Eine Fehlgeburt bedeutet einen schmerzvollen Verlust für ein Paar. Viele Frauen kämpfen mit dem Gefühl, versagt zu haben. Dabei sind Fehl- oder Totgeburten viel häufiger, als die meisten denken. Und es gibt Hilfe für Betroffene.

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Mittlerweile sprechen viele prominente Frauen in der Öffentlichkeit über ihre Fehlgeburten. Darunter zum Beispiel die Tochter des Sängers Chris de Burgh, Rosanna Davison, die 14 Fehlgeburten verkraften musste, oder die Influencerinnen Anna Adamyan und Fiona Erdmann. Beide ließen ihre Followerinnen und Follower nach einer Fehlgeburt an ihren Gefühlen teilhaben.

Dass Prominente darüber sprechen, ist wichtig für andere Frauen. Denn viele Frauen erleiden Fehlgeburten - viel mehr, als die meisten denken. Doch noch immer sprechen wenige darüber.

So häufig passieren Fehlgeburten

Zwischen 30 und 50 Prozent aller Schwangerschaften gehen schon in den ersten Wochen zu Ende - oft, ohne dass die Mütter wissen, dass sie schwanger waren. "Ist das erste Vierteljahr überstanden, verlieren nur noch etwa drei bis vier Prozent der Frauen, die dann noch schwanger sind, ihr Baby", sagt Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte.

Die Ursachen seien unterschiedlich: Bei den frühen Fällen sind es häufig Fehlbildungen mit genetischer Ursache oder Fehlbildungen der Gebärmutter. Bei den späteren Fehlgeburten können häufig auch Störungen der Plazenta die Ursache sein. Ebenso problematisch sind hoher Nikotinkonsum und frühere Operationen am Gebärmutterhals.

Der medizinisch übergeordnete Begriff für Fehlgeburten ist "Abort". Es gibt Frühaborte im ersten und Spätaborte im zweiten Trimester. Der Begriff "Fehlgeburt" bezeichnet aber auch die Situation, in der eine Schwangerschaft mit Wehen und einem Geburtsvorgang zu Ende geht, das Baby aber außerhalb der Gebärmutter noch nicht leben kann. Wog das Baby über 500 Gramm oder wurde die 24. Schwangerschaftswoche erreicht und das Kind war damit lebensfähig, spricht man laut Albring von einer Totgeburt.

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Eine Fehlgeburt ist also nichts Seltenes, trotzdem spricht man nicht darüber. Aber warum? "Der Tod ist generell in unserer Gesellschaft ein Tabu", sagt Daniela Nuber-Fischer, Familienberaterin und Trauerbegleitung für sogenannte Sterneneltern aus München.

"Wir wollen damit nichts zu tun haben, nach dem Motto: 'Wenn wir nicht darüber reden, dann existiert es nicht.'" Das gelte umso mehr für den Tod am Lebensanfang. "Wir wollen lieber das Bild von der immer glücklichen werdenden Mutter sehen."

Ein Kind zu verlieren, das schon mehr oder weniger lang erwartet wird, ist schmerzhaft. "Viele Frauen, die eine Fehlgeburt hatten, begleitet dieser Verlust ihr Leben lang", sagt Christian Albring. "Passiert das mehrmals, berührt es immer stärker das Selbstbewusstsein, weil bei jeder erneuten Schwangerschaft die Befürchtung mitschwingt, gar kein Kind mehr bekommen zu können." So fällt die Trauer mit der Furcht zu versagen zusammen.

"Es ist nicht selten, dass Frauen in dieser Phase eine psychotherapeutische Begleitung brauchen."

Christian Albring, Frauenarzt

Wann man ein solches Schicksal öffentlich machen sollte und wie, muss jedes Paar für sich entscheiden. "Und alle, die darüber urteilen, maßen sich ein Urteil an, das ihnen nicht zusteht", betont Daniela Nuber-Fischer.

Offen mit einer Totgeburt oder Fehlgeburt umzugehen, ist nicht für jedes Sterneneltern-Paar die passende Strategie. "Ich erlebe Paare, die offensiv damit umgehen. Und es gibt Paare, die es für sich behalten oder nur mit wenigen Menschen teilen."

