Das Thema künstliche Intelligenz hält immer weiter Einzug in unseren Alltag. Ob nun selbstfahrende Autos, intelligente Haustüren oder der Kaffeeautomat: Der Mensch wird überall mit intelligenten Maschinen konfrontiert. Doch was ist eigentlich künstliche Intelligenz und welche Möglichkeiten sowie Herausforderungen gehen mit ihr einher?
Zum nunmehr vierten Mal findet am 17. Mai 2018 in Berlin die Konferenz "Rise of AI" (Artificial Intelligence) statt, die sich mit dem Thema künstliche Intelligenz befasst. Fabian Westerheide, Gastgeber der Veranstaltung, hat mit uns über intelligente Maschinen sowie die Möglichkeiten und Herausforderungen gesprochen.
Herr Westerheide, was fasziniert Sie an dem Thema künstliche Intelligenz?
Fabian Westerheide: Zum einen finde ich es spannend, Science-Fiction-Bücher zu lesen und ein oder zwei Jahre später zu erfahren, dass sie teilweise wahr geworden sind.
Das, was sich Autoren vor zwanzig Jahren ausgedacht haben, ist heute zum Teil schon Realität. Es ist spannend, die Zukunft mitzuerleben und zu gestalten. Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei ein wichtiger Hebel.
Zum anderen finde ich es interessant, dass es viel mehr ist als nur die wirtschaftliche Komponente. KI hat einen großen Einfluss auf unsere Arbeitswelt, das Thema Ethik und Moral, unser Staatsverständnis und auf die Gesellschaft. Sogar darauf, wie wir uns als Menschen definieren.
Wie definieren Sie künstliche Intelligenz?
KI ist ein Überbegriff für Maschinen, die kognitive Aufgaben eines Menschen übernehmen. Kognitive Aufgaben sind eigentlich das, was wir als Denken bezeichnen.
Kognition beim Menschen bedeutet, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen. Wir verarbeiten Informationen, sortieren sie ein, treffen eine Entscheidung, führen diese aus, lernen aus ihr. So bauen wir Erfahrungen und Routinen auf.
Das gleiche machen Maschinen mittlerweile auch. Sie treffen Entscheidungen und verstehen die Welt auf ihre Art und Weise. In kleinen Teilen können sie bereits Aufgaben von uns übernehmen. Wenn eine Maschine das kann, spricht man von Intelligenz. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es eine mitdenkende Maschine ist.
Ein einfaches Beispiel: Ein Autofahrer benutzt ein Navigationssystem, das ihm die optimale Route vorschlägt. Die wenigsten Menschen würden das als KI bezeichnen. Trotzdem ist das eine Leistung, die wir Menschen in dieser Qualität heutzutage nicht mehr hinbekommen würden.
Gibt es verschiedene Formen von künstlicher Intelligenz?
Es gibt verschiedene Stufen von KI. Ganz oben gibt es die Superintelligenz, die ein menschliches Denkvermögen hat.
Ein Auto wiederum muss nicht über Kant sprechen, es muss uns nur mit einer geringen Fehlerquote von A nach B bringen. Das ist auch eine Intelligenzleistung, aber keine hochentwickelte.
Darunter reden wir von Drohnen, von einer Schwarmintelligenz. Diese ist vergleichbar mit der Intelligenz von Bienenvölkern. Sie sind auch intelligent, es ist aber keine menschenähnliche Intelligenz.
Wie intelligent muss eine Maschine sein?
Maschinen haben eine andere Art von Intelligenz. Viele müssen auch gar nicht so intelligent sein wie der Mensch, wie zum Beispiel eine Kaffeemaschine. Sie braucht nur das Verständnis dafür, wann ich aufstehe und der Kaffee fertig sein muss.
Es geht nur um die Verarbeitung von Sensoren, das sind ganz simple Sachen. Wenn ich ein Fast-Food-Restaurant besuche und an den Schalter gehe, brauche ich nur jemanden, der meine Bestellung aufnimmt, das Geld kassiert und mir das Essen gibt. Das muss kein Mensch machen.
Das sind Jobs, bei denen der Mensch einfach vollkommen unterfordert ist. Viele solcher Aufgaben kann eine Maschine übernehmen. Nicht jede muss das menschliche Level eines Masterabschlusses haben. Sie soll einfach nur die Aufgabe erfüllen können.
Welche Möglichkeiten bietet künstliche Intelligenz?
KI können wir überall verwenden, wo es einen Prozess gibt. Eigentlich ist es das Ziel, jeden Prozess durch künstliche Intelligenz zu steuern. Wenn ich auf eine Webseite gehe, suche ich nach einem Produkt, es werden mir welche vorgeschlagen, ich bestelle eines, es wird bezahlt, die Bestellung geht ins Lager, ein Roboter holt das Produkt raus und verpackt es. Der einzige Moment, in dem ein Mensch physisch irgendetwas mit der Bestellung zu tun hat, ist die Auslieferung.
Ansonsten ist der Prozess bereits durch KI automatisiert worden. So könnte man das überall machen. Alles, was wir konsumieren, kann komplett automatisiert werden. Menschliche Interaktion sollte immer weniger werden, weil der Mensch langsam ist und Geld kostet.
Menschen können dadurch das machen, was sie am besten können. Eine Maschine kann jede Menge Nebenprozesse übernehmen. Wir beschäftigen uns mit den Themen, die zu komplex für eine Maschine sind. Maschinen sollen uns 80 Prozent der Arbeit abnehmen, die wir als Arbeit empfinden, und uns die 20 Prozent lassen, die wir als Vergnügen ansehen.
Im Privatleben sind es die Annehmlichkeiten: Suchmaschinen und dergleichen sind Systeme, die von einer künstlichen Intelligenz angetrieben werden. Sie sorgt dafür, dass wir beispielsweise nicht mehr in die Bibliothek laufen müssen.
Wie weit ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich?
KI sorgt bereits heute dafür, dass wir länger leben und ein besseres Leben haben. Im Gesundheitsbereich kann man mit der richtigen künstlichen Intelligenz Krebs viel schneller erkennen. Sie hat auch eine geringere Fehlerquote. Es gibt Roboter, die Bypass-OPs machen, weil sie präziser arbeiten und viel feinere Schnitte machen können.
Bei Routineaufgaben funktioniert das wunderbar. Bei Sonderfällen oder Situationen, die anders laufen, als geplant, ist der Mensch natürlich im Vorteil. Auch wenn es um Präzision geht, müssen wir viele Sachen noch selber machen.
KI wird auch dazu benutzt, um DNA zu entschlüsseln und Nebenwirkungen von Medikamenten in der Wechselwirkung zu beurteilen. Im Gesundheitsbereich haben wir KI überall, wo wir große Datenmengen haben.
Welche Herausforderungen bringt künstliche Intelligenz mit sich?
Die Automatisierung nimmt den Menschen Tätigkeiten ab. Mittelfristig bedeutet das, dass weniger Menschen benötigt werden, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Ich brauche heutzutage beispielsweise weniger Bankangestellte, weil ich mehr Geldautomaten habe.
Das sorgt für Unwohlsein bei einzelnen Personen, weil sie auf einmal merken, dass sie keinen Job mehr finden, weil weniger angeboten werden.
Die Herausforderung ist, dass das Tempo zunimmt. Der Fortschritt von künstlicher Intelligenz ist schnell, Entwicklungen können innerhalb von drei oder fünf Jahren passieren. Es besteht das Risiko, dass der Mensch nicht schnell genug umdenkt und sich nicht an die neuen Umstände anpasst.
Wir haben bei KI auch immer ein ethisches und moralisches Problem. Der Mensch trifft jeden Tag unterschiedliche moralische Entscheidungen. Das wird die Maschine auch machen. Bei Maschinen verhält es sich aber so, dass sie durch Daten geprägt sind.
Diese Daten werden von dem Erschaffer der künstlichen Intelligenz eingespielt und trainiert. Der Erschaffer speichert die eigene Moral in dem System ab - bewusst oder unbewusst. Wenn wir in zehn Jahren also ein chinesisches Auto haben, wird das anders entscheiden als ein deutsches.
Es ist eine interessante Herausforderung, dass verschiedene Kulturen KI prägen. Auf einmal werden kulturelle Komponenten durch Software extrem verstärkt.
Maschinen sind auch nicht unfehlbar. Wer haftet, wenn eine intelligente Haustür beispielsweise einen Dieb ins Haus lässt?
Das ist eine berechtigte Frage. Wenn es eine KI ist und sie jemanden reinlässt, kann es sein, dass es ein technischer Fehler des Herstellers war. Dann ist er verantwortlich.
Es kann sein, dass ich das System falsch trainiert habe. Dann bin ich dafür verantwortlich. Es kann aber auch sein, dass das System gehackt wurde, dann ist das ein Fall von Kriminalität.
Müssen wir Gesetze und Zuständigkeiten anpassen?
Wir brauchen eine Regulierung und neue Gesetze. Sowohl ein Herzschrittmacher als auch ein Hörgerät sind Minicomputer im Körper. Sie müssen so eingestellt werden, dass sie nicht gehackt werden können. Nicht jeder soll an die Daten herankommen.
Wenn es um eine intelligente Haustür geht, sind wir fast schon im Versicherungsrecht. Warum bekommen wir für solche Fälle keine Versicherung? Schließlich macht KI auch Fehler, wogegen sich Kunden sich sicherlich absichern möchten. Wenn ein selbstfahrendes Auto beispielsweise einen Unfall hat, wer haftet dann? Ich würde sagen: Das ist ein Versicherungsfall.
Die Versicherungen müssen sich jetzt auf ganz andere Fälle einstellen, ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln. Software und selbstfahrende Autos müssen versichert werden.
Findet das Thema Anklang in der Politik?
Ich war vor einem Jahr im Bundestag und habe mit den Politikern darüber gesprochen. Sie haben sich gefragt, wie man KI verbieten kann. Unsere Politiker wollen eigentlich nicht, dass es künstliche Intelligenzen gibt.
Der andere Standpunkt war, dass KI noch nicht real ist und sie sich erst in fünf Jahren noch einmal damit beschäftigen möchten.
Unsere Politik hat nicht begriffen, dass die Welt sich weiterdreht. Wir sind ein faules, träges, rückständiges Land, besonders in unserer politischen Kaste. Unsere Politiker handeln grob fahrlässig, indem sie nicht an die Zukunft denken, indem sie sich nicht überlegen, wie sie das Land lebenswerter machen können und indem sie nicht versuchen, wettbewerbsfähig zu bleiben.
Sie handeln aus purem Egoismus und beschäftigen sich den ganzen Tag damit, wie sie ihre Posten sichern, ihre Zielgruppe befriedigen und das Geld ausgeben können, was sie nicht selbst verdient haben.
Was hat sich seit Ihrer letzten Konferenz geändert?
Letztes Jahr ging es darum, was KI ist und wo die Reise hingeht. Dieses Mal geht es darum, was die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf die Gesellschaft, Moral, Ethik sowie die Politik sind und wie wir KI künftig anwenden können.
Viele Unternehmen wissen, dass sie KI brauchen, aber nicht, wie sie es einsetzen sollen. Es gibt viele Fragen, aber nur wenige Antworten. Kaum jemand hat eine Ahnung, weil das ein sehr junges Feld ist und es keine guten Referenzen gibt.
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