- Toxische Beziehungen schwanken permanent zwischen Glück und Katastrophe.
- Betroffene leiden, doch finden oftmals keinen Ausweg.
- Wer in solch einer Dynamik feststeckt, muss viel aushalten – und an sich selbst arbeiten.
Es ist ein Gefühl, als wenn das Duschwasser plötzlich von heiß auf kalt wechselt. In einem Moment sitzt man einem liebevollen und empathischen Menschen gegenüber, von dem man glaubt, er sei der oder die Richtige. Im nächsten Moment muss man sich von ihm oder ihr hämische, verletzende Kommentare anhören.
Man fühlt sich erniedrigt und verletzt. Partnerschaften, in denen solche Temperatursprünge immer wieder ohne Vorwarnung stattfinden, nennt man toxisch. "Diejenigen, die sich in einer toxischen Beziehung befinden, idealisieren den Partner und verteidigen ihn dem Umfeld gegenüber", sagt Gabriele Leipold, Ehe-, Paar- und Sexualtherapeutin in München.
Toxische Beziehungen folgen einem Muster
"Toxische Beziehungen sind im Kern dysfunktionale Beziehungen", sagt der Paartherapeut Andreas Kirsche aus Hamburg. Sie würden in der Regel nach einem Muster funktionieren - oder eben auch nicht funktionieren: Die Bedürfnisse des einen Partners stehen im Vordergrund und werden dominant eingefordert. Der andere Partner hat die Aufgabe, diese Bedürfnisse zu erfüllen.
Was erschreckend klingt, kommt jedoch nicht selten vor. Aber was sind das für Menschen, die in toxischen Beziehungen landen und festhängen?
Emotionaler Mangel in der Kindheit
"Man kann grob sagen, dass diese Menschen häufig in der Kindheit einen starken emotionalen Mangel erlitten haben", erklärt Kirsche. Leipold fügt hinzu, dass es sich oft um Menschen mit geringem Selbstwertgefühl handelt, die den schwachen Part in einer solchen Beziehung einnehmen. Das könnten zum Beispiel frisch Getrennte oder Langzeitarbeitslose sein.
Der Begriff toxische Beziehung bezeichnet dabei nicht etwas völlig Neues: "Früher nannte man toxische Beziehungen einfach unglückliche Beziehungen. Es gibt sie schon immer", sagt Sabine Lahme. Sie ist Mediatorin und Psychologische Beraterin in Düsseldorf.
Betroffene verwechseln Leid mit Liebe
Steckt man selbst in einer solchen Beziehung, merkt man das oft nicht sofort. Um die Zeichen zu erkennen, muss man genau hinschauen: "Betroffene verwechseln tiefes Leid mit intensiver Liebe, fühlen sich durch die Beziehung eher geschwächt als gestärkt, ordnen sich immer mehr unter und zweifeln an ihrer eigenen Wahrnehmung", zählt Christian Hemschemeier auf. Er ist Diplom-Psychologe in Hamburg.
Kirsche beschreibt toxische Beziehungen so: "Es gibt einen ständigen Wechsel zwischen Paradies und Katastrophe. Intensive Liebesgefühle und drohende Trennung liegen manchmal nur Stunden auseinander."
"Es ist kaum möglich, toxische Beziehungen auf Dauer erträglich zu gestalten", sagt Leipold. Selbst wenn sich der narzisstisch veranlagte Partner professionelle Hilfe suche, sei es so gut wie unmöglich, die Persönlichkeitsstörung zu heilen.
Eben so schwer sei es, den Partner überhaupt zu einer Therapie zu bewegen. "Zum Gelingen oder Scheitern einer Beziehung gehören jedoch immer zwei", sagt Lahme. Beide müssten an der Beziehung arbeiten, wenn sie fortbestehen soll.
Klare Grenzen und Selbstfürsorge sind wichtig
Entscheidet man sich dafür, die Beziehung fortzusetzen, sollte man dabei auf folgende Verhaltensweisen achten: klare Grenzen setzen, nicht in die Defensive geraten, die Fähigkeit entwickeln, sich selbst zu beruhigen und lernen, für diesen Trost nicht auf den anderen angewiesen zu sein.
Wenn Betroffene dies schaffen und sich nicht mehr nur als Opfer sehen, sei ein großer Teil der eigenen Heilung vollzogen, meint Leipold. Am Ende dieses Prozesses steht dann meist die Trennung.
Und wie stellt man sicher, nicht noch einmal in eine solche Beziehung zu geraten? "Gute Freunde können gebeten werden, zu möglichen zukünftigen Partnern ihre ehrliche Meinung abzugeben", rät Leipold. Sie rät außerdem dazu, eine neue Liebe nicht zu überstürzen: "Sie sollte so lange zurückgestellt werden, bis eine klare Sicht auf die vergangene Beziehung und die eigene Beteiligung daran möglich ist." (dpa/kad)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.