Körperlich bringt eine Fehlgeburt normalerweise keine langen Probleme mit sich. "Sind etwa drei reguläre Menstruationen erfolgt, kann erneut eine Schwangerschaft angestrebt werden", sagt Frauenarzt Albring. Belastend ist es für die Mutter, je später der Fötus im Schwangerschaftsverlauf verstirbt. "Zum Beispiel, wenn eine Mutter weiß, dass ihr Baby verstorben ist oder keine Lebenschance hat, und sie trotzdem das Kind gebären muss."

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Wichtig für Mütter: "Kein persönliches Versagen"

Hinzu kommt die psychische Belastung. Helfen kann in diesem Fall, wenn bereits Kinder da sind, die Partnerschaft stabil ist und das Leben erfüllt ist - beruflich wie privat. Albring ergänzt: "Einfacher bewältigen Frauen die Situation, wenn es ihnen gelingt, die Fehlgeburt nicht als persönliches Versagen anzusehen, sondern – gerade bei einem frühen Abort – als Regulativ der Natur, die ein Geschehen beendet, das mit dem Leben nicht vereinbar war."

Manche Frauen verlieren regelrecht den Boden unter den Füßen. Wichtig ist laut Frauenarzt Albring, dass die Mütter ihre Trauer nicht unterdrücken. "Die meisten Frauen kommen nach einer Trauerphase, die immer sein darf, wieder in ihren Alltag zurück", sagt er und ergänzt: "Sehr viel Kraft kostet es, wenn nach mehreren Fehlgeburten die Hoffnung schwindet, irgendwann ein Kind haben zu können." Denn dann bedarf es eines neuen Lebensmodells. "Es ist nicht selten, dass Frauen in dieser Phase eine psychotherapeutische Begleitung brauchen."

Wie Väter Fehlgeburten treffen

Und die Väter? Daniela Nuber-Fischer beobachtet, dass Männer heute in der Schwangerschaft öfter und stärker involviert sind. "Wenn ein Kind erwünscht war und dann stirbt, ist das auch für den Vater eine Belastung. Oft sehe ich aber, dass den Mann zusätzlich die Sorge um seine Frau umtreibt."

"Es ist aber nicht so, dass alle Partner heute verständnisvoll sind und das früher gegenteilig war", ergänzt Albring. Schuldzuweisungen gegenüber der Frau sehe er auch heute und auch, dass die Partnerin mit ihrer Trauer alleingelassen wird; oder auch die Einstellung, dass man als Mann sowieso nichts an der Situation ändern könne.

In der Trauer kann auch helfen, dass Eltern ihre Kinder nach einer Fehlgeburt laut der Personenstandsverordnung beim Standesamt mit Vor- und Familiennamen sowie Geburtstag und - ort anzeigen können, erklärt Albring. Zudem sind in allen Bundesländer Bestattungen möglich.

"Entscheidend ist, dass die Paare wissen, was ihnen guttut oder wer hilfreich ist", ergänzt Nuber-Fischer. "Was Paaren übergreifend hilft, ist, im Gespräch zu bleiben: 'Wie geht es mir?' 'Und dir?' 'Wie nehme ich dich wahr und was ist deine Ausdrucksweise von Trauer?'".

Hierbei sind auch Gespräche mit Außenstehenden, die nicht direkt betroffen sind, nützlich. In ihrer "Sternenkindersprechstunde" sucht Nuber-Fischer mit den Paaren nach Wegen, ihren Weg zu erleichtern. "Anders als vor 20 Jahren sind solche Angebote nicht mehr nur Einzelfälle. Auch deshalb, weil immer mehr Eltern und Mütter sich trauen, Hilfe zu suchen."

Über die Gesprächspartner

  • Dr. Christian Albring ist Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover.
  • Daniela Nuber-Fischer, Systemische Familienberaterin, bietet in München die "Sternenkindersprechstunde" im Haus der Familie, Rückbildungskurse für verwaiste Mütter und Fortbildungen für Fachpersonal an. Sie ist selbst eine betroffene Mutter.

Redaktioneller Hinweis

  • Dieser zuletzt im Oktober 2022 veröffentlichte Artikel wurde überarbeitet und aktualisiert.

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