Alternative Krebsheiler versprechen für viel Geld, Tumore fernab der Schulmedizin auf sanfte Art zu bekämpfen. Für Patienten kann das gefährlich werden. Dennoch sind einige Naturheilverfahren in der Behandlung von Krebs nicht per se auszuschließen. In der Onkologie werden verschiedene Methoden als Ergänzung zur Chemotherapie mittlerweile erfolgreich eingesetzt. Die Unterschiede.
Im Kampf gegen den Krebs setzen einige Betroffene auf naturheilkundliche Verfahren. Das birgt Risiken aber auch Chancen.
Gefährlich können alternative Heilangebote insbesondere für Betroffene sein, die komplett auf konventionelle Therapien verzichten und stattdessen zu sogenannten alternativen Krebsheilern gehen.
Gründe dafür gibt es mehrere. So kann ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der sogenannten Schulmedizin bestehen, erklärt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes (KID) am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.
Auch subjektiv gute Erfahrungen, die jemand mit einem Heilpraktiker verbindet, führten mitunter zur alternativen Behandlung. "Ein weiterer Punkt ist: Viele Menschen haben verständlicherweise Angst vor einer größeren Operation oder vor eingreifenden Therapie-Nebenwirkungen, beispielsweise bei einer Chemotherapie", so Weg-Remers.
Geschäft Hoffnung
Versprechen, Tumore auf sanfte Art zu bekämpfen, fallen hier auf fruchtbaren Boden. So bieten sogenannte Krebsheiler unter anderem "Therapieerfolge auf biologischer Basis" an und preisen Verfahren an, die die "Selbstheilungskräfte anregen". Einige Empfehlungen sind teils haarsträubend. Sie suggerieren unter anderem mit Handauflegen und Natron-Bädern den Krebs zu besiegen. Auch zweifelhafte Kaffee-Einläufe, pflanzliche Kapseln oder Vitamin-Injektionen sollen helfen.
"Manche Anbieter werben außerdem mit Aussagen, die (pseudowissenschaftlich) wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zum Immunsystem oder technischen Neuentwicklungen wie ausgedehnte Biomarker-Analysen aufnehmen", berichtet Weg-Remers. Das erwecke den Eindruck, es handele sich um eine moderne und wissenschaftlich belegte Therapie.
Es gibt auch "Heiler", die Vitamin B17 empfehlen. Dabei handelt es sich um den Stoff Amygdalin, der in Aprikosenkernen und Bittermandeln vorkommt. Der Inhaltsstoff soll angeblich Tumorzellen töten.
Allerdings wird Amygdalin vom Bundesamt für Risikobewertung (BfR) als schädlich eingestuft. Das BfR empfiehlt, nicht mehr als zwei Kerne pro Tag oder sogar ganz darauf zu verzichten.
Eine Überdosierung kann dem Onkologen Josef Beut zufolge zum Erstickungstod von Zellen führen, "sogar zum Erstickungstod des gesamten Organismus", erklärte der Professor in einem Interview mit der ARD.
Wie falsche Heilversprechen schaden
Wie tragisch falsche Heilversprechen enden können, zeigt der Fall eines Heilpraktikers aus Brüggen-Bracht in Nordrhein-Westfalen. 2016 verstarben mehrere Krebspatienten kurz nach der Behandlung mit dem Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP). Offenbar hatte der Heilpraktiker das Mittel überdosiert.
Bei 3-BP handelt es sich um einen Glukoseblocker. Die Idee dahinter: Tumoren benötigen Zucker für ihr Wachstum. Der für 9.900 Euro angebotene Wirkstoff sollte die Krebszellen aushungern.
Angepriesen wurde das Mittel als das "aktuell beste Präparat zur Tumorbehandlung (...), das effektiver ist als die heutigen Chemotherapeutika". Bislang ist der Wirkstoff nicht als Arzneimittel zugelassen, eine Anwendung ist aber nicht grundsätzlich verboten.
