• Seit dem 1. Juli zahlen die gesetzlichen Krankenkassen unter gewissen Bedingungen einen Bluttest auf Trisomie in der Schwangerschaft.
  • Die Tests zeigen allerdings nur ein erhöhtes Risiko für bestimmte Trisomien an. Positive Ergebnisse sollten deshalb weiter abgeklärt werden.
  • Ein Großteil möglicher Fehlbildungen, beispielsweise ein offener Rücken, wird von den Tests nicht erfasst.

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Seit Anfang Juli vergangenen Jahres werden die Kosten für sogenannte nicht-invasive Pränataltests (NIPT) für Schwangere unter bestimmten Voraussetzungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Wie läuft ein solcher Test ab und wer kann ihn durchführen lassen? Welche Vorteile bietet ein NIPT und gibt es Kritik daran?

Was ist eigentlich ein nicht-invasiver Pränataltest (NIPT)?

Mit einem solchen Test lassen sich bestimmte Chromosomenveränderungen bei ungeborenen Kindern mit einer sehr hohen Genauigkeit einschätzen. Dafür wird der Mutter Blut abgenommen.

Welche Vorteile hat der Test?

"Der Vorteil ist, dass invasive Maßnahmen bei der Frage, ob eine Trisomie 21, 18 oder 13 vorliegt, nur bei einem auffälligen NIPT-Befund oder einem auffälligen Ultraschall notwendig sind", sagt Dr. Thomas von Ostrowski aus dem Vorstand des Bundesverbands niedergelassener Pränatalmediziner. Er ist Pränatalmediziner und Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Bis zur Einführung der Tests gab es für die Diagnostik zwei Methoden, Fruchtwasseruntersuchung und Chorionzottenbiopsie: Dabei wird eine Nadel durch die Bauchdecke der Mutter gestochen und entweder Fruchtwasser oder Zellen aus der Plazenta entnommen. Auch wenn diese Eingriffe vergleichsweise sicher sind, bergen sie doch immer das Risiko für eine Fehlgeburt, die statistisch gesehen bei etwa einer von 1.000 Untersuchungen auftritt.

Wie funktioniert ein NIPT?

Im Blut befinden sich nicht nur die Erbinformationen der Mutter, sondern auch Bruchstücke der kindlichen zellfreien DNA aus der Plazenta. Im Labor wird diese DNA isoliert und auf bestimmte genetische Auffälligkeiten untersucht. Bei einer Trisomie kommen bestimmte Chromosomen in den Zellen dreimal statt zweimal vor. Die häufigste Trisomie ist Trisomie 21, die auch als Down-Syndrom bezeichnet wird.

In welchen Fällen werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen?

Laut Ostrowski werden die Kosten übernommen, wenn sich aus anderen Untersuchungen ein Hinweis auf eine Trisomie ergibt und der NIPT erforderlich erscheint, um der Schwangeren eine Auseinandersetzung hinsichtlich des Vorliegens einer Trisomie zu ermöglichen und keine Gründe für eine invasive Diagnostik festgestellt werden.

"Auch wenn eine Frau mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist, zählt der Test zur Leistung der Krankenkassen", sagt der Experte. Voraussetzung für den Test sei, dass die Schwangerschaftswoche bei einer Ultraschalluntersuchung bestimmt worden und die Anzahl der Feten oder Embryonen bekannt sei.

"In den Mutterschafts-Leitlinien wird ausdrücklich betont, dass eine statistisch erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie allein für die Anwendung dieses Tests nicht ausreicht", sagt Ostrowski. Ältere Frauen haben statistisch gesehen beispielsweise eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein Kind mit einer Trisomie – das Alter allein wäre demnach zum Beispiel nicht ausreichend für eine Kostenerstattung.

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Ab wann kann man einen Test durchführen?

In Deutschland gibt es mehrere Anbieter für NIPT. Die meisten NIPT-Verfahren können ab der zehnten Schwangerschaftswoche angeboten werden. "Sinnvollerweise sollte der NIPT im ersten Trimester erfolgen", sagt Ostrowski. "Er kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt der Schwangerschaft durchgeführt werden."

Die Tests sind in Deutschland bereits seit 2012 erhältlich. Bislang mussten sie in den meisten Fällen privat gezahlt werden. Auch das war ein Faktor für die aktuelle Entscheidung: Schwangere mit weniger Geld sollten nicht dadurch benachteiligt werden, dass sie sich womöglich keinen NIPT leisten könnten und deshalb auf Verfahren wie eine Fruchtwasseruntersuchung ausweichen müssten.

Wie sicher sind die Testergebnisse?

Die Tests gelten als sehr sicher, aber es kommt immer wieder vor, dass sie ein falsch-positives Ergebnis anzeigen. "Das bedeutet, dass ein Kind tatsächlich nicht betroffen ist, obwohl der NIPT ein erhöhtes Risiko anzeigt", sagt der Experte. Die Wahrscheinlichkeit für ein falsch-positives Ergebnis liegt bei etwa 0,1 Prozent, betrifft also einen von 1.000 Tests. Je jünger eine Schwangere ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Ergebnis in Wirklichkeit falsch-positiv, das Kind also gesund ist.

Sagt ein Test nur aus, ob eine Erkrankung vorliegt, oder auch, wie ausgeprägt sie ist?

Der Test sagt lediglich aus, dass ein erhöhtes Risiko für beispielsweise eine Trisomie 21 besteht. "Jeder Schwangeren muss im Gespräch unmissverständlich klargemacht werden, dass ein auffälliger Befund durch eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigt werden sollte", sagt Ostrowski. Es sei ganz wichtig, die Gefahr falsch-positiver Befunde anzusprechen. Und selbst, wenn beispielsweise über eine Fruchtwasseruntersuchung eine Trisomie 21 nachgewiesen worden sei, sei keine Aussage über die Ausprägung der Trisomie wie beispielsweise eine geistige Behinderung möglich.

Wie geht es nach einem positiven Testergebnis weiter?

"Ein auffälliger Bluttest sollte durch eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigt werden", sagt der Experte. Das ist verpflichtend, falls die Diagnose zu einem Schwangerschaftsabbruch führt. "Aber es ist auch wichtig, die generelle Belastung eines Befundes auszuräumen, der möglicherweise falsch-positiv ist", sagt Ostrowski.

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Wo liegen die Grenzen der Tests?

Die Tests untersuchen nur bestimmte genetische Veränderungen. Fehlbildungen können sie allerdings nicht erkennen. Dazu zählen etwa ein offener Rücken oder Herzfehler. Darüber hinaus kommt es laut Ostrowski in ein bis zwei Prozent der Fälle auch vor, dass die Tests kein Ergebnis bringen. Das sei insbesondere bei einem hohen Gewicht der Mutter, nach einer künstlichen Befruchtung und auch bei Mehrlingsschwangerschaften der Fall.

Was sagen Kritiker?

Führt eine Schwangere den Test vor der 14. Schwangerschaftswoche durch, ist sie noch innerhalb der Frist, innerhalb derer sie einen Schwangerschaftsabbruch ohne Indikation vornehmen lassen kann. Es könnte also sein, dass sie sich für einen Abbruch entscheidet, ohne dass das Kind weiter untersucht worden ist. Es könnte also sein, dass sie eine Schwangerschaft mit einem völlig gesunden Kind abbricht.

Das ist auch einer der Kritikpunkte an den Tests. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin empfiehlt deshalb beispielsweise, einen NIPT erst ab der 13. Schwangerschaftswoche in Verbindung mit einem qualifizierten Ultraschall durchzuführen.

Zu den Kritikern der Kostenübernahme durch die Krankenkassen zählen etwa Verbände für Behinderte und auch die Katholische Kirche. Die Lebenshilfe warnt etwa davor, dass Frauen sich unmittelbar nach einem positiven Bluttest für einen Abbruch entscheiden könnten, ohne dass sicher ist, dass ein Kind tatsächlich von einer Trisomie betroffen ist.

Darüber hinaus sieht die Lebenshilfe in der Tatsache, dass die Krankenkassen ein solches Verfahren finanziert, eine Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung. Sie warnt etwa davor, dass die Tests die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung verschärfen und die Gesellschaft Menschen mit Behinderung als "vermeidbar" bewerten könnte. Außerdem könnte dadurch womöglich die Tür für die Kassenzulassung weitere Tests auf genetische Merkmale geöffnet worden sein.

Wie viele Tests sind bereits durchgeführt worden?

Aussagekräftige Zahlen gibt es laut Ostrowski dazu nicht. Aber Studien zeigten eine hohe Nutzungsbereitschaft. Demnach geben etwa drei von vier Frauen in Befragungen an, dass sie NIPT in Zukunft nutzen wollen.

Über den Experten: Dr. Thomas von Ostrowski ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Einer seiner Tätigkeitsschwerpunkte ist die Pränatalmedizin. Er ist Mitglied im Vorstand des Bundesverbands niedergelassener Pränatalmediziner.

Verwendete Quellen:

  • Anfrage bei Dr. Thomas von Ostrowksi beziehungsweise dem Bundesverband niedergelassener Pränatalmediziner
  • Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin: Stellungnahme der DEGUM zum nicht-invasiven Pränataltest NIPT
  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin, Deutsche Gesellschaft für Humangenetik, Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, Berufsverband der Humangenetiker, Berufsverband Deutscher Laborärzte, Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner: Konsenspapier NIPT: Aufnahme des "nicht-invasiven Pränataltests" (NIPT) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
  • Lebenshilfe: Aktuelle Informationen zu den vorgeburtliche Bluttests
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