Etwa vier Millionen Deutsche wälzen sich regelmäßig im Bett hin und her in der Hoffnung, endlich einzuschlafen. Doch der ersehnte Schlummer will sich bei ihnen einfach nicht einstellen. Das ist ärgerlich - und auch gefährlich. Denn Schlafstörungen machen uns nicht nur tagsüber schlapp, sondern können auf Dauer auch krank machen. Wir haben mit dem Schlafforscher Prof. Dr. Jürgen Zulley gesprochen. Der Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums in Regensburg erklärt, warum es Hoffnung für alle Schlaflosen gibt und verrät uns außerdem, wie er sich selbst in schlaflosen Nächten zu helfen weiß.

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Guten Morgen Herr Prof. Dr. Zulley, haben Sie gut geschlafen?

Heute Nacht habe ich gut geschlafen. Da kann ich mich nicht beklagen.

Wie hat es sich ergeben, dass Sie sich beruflich mit dem Thema Schlaf beschäftigen? Waren Sie selbst von Schlafstörungen betroffen?

Mein Einstieg in die Schlafforschung hing nicht mit Schlafproblemen zusammen. Während des Psychologie-Studiums jobbte ich in einem Schlaflabor. Und für diese Arbeit war meine elektrotechnische Ausbildung ein enormer Vorteil. Ich bin dann in der Schlafforschung hängengeblieben, weil ich es überaus spannend fand, mich mit einem so alltäglichen Phänomen zu beschäftigen, von dem man so wenig weiß.

Leider sind auch Schlafstörungen sehr alltäglich: Laut der Techniker Krankenkasse leiden etwa fünf Prozent der Deutschen an Schlafproblemen.

Das ist aber wenig! Vielmehr haben 15 Prozent der Deutschen eine behandlungsbedürftige Schlafstörung, das heißt, die Tagesverfassung der Betroffenen ist beeinträchtigt. Bezogen auf die Ein- und Durchschlafstörung, die eine von 88 Formen der Schlafstörungen darstellt, sind die Zahlen der TK aber realistisch.

Die Zahl der Menschen mit Schlafproblemen nimmt laut Studien immer weiter zu. Handelt es sich um eine Zivilisationskrankheit oder ist Schlaflosigkeit ein weltweites Phänomen?

Schlafstörungen gab es schon immer. Aber die Zunahme sehe ich schon im Zusammenhang mit unseren gesellschaftlichen Entwicklungen. Die steigende Reizüberflutung und der zunehmende Zeitdruck führen dazu, dass das Grundbedürfnis Schlaf unterdrückt wird.

Sind das gleichzeitig auch die Hauptursachen für Schlaflosigkeit?

Für die Ein- und Durchschlafstörung ist zum Einen der falsche Umgang mit dem Schlafbedürfnis verantwortlich: Man räumt dem Schlaf nicht mehr den Platz ein, der ihm gebührt. Zum anderen sorgt Stress für Schlafprobleme, denn der führt zu Anspannung - und Anspannung ist das Gegenteil von Schlafen. Der Königsweg in den Schlaf ist Entspannung.

Stimmt es, dass Frauen häufiger an Schlafstörungen leiden als Männer?

Ein- und Durchschlafstörungen treten häufiger bei Frauen auf. Andere Formen von Schlafstörungen, zum Beispiel die Schlaf-Apnoe, das ist Schnarchen mit Atemstillstand, kommen verstärkt bei Männern vor.

Oft geben wir ja dem Partner schuld, wenn wir schlecht geschlafen haben. Er hat vielleicht zu laut geschnarcht oder sich zu viel bewegt. Halten Sie getrennte Schlafzimmer für sinnvoll?

Wir wissen, dass zusammen schlafen in den meisten Fällen zu einem subjektiv besseren Schlaf führt. Objektiv, wenn man es messen würde, würde man feststellen, dass man sich gegenseitig stört. Es ist eine Ermessensfrage, ab wann es mehr stört als sich gut anzufühlen. Ab diesem Zeitpunkt sind getrennte Schlafzimmer sicherlich eine Lösung.

Wer längerfristig schlecht oder wenig schläft, hat ein erhöhtes Risiko für Krankheiten. Wirkt sich auch ein kurzfristiges Schlafdefizit, beispielsweise durch durchfeierte Nächte, auf unsere Gesundheit aus?

Nein. Kurzfristige Störungen können wir kompensieren, das ist kein Problem. Nur wenn Störungen über Wochen hinweg auftreten und chronisch werden, treten Folgeerkrankungen auf.

Welche Krankheiten drohen dann?

Das sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Krankheiten, Diabetes und vor allem Depressionen. Und darüber hinaus ist man natürlich tagsüber nicht fit und das Gedächtnis leidet.

Mit welchen Tricks kann man den Schlaf verbessern?

Man muss sich als Erstes informieren: Was ist Schlaf überhaupt? Viele haben eine zu hohe Erwartungshaltung an den Schlaf. Niemand schläft beispielsweise durch. Manche Menschen machen sich dann Sorgen, weil sie nachts aufwachen. Aber dann bleiben sie erst recht wach. Zweitens braucht man mentale Entspannung. Man sollte sich Strategien überlegen, wie man nachts zur Ruhe kommt. Zum Beispiel kann man einen klaren Schlussstrich ziehen, indem man beschließt, ab 20 Uhr keine Probleme mehr zu diskutieren. Zudem sollte man für genügend Freizeit sorgen, in der man Hobbys nachgehen kann. Darüber hinaus ist es sinnvoll, früh zu Abend zu essen. Man muss sich Zeit nehmen, um zur Ruhe zu kommen.

Ist es kontraproduktiv, abends Sport zu treiben?

Nicht unbedingt: Leichter Sport bis zu zwei Stunden vor dem Schlafengehen ist sogar schlaffördernd.

Manche Menschen können über Jahre nicht richtig schlafen. Kann mit Therapien allen geholfen werden oder gibt es "hoffnunglose" Fälle?

Ich bin sehr optimistisch, dass man auch bei chronischen Schlafstörungen lernen kann, wieder richtig zu schlafen. Aber man muss etwas tun, denn von allein oder lediglich durch Medikamente wird es nicht besser.

Halten Sie Schlaftabletten generell für sinnvoll?

Sie können ihre Berechtigung haben, sollten aber befristet genommen werden und natürlich nur in Absprache mit einem Arzt. Aber ich halte die genannten Techniken der Selbsthilfe für die wichtigste Maßnahme.

Fast jeder kennt das mittägliche Leistungstief. Halten Sie einen Mittagsschlaf für sinnvoll und wenn ja, wie lange sollte er dauern?

Ein Mittagsschlaf ist auf jeden Fall sinnvoll. Die Leistungsfähigkeit wird um 35 Prozent erhöht, das Risiko für Herz-/Kreislauferkrankungen sinkt um über 30 Prozent. Es handelt sich um ein biologisches Tief, dem man mit einem kurzen Mittagsschlaf von zehn und dreißig Minuten begegnen sollte.

Der ultimative Profi-Tipp zum Abschluss: Was machen Sie, wenn Sie nachts nicht schlafen können? Zählen Sie Schäfchen?

Nein, ich habe zwei Strategien: Entweder höre ich leise, ruhige Musik. Oder ich begebe mich auf eine Fantasiereise. Dabei stelle ich mir vor, ich befände mich an einem schönen Ort, ginge am Strand spazieren oder ähnliches. Indem man sich auf etwas Ruhiges, Monotones und Positives konzentriert, sorgt man für mentale Entspannung.

Herr Prof. Dr. Zulley, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

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