Der Sommer hat sich schon längst verabschiedet. Morgens ist es schon richtig kalt und die Tage werden immer kürzer. Die Veränderungen beim Wetter hinterlassen auch beim Menschen ihre Spuren: Der Kopf schmerzt oder Narben zwicken. Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck und andere Parameter beeinflussen den menschliche Organismus. Woran liegt das? Und was kann man dagegen tun?
Wetter ist allgegenwärtig, im Freien ebenso wie in geschlossenen Räumen. Eine Reaktion auf die unterschiedlichen Wetterfaktoren ist schon deswegen notwendig, weil der menschliche Organismus bestrebt ist, die Temperatur des Körperkerns konstant auf 37 Grad Celsius zu halten. Nur so kann die optimale Funktion der Organe gesichert werden.
Die Bandbreite der Auswirkungen durch das Wetter ist groß. An manchen Menschen gehen selbst extreme Wechsel fast spurlos vorüber. Bei anderen reichen schon leichte Veränderungen der Temperatur, um Schlaf- oder Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen auszulösen. Das Spektrum der Symptome reicht bis zu Herz-Kreislaufproblemen, Narbenschmerzen und Rheumaschüben.
Wetterfühligkeit oder Wetterempfindlichkeit?
Um es vorweg zu nehmen: Es handelt sich hier um ein tatsächlich existierendes medizinisches Phänomen. Wetterfühligkeit ist jedoch keine Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern äußert sich durch diverse Symptome und sehr subjektive Beschwerden. Mehr als die Hälfte aller Deutschen gibt an, wetterfühlig zu sein.
Bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach erklärten 19 Prozent der Befragten, das Wetter habe viel Einfluss auf ihre Befindlichkeit und ihre gesundheitliche Verfassung. Bei weiteren 35 Prozent war zumindest noch etwas Einfluss spürbar.
Wetterfühligkeit beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden und die Lebensqualität, sie kann auch soweit krank machen, dass Betroffene einen Arzt aufsuchen müssen oder Medikamente benötigen.
Eine spezielle Wissenschaftsrichtung, die Medizinische Klimatologie, setzt sich mit den Einflüssen des Wetters auf den menschlichen Organismus auseinander. Allerdings steht die Forschung der Mediziner und Meteorologen noch relativ am Anfang.
Bei den körperlichen und seelischen Reaktionen auf das Wetter werden "Wetterfühligkeit" und "Wetterempfindlichkeit" unterschieden: Bei der Wetterfühligkeit kommt es zu subjektiven Störungen des Befindens wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Müdigkeit.
Bei der Wetterempfindlichkeit handelt es sich dagegen um Reaktionen, die nach Unfällen, Operationen oder bei chronischen Erkrankungen die realen Symptome weiter verstärken. Dabei geht es zum Beispiel um Narbenschmerzen, Schmerzen im Bewegungsapparat, Herzprobleme, Asthma oder auch psychische Erkrankungen.
Zivilisationsproblem Wetterfühligkeit
Offenbar reagiert bei Wetterfühligen das vegetative, also unbewusste, Nervensystem besonders empfindlich auf Wettereinflüsse. Die zunehmende Verbreitung derartiger Befindlichkeitsstörungen hängt eng mit den geänderten Lebensbedingungen zusammen. Im Laufe der Zivilisation hat der Mensch es mehr und mehr verlernt, sich den ständig wechselnden Umweltbedingungen anzupassen und Veränderungen selbstverständlich auszugleichen.
Jeder Temperaturwechsel stellt den Körper vor die Aufgabe, umgehend zu reagieren. Bei Hitze müssen sich die Hautgefäße weiten, damit mehr Wärme entweichen kann und das Blut nicht zu warm wird. Ist es kalt, ziehen sich die Gefäße dagegen zusammen, um weniger Wärme zu verlieren.
Bei jeder dieser Reaktionen müssen sich Herzschlag und Blutdruck neu einpegeln. Daher ist besonders das Hin und Her auf der Wetterkarte eine Bewährungsprobe für den Organismus. Kreislaufprobleme, Mattigkeit und Kopfschmerzen können die Folge sein.
Thermischer Wirkungskomplex
Angela Schuh, Professorin für Medizinische Klimatologie am Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München, unterstreicht im "Stern": "Wetterfühligkeit beruht auf einem Trainingsmangel unseres Körpers auf die thermischen Reize." Im Unterschied zu heute hätten sich frühere Generationen wesentlich häufiger an der frischen Luft bewegt. Das Leben in einer Epoche der Klimaanlagen, Luftbefeuchter und regulierbaren Heizungen erschwere dagegen die eine "normale" Reaktion auf das Wetter.
Wissenschaftlich belegt ist, dass der sogenannte "thermische Wirkungskomplex" den menschlichen Körper irritiert und beeinflusst. Dabei ist die Rede von den Faktoren Temperatur, Strahlung, Feuchtigkeit und Wind. Wie Hans Richner, Atmosphärenphysiker am Institut für Atmosphäre und Klima an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, im "Stern" erläutert, bestimmen diese Parameter ganz wesentlich den Wärmehaushalt des Menschen.
An seinem Institut wird seit einigen Jahrzehnten zu dem Thema Wetterfühligkeit geforscht. Dabei wurde auch bestätigt, dass bei schnellen Umschwüngen von Luftdruck und Temperatur ein Hitze- oder Kältestress für den Körper entstehen kann, da dieser ja stets bemüht ist, die richtige "Betriebstemperatur" sicherzustellen.
Es liegt was in der Luft
Andere meteorologische Einflussfaktoren geben den Wissenschaftlern nach wie vor Rätsel auf, und es kann über Zusammenhänge nur spekuliert werden. Hier liefern die Untersuchungen bisher oft widersprüchliche Ergebnisse. Warum spüren manche Menschen einen Wetterwechsel zwei Tage vorher, warum steigt bei Föhn das Aggressionspotential, wie wirken die "Spherics", elektromagnetische Impulse vor Gewittern …?
Offenbar ist der Luftdruck letztlich nicht verantwortlich für die Wetterfühligkeit, wie lange vermutet wurde. Probanden-Experimente in Druckkammern haben zumindest keine überzeugenden Ergebnisse in diese Richtung erbracht. Ebenso unbefriedigend und widersprüchlich sieht es mit den Auswirkungen der Spherics aus.
In beiden Fällen lassen sich keine wissenschaftlichen Zusammenhänge von Wetter und Befindlichkeit darstellen. Hans Richner betont allerdings: "Die Tatsache, dass wir außer bei den thermischen Faktoren keinerlei gesicherte Aussagen machen können, heißt nicht, dass es keine Zusammenhänge gibt. Aber wenn sie vorhanden sind, sind wir noch weit davon entfernt, sie zu verstehen."
Vorbeugung kann helfen
Beim Lesen des "Bio-Wetters" in den Medien fällt auf, wie schwammig die Formulierungen ausfallen. Kein Wunder, sie sind ebenso unspezifisch wie das Bild der Wetterfühligkeit und ihrer Auswirkungen. Verallgemeinerungen sind schwierig. Fest steht, dass extreme Wechsel besonders anstrengend für den Organismus sind, stabile Hochdruckgebiete sorgen dagegen für weniger wetterbedingte Beschwerden und bessere Laune.
Daher ist ein heißer, trockener Sommer für viele Menschen ein Genuss. Wer ausreichend trinkt und für Abkühlung sorgt - wenn nicht im See, dann vielleicht durch kühle Fuß- und Unterarmbäder - sollte eine gute Zeit haben.
Niemand ist seinen wetterbedingten Problemen völlig hilflos ausgeliefert. Gefäß- und Kreislauftraining beispielsweise durch Wechselduschen, Kneippsche Wechselbäder oder regelmäßige Saunagänge können abhärten. Generell hilft eine gestärkte Fitness dabei, mit Wetterumschwüngen besser umzugehen.
Auch wenn man das Wetter nehmen muss, wie es kommt, die Wetterfühligkeit lässt sich mit etwas Eigeninitiative und Training, idealerweise an der frischen Luft, erträglicher machen.
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