zwei der am stärksten betroffenen Länder

Auch wenn in den afrikanischen Ländern mit starkem Tourismus verhältnismäßig früh der internationale Flugverkehr unterbrochen und ein nationaler Lockdown beschlossen wurde, konnte Ägypten die Pandemie nicht aufhalten. Das beliebte Urlaubsland verzeichnete am 31. August 98.727 Covid-19-Fälle und 5.399 Tote. Somit landete das Tourismus-Paradies auf Platz zwei der am stärksten betroffenen Staaten in Afrika. Kenia und Namibia konnten die Ausbreitung etwas besser in Schach halten, aber auch sie kämpfen mit der Corona-Pandemie.

So gut die Zahlen auf den ersten Blick klingen, das Bündnis "Gemeinsam für Afrika" ist sehr besorgt. "Die derzeitige Lage vor Ort ist vor allem deshalb dramatisch, weil in vielen afrikanischen Staaten Millionen Menschen, die ohnehin von Hunger, Armut und den Auswirkungen von Konflikten betroffen sind, von den "Nebenwirkungen" der Pandemie schlimmer getroffen werden als vom Virus selbst."
Die Corona-Pandemie wirke geradezu als Katalysator für bestehende Krisen auf den Nachbarkontinent: "Durch Ausgangssperren und Reisebeschränkungen verlieren viele Menschen ihre Einkünfte, die Unterbrechung der Lieferketten führt zu Versorgungsnöte und durch Schulschließungen ist die Zukunft einer ganzen Generation in Gefahr."

Corona nicht die einzige Katastrophe

Doch nicht nur das: Der Kontinent, in dem Millionen von Menschen Hunger leiden, kämpft derzeit noch mit weiteren Brandherden. Die Bäuerinnen und Bauern in Ostafrika leiden massiv unter einer Heuschreckenplage, die komplette Ernten vernichtet. In Zentralafrika wütet derzeit laut Susanne Anger die größte Masernepidemie der Welt, im Osten Afrikas greift Cholera um sich und in der Republik Kongo gab es Anfang Juni einen erneuten Ebola-Ausbruch. "Die Corona-Pandemie erschwert den Kampf gegen diese und weitere Krankheiten zusätzlich und bindet Ressourcen in der sowieso schlechten Gesundheitsversorgung." Laut Anger warnen Experten davor, dass aufgrund der Pandemie in diesem Jahr mehr als doppelt so viele Menschen in Afrika an Malaria sterben könnten.

Über die Expertin: Susanne Anger ist Sprecherin für GEMEINSAM FÜR AFRIKA. GEMEINSAM FÜR AFRIKA ist ein Zusammenschluss von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, die sich für bessere Lebensbedingungen in Afrika einsetzen. Mit Bildungs- und Kampagnenarbeit will GEMEINSAM FÜR AFRIKA ein größeres öffentliches Bewusstsein für globale Zusammenhänge und die Notwendigkeit der weltweiten Armutsbekämpfung schaffen.

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