Wir werden verfolgt, bedroht, verletzt – oder gar getötet. Wir erwachen schweißgebadet. Wissen schnell: Es war nur ein Traum. Ein Albtraum. Aber solche nächtlichen Episoden sind normal, oder? Nicht unbedingt.
Kinder sind nicht zu beneiden - zumindest in dieser Hinsicht: Sie leiden am häufigsten unter Albträumen. Dem liegt in den meisten Fällen keine Krankheit zugrunde, es ist offenbar Teil der Entwicklung. Der Häufigkeitsgipfel liegt laut Prof. Dr. med. Volker Faust zwischen sechs und zehn Jahren. Der deutsche Psychiater betreibt die Webseite "psychosoziale-gesundheit.de" und veröffentlicht dort Fachartikel unter anderem zum Thema Albträume.
Nach der Pubertät gehen Albträume oft spontan zurück, schreibt Faust. Erwachsene leiden also deutlich seltener darunter. Trotzdem beschreibt der Psychiater Albträume als "durchaus häufige Schlafstörung". Immerhin geht man davon aus, dass fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung oft mit Albträumen zu kämpfen hat.
Sind Albträume ganz normal?
Regelmäßige Albträume bei Erwachsenen zählen zu den Parasomnien, also abnormen Episoden während des Schlafes. Sie werden in der internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO definiert durch
- Erwachen aus dem Schlaf mit detaillierter Erinnerung an den Traum,
- schnelles Eintreten der Orientierung nach dem Aufwachen und
- deutlichen Leidensdruck.
Wenn Albträume immer wieder vorkommen, hat man es mit einer Störung von Krankheitswert zu tun. Laut Faust unterscheidet man idiopathische Albträume, die als eigenständige Störung auftreten, von posttraumatischen Albträumen, die Faust als "ein wesentliches Symptom der akuten oder posttraumatischen Belastungsstörung" bezeichnet.
Auch können Albträume durch Stressbelastung oder Medikamente wie Antidepressiva oder Beruhigungsmittel und Drogen gefördert werden.
Frauen leiden häufiger unter Albträumen, aber auch kreative Menschen oder solche, die unter Depressionen, Schizophrenie oder Angststörungen leiden.
Nicht zu verwechseln sind Albträume mit anderen Parasomnien wie dem Pavor nocturnus, dem sogenannten Nachtschreck: Man erwacht plötzlich, keucht oder wimmert, empfindet starke Angst. Während einer solchen Episode ist man oft minutenlang verwirrt, am nächsten Morgen wird sie in der Regel nicht mehr erinnert.
Der Pavor nocturnus ist bei Erwachsenen selten und tritt zu Beginn des Schlafes auf, wohingegen der Albtraum in der REM-Phase, die auch Traumschlaf genannt wird, am Ende der Nachtruhe stattfindet.
Warum haben wir Albträume?
Die Frage, warum man träumt, ist bis heute nicht geklärt. Man nimmt an, dass im Schlaf tagsüber aufgenommene Informationen verarbeitet und abgespeichert werden. Aber ob und welche Funktion Träume dabei haben, ist bis heute Spekulation.
Die Kompensations-Hypothese beispielsweise gehört zu den kognitiv-behavioralen Theorien und geht davon aus, dass beim Träumen Belastungen des Wachzustandes kompensiert werden.
Anhänger der Mastery-Hypothese, einer weiteren kognitiv-behavioralen Theorie, dagegen nehmen an, dass der Albtraum ein gedankliches Probehandeln ermöglicht, um mit einem real bestehenden Problem zurechtzukommen.
Eine inzwischen überholte neuro-physiologische Theorie laute, so Faust, dass Träume nur ein Zufallsprodukt des Gehirns seien.
Muss man Albträume behandeln lassen?
Albträume können laut Faust "zu erheblichen psychosozialen Konsequenzen im Alltag führen - und damit zu einer schweren Last im wachen Alltag werden."
Viele Betroffene scheuen sich jedoch davor, einen Therapeuten aufzusuchen. Sie befürchten mitunter, als verrückt zu gelten oder haben Sorge, dass die Albträume eine schwere psychische Erkrankung anzeigen. Auch nahestehenden Personen werde sich aus diesen Gründen oft nicht anvertraut, schreibt Faust.
Ob man sich behandeln lassen sollte, richtet sich nach der empfundenen Beeinträchtigung. Fühlt man sich zunehmend zermürbt oder entwickelt eine Angst vor dem Einschlafen, kann eine Therapie helfen.
Bei der "Imagery Reheasal"-Therapie wird dem Patienten beispielsweise beigebracht, den Ablauf der Albträume bewusst zu verändern, damit der Traum keine Angst mehr auslöst.
Für alle, die eine hellseherische Funktion der eigenen Träume fürchten, kann Faust beruhigen: Es sei sehr unwahrscheinlich, dass Träume die Fähigkeit haben, zukünftige Ereignisse vorauszusagen.
Eine Erklärung, so ist in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift "GEO" zu lesen, sei eher, dass im Schlaf aktuelle Ängste und Hoffnungen widergespiegelt würden. Dass diese sich ab und an bewahrheiten können, sei nur logisch.
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