Allerdings gibt es kaum Studien, welche die Verträglichkeit und Wirksamkeit am Menschen untersucht haben, schreibt die Deutsche Krebsgesellschaft. "Alternativmedizinische Verfahren sind somit fast immer Methoden unbewiesener Wirksamkeit und können teilweise erhebliche Risiken für Patienten haben", warnt Weg-Remers.
Generell sind "rein pflanzlich" oder "natürlich" beworbene Methoden nicht immer auch "sanft". So weist der KID darauf hin, dass man von manchen Therapien noch nicht einmal weiß, wie sie vom Körper verarbeitet werden.
"Damit steigt das Risiko, dass solche Mittel im schlimmsten Fall sogar schaden – nämlich dann, wenn sie andere Krebsmedikamente in ihrer Wirkung verstärken oder, im Gegenteil, wichtige Arzneimittel sogar unwirksam machen", heißt es auf der Seite.
Heilversuche mit unerprobten Substanzen
Doch wie kann es sein, dass so etwas passiert? Seit 1939 ist der Beruf des Heilpraktikers geregelt. Heilpraktiker dürfen demnach keine verschreibungspflichtigen Medikamente verabreichen. Allerdings können sie Heilversuche mit unerprobten Substanzen durchführen, Injektionen setzen und Infusionen anlegen.
Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt daher, "sich auf Therapien zu verlassen, deren Wirksamkeit in klinischen Studien erprobt und bewiesen worden sind" – insbesondere bei schwerwiegenden Erkrankungen
Unabhängig vom Anbieter sei Weg-Remers zufolge Vorsicht geboten, "wenn alternativmedizinische Verfahren Krebspatienten mit dem Versprechen einer Heilung angeboten werden".
Sich voll und ganz in die Hände alternativer Krebsheiler zu begeben, hält auch die Ärztin Daniela Paepke vom Klinikum rechts der Isar für keine gute Idee. "Die meisten metastasieren schneller und versterben", sagt die Ärztin im Gespräch.
Eine Studie von der Yale School of Medicine in New Haven, Connecticut untermauert diese Aussage. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate der Betroffenen, die auf alternative Behandlunsgmethoden setzten, war deutlich niedriger als bei den schulmedizinisch behandelten Krebspatienten. Die Sterblichkeit war nach Abgleich klinischer und soziodemografischer Einflussfaktoren zweieinhalbmal mal so hoch.
Wo naturheilkundliche Methoden helfen
Naturheilverfahren sind per se nicht schlecht – vorausgesetzt, sie werden richtig eingesetzt. In vielen Bereichen der Krebstherapie können sie unterstützend wirken. In der Onkologie haben sich bereits Verfahren aus der Pflanzenheilkunde, Ayurvedischen Medizin und Traditionellen Chinesischen Medizin etabliert.
Die sogenannte Komplementärmedizin wird dabei ergänzend zur konventionellen Therapie eingesetzt – nicht als Alternative. Dazu kommen Entspannungstechniken beziehungsweise Meditation. Dafür gibt es spezielle MBSR-Kurse (mindfulness-based stress reduction). Diese Kurse bestehen aus einem Programm zur Stressbewältigung.
Erwägen Krebspatienten eine zusätzliche Therapie, sollten sie immer ihre behandelnden Ärzte darüber informieren – sagen Weg-Remers und Paepke.
Diese integrativen Methoden können Paepke zufolge die Nebenwirkungen einer Chemotherapie lindern und sie zyklentreuer machen. "Das ist hinsichtlich der Prognose sehr wichtig. Denn wenn Chemo-Gaben aufgrund der Nebenwirkungen verschoben oder ausgesetzt werden, hat das einen negativen Einfluss auf die Prognose", erklärt die Ärztin.
Seit Jahren betreut die Gynäkologin und Oberärztin an der Frauenklinik rechts der Isar in München Brustkrebspatientinnen mit naturheilkundlichen Verfahren.
Dazu gehören die Misteltherapie, Klangschalen, Leberwickel und Homöopathie. Vor allem Brustkrebspatientinnen lassen sich häufig mit Mistel-Extrakten behandeln. Ziel der wöchentlichen Injektionen ist insbesondere die Stärkung des Immunsystems.
"Wir haben zur Misteltherapie sehr gute Daten. Brustkrebspatienten vertragen die Chemotherapie besser. Sie haben weniger Fatigue und schlafen besser", erklärt Paepke. Auch der Appetit werde angeregt. Vor allem metastasierte Patienten würden davon profitieren. "Bei Tumoren wie dem Lungen- und dem Pankreaskarzinom wissen wir, dass die Patienten länger leben, die eine Misteltherapie erhalten."
Den Vorwurf, dass dadurch die Chemotherapie abgeschwächt würde, hält Paepke für "Nonsens". Man könne die Mistel sogar noch in der Nachsorge geben, "um das Immunsystem zu stärken – als Rezidiv-Prophylaxe sozusagen."
Die Expertin für Komplementärmedizin rät außerdem zu moderatem Sport. "Sport und Bewegung an der frischen Luft wirken der Fatigue, einer Art Erschöpfungssyndrom, entgegen", sagt die Medizinerin.
Außerdem helfe Sport bei Schlaflosigkeit und sei gut fürs Herz. "Patienten, die regelmäßig Sport treiben, haben in der Regel weniger chemotherapiebedingte Herzschäden."
Paepke rät außerdem zu einer rhythmischen, gesunden Ernährung. "Es geht darum, zwischen den Mahlzeiten Pausen einzulegen." Wichtig sei, auch den Zucker- und Alkoholkonsum zu reduzieren. "Zudem empfehlen wir eine Handvoll Nüsse pro Tag und Olivenöl. Die Epic-Studie hat gezeigt, dass das Risiko an Krebs zu erkranken, reduziert wird", so Paepke weiter.
Paepke hat sehr gute Erfahrungen mit der integrativen Medizin, wie sie sagt. Die Ärztin muss allerdings einräumen, dass der Erfolg derzeit nicht messbar ist. "Es gibt allerdings Daten aus epidemiologischen Studien und Patientenbefragungen." Auch in München werden Patienten nach der Therapie zu ihren Erfahrungen befragt - mit sehr zufriedenstellendem Ergebnis.
Zweifelhafte Methoden erkennen:
- Ein Anbieter verspricht, dass seine Methode gegen alle Krebsarten hilft, bei allen Patienten und in allen Krankheitsstadien: Ein solches Verfahren gibt es den bisherigen Studien zufolge bisher nicht.
- Es gibt keine öffentlich zugänglichen Informationen zum Verfahren und ein Anbieter stellt auch keine Unterlagen zur Verfügung: Patienten können sich dann nicht selbst informieren, sich nicht unabhängig beraten lassen und die Ärzte ihres Vertrauens nicht um eine Beurteilung bitten.
- Vor Behandlungsbeginn wird Vorauskasse verlangt oder gar Bargeld: Gibt es Probleme, können Patienten ihr Geld meist nicht zurückbekommen. Auch ethisch ist dieses Vorgehen fragwürdig.
- Ein Mittel muss aus dem Ausland bestellt werden, etwa über das Internet: Was man wirklich geliefert bekommt, ist kaum überprüfbar. Oft gibt es Probleme mit der arzneilichen Qualität.
- Der Anbieter warnt vor der Schulmedizin bzw. rät aktiv von ihr ab.
- Der angebliche Nutzen des Verfahrens ist an eine bestimmte Person gebunden.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Dr. Daniela Paepke (hier geht es zum vollständigen Interview)
- Gespräch mit Dr. Susanne Weg-Remers
- Deutsche Krebsgesellschaft
- Deutscher Krebsinformationsdienst
- ARD-Beitrag "Falsche Heilversprechen in der Krebsmedizin"
- Bundesamt für Risikobewertung (BfR)
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