Um Pflegebedürftige kümmern sich meistens Ehepartner oder Kinder. Eine neue App hilft Angehörigen, die Pflegeaufgaben zu organisieren.

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Pflege ist in vielen Fällen ein Vollzeitjob. Die meisten Pflegebedürftigen in Deutschland wohnen zu Hause; 3,12 Millionen von ihnen werden von Angehörigen versorgt. Für sie bedeutet die Pflege eine hohe körperliche und psychische Belastung. Die Aufgaben lassen sich im Alltag oft nur schwer arrangieren. In vielen Fällen bleibt die Arbeit an Einzelnen hängen.

Meistens kümmern sich die nächsten Angehörigen. "Ehepartner und Kinder aber sind oft selbst schon alt und benötigen Hilfe", sagt Olaf Christen, Referent für Altenhilfe und Pflege beim Sozialverband VdK. Mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen leide unter dementiellen Erkrankungen. "Diese sind oft 24 Stunden am Tag auf Hilfe angewiesen", sagt Christen. "Auch psychiatrische Erkrankungen sind für Angehörige sehr anstrengend."

Idee vom Hamburger Start-up

Angehörige vor Ort übernehmen dabei selbst oft klassische Pflegeaufgaben. In einer VdK-Studie aus dem Frühjahr gaben mehr als ein Drittel aller pflegenden Angehörigen an, die häusliche Pflege nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht mehr zu bewältigen. Rund zwei Drittel der Befragten gaben an, die eigene Gesundheit zu vernachlässigen. In der Politik ist der Pflegenotstand erkannt, lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen beheben.

Ein Hamburger Start-up will nun Abhilfe schaffen: Die App Fabel soll pflegende Angehörige bei ihrer Arbeit unterstützen und besser miteinander vernetzen. In dem Tool lassen sich Einzelaufgaben anlegen, wie zum Beispiel Einkaufen, Medikamente bestellen, Pflegedienst rufen. Per Klick kann man sie dann unter den Pflegenden verteilen. Neue Aufgaben kommen per Push-Nachricht.

Verteilung der Aufgaben

"Das Organisieren von Pflegeaufgaben ist zeitintensiv", sagt Start-up-Mitgründerin Maximiliane Kugler. "Viele pflegende Angehörige holen deshalb erst gar keine Hilfe und sagen: Dann mach ich's halt selber." Die App soll Verantwortlichkeiten klarer regeln und dabei auch ambulante Pflegekräfte entlasten. "Wenn Arbeiten wie Einkäufe auf mehrere Angehörige verteilt werden, bleibt Pflegediensten mehr Zeit für klassische Pflegeaufgaben", erklärt Kugler.

Die App hat Grenzen: Angehörige wohnen oft verstreut, manche von ihnen können deshalb nur aus der Ferne helfen. Den höchsten Zeitaufwand sieht VdK-Referent Christen vor Ort: Waschen, Anziehen, Essen, Treppensteigen. Angehörige, die nicht persönlich helfen können, könnten aber administrative Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel Gespräche mit Pflegekassen führen.

Pflegende können zwar verschiedene Hilfeleistungen in Anspruch nehmen. Ab Pflegegrad zwei steht ihnen Pflegegeld zu. Pro Monat beträgt die Leistung mindestens 316 Euro, bei Pflegegrad fünf steigt sie auf 901 Euro. Die Pflegeversicherung übernimmt ab Pflegegrad zwei bis zu einem bestimmten Betrag außerdem Sachleistungen wie zum Beispiel Körperpflege, Verbandswechsel oder Reinigen der Wohnung.

Jeder Fünfte armutsgefährdet

Angehörige verzichten aber oft auf professionelle Unterstützung. In einer Online-Befragung der Hochschule Osnabrück aus dem Jahr 2021 begründeten dies viele mit finanziellen Sorgen. Jeder fünfte pflegende Angehörige ist nach Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW Berlin) armutsgefährdet. Viele sehen sich dazu noch von bürokratischen Hürden überfordert - und müssen sich Pflegeexpertise selbst aneignen.

Christen rät dazu, frühzeitig zu planen. "Oft geraten Familien plötzlich und unvorbereitet in die Situation der Pflegebedürftigkeit hinein", sagt der Experte. "Es ist deshalb wichtig, sich schon vorab mit dem Thema Pflege auseinanderzusetzen und dafür zu sorgen, dass es nicht zu übermäßiger Belastung kommt." In Akutsituationen rät er dazu, das nähere Umfeld um Hilfe zu bitten. Auch die örtliche Pflegeberatungsstelle könne helfen. "Schon Optionen wie Kurzzeitpflege oder Urlaubspflege bringen erhebliche Erleichterung", sagt Christen. "Das ist Pflegenden in Stresssituationen oft gar nicht bewusst." (dpa/tar)

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