- Es gibt zurzeit Lieferengpässe für 268 Medikamente in Deutschland.
- Die Ursachen dafür sind vielfältig.
- Patienten sollten dennoch ihre Apotheke aufsuchen und sich beraten lassen.
Fiebersäfte für Kinder mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol sind in vielen deutschen Apotheken zurzeit noch immer Mangelware. Vor allem Säfte mit Paracetamol sind knapp geworden. Grund für diesen Engpass ist unter anderem, dass der Generikahersteller 1a Pharma aus Gründen der Wirtschaftlichkeit keine Fiebersäfte mehr produziert.
Damit ist Teva/Ratiopharm die letzte Firma auf dem deutschen Markt, die diese Säfte für Kinder herstellt. Bislang konnte sie ihre Produktion noch nicht ausreichend erhöhen. Hinzu kommt: Als Alternative zu den fehlenden fiebersenkenden Säften mit Paracetamol griffen viele Eltern zu solchen mit Ibuprofen oder zu Zäpfchen. In der Folge sind diese Medikamente ebenfalls knapp geworden.
Auch sind diese Arzneimittel für Kinder regional nicht gleichmäßig und flächendeckend verteilt, wie Christian Splett von der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker berichtet. Hinzu kommt, dass durch die Maßnahmen der Corona-Pandemie wie Masken und weniger soziale Kontakte, viele Infektionskrankheiten vermieden wurden. Durch mehr ungeschützte Kontakte erkranken nun besonders viele Kinder an grippeähnlichen Infekten.
Stellt der Kinderarzt fest, dass sein Patient dringend mit einem fiebersenkenden Saft behandelt werden muss und ist dieser nicht an die Apotheke lieferbar, kann er ein Rezept für eine Rezeptur ausstellen. Dann muss die Apotheke den Saft anfertigen.
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Medikamenten-Engpässe auch bei Blutdrucksenkern und Diabetesmitteln
Doch auch andere Medikamente sind derzeit Mangelware. Das sei kein neues, sondern ein immer wiederkehrendes Problem, wie Splett betont: "Lieferengpässe von Arzneimitteln gehören leider schon seit Jahren zum traurigen Alltag und zu den größten Ärgernissen in den Apotheken." Betroffen seien davon oft auch lebenswichtige Medikamente von Blutdrucksenkern über Diabetesmittel und Säureblockern bis hin zu Schmerzmitteln. "Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt eine jeweils aktuelle Liste von gemeldeten Lieferengpässen, auf der zwischen 200 und 300 Medikamente stehen", so Splett.
Arzneimittel-Mangel kann viele EU-Länder betreffen
Die Ursachen dieser Engpässe sind vielfältig. Zum Beispiel herrscht ein hoher Kostendruck im Gesundheitswesen. Zudem stehe die globale Wirkstoffproduktion zeitweilig still oder in manchen Fällen kann eine Charge aus Qualitätsgründen nicht freigegeben werden.
Solche Probleme haben zur Folge, dass auch große Hersteller in Europa ihre Fertigarzneimittel nicht mehr liefern können, so Splett. Zudem könnten gesetzlich zulässige Entwicklungen, wie exklusive Rabattverträge im In- oder Exportgeschäft mit Arzneimitteln ebenfalls Lieferengpässe auslösen.
Auch im europäischen Ausland sind in diesen Fällen die gewünschten Arzneimittel nicht verfügbar. "Wenn die Wirkstoffproduktion in Fernost stockt oder globale Lieferketten unterbrochen sind, kann halb Europa davon betroffen sein", so Splett.
Doch auch, wenn Lieferengpässe bestehen, ist es in vielen Fällen möglich, geeignete Alternativpräparate von einem anderen Hersteller zu beschaffen. Allerdings entsteht bei Patienten und Patientinnen dann häufig eine Verunsicherung und es wird eine Beratung in der Apotheke nötig. Sie kann auch für Rückfragen den Arzt anrufen und ein Austauschmedikament vorschlagen.
Apotheke trotz Engpass aufsuchen
Wer fürchtet, dass für sein Medikament ein Engpass besteht, sollte sich dennoch wie gewohnt mit dem Rezept an seine Apotheke wenden, rät Christian Splett. Grundsätzlich habe die Apotheke das Ziel, dass aus dem Lieferengpass eines einzelnen Medikamentes kein Versorgungsengpass für eine ganze Patientengruppe wird.
Dabei gibt es zurzeit durch Corona einen bürokratischen Vorteil: Derzeit helfe eine Corona-Sonderregelung den Apotheken, ein verfügbares Ersatzmedikament einfach und unbürokratisch zu finden, so Splett. Dadurch könnten Patienten schnell versorgt werden. "Deshalb setzt sich die Apothekerschaft auch dafür ein, dass die so genannte Sars-CoV-2-Arzneimittelverordnung über den November 2022 hinaus verlängert und somit komplett entfristet wird."
Wenn ein Medikament tatsächlich auch über eine Rezeptur nicht verfügbar ist, sollte man auf keinen Fall auf unseriösen Internetseiten nach Alternativen suchen. Generell muss das rosa Papierrezept bzw. das E-Rezept im Original bei einer Apotheke vorliegen, die das Arzneimittel gemäß deutschen Sicherheitsstandards abgeben muss und es entsprechend mit der Krankenkasse anrechnen kann.
Verwendete Quellen:
- Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.: Information der Institutionen und Behörden: BfArM: eingeschränkte Verfügbarkeit von Paracetamol- und Ibuprofen-haltigen Fiebersäften für Kinder - Update
- pharmnet-bund.de: Veröffentlichung Lieferengpass-Meldungen
- Kassenärztliche Vereinigung: Lieferengpass bei Paracetamol-haltigen Fiebersäften
- Handelsblatt: Hersteller erhalten nur 1,36 Euro pro Flasche: Fiebersaft für Kinder wird knapp